Antisemitismus im Kulturbetrieb: „Strategien zur Bekämpfung entwickeln“
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Felix Klein, Antisemitismus-Beauftragter der Bundesregierung.
© Quelle: Wolfgang Kumm/dpa/Archivbild
Berlin. Der Vorgang sorgte für Aufsehen. Als Kulturstaatsministerin Claudia Roth kürzlich beim jüdischen Musikwettbewerb Jewrovision auftrat, sah sie sich mit lautstarken Buhrufen konfrontiert. Die Urheber begründeten dies unter anderem mit den Debatten um die documenta in Kassel, bei der im vorigen Jahr mehrere Arbeiten als antisemitisch kritisiert wurden. Dem Affront gegen die Grünen-Politikerin folgte wiederum ein offener Brief, in dem 50 jüdische Prominente sie verteidigten.
Die Kontroverse steht in einem größeren Zusammengang. Denn seit Wochen sorgt der ehemalige Pink-Floyd-Sänger Roger Waters für Schlagzeilen. Er sympathisiert mit der israelfeindlichen BDS-Bewegung und trat zuletzt gern in einem langen Ledermantel mit roter Armbinde auf – eine mindestens geschmacklose Anspielung auf den Nationalsozialismus. Bei seinem jüngsten Auftritt in der Frankfurter Festhalle verzichtete Waters auf diese Utensilien. Grund waren wohl polizeiliche Ermittlungen wegen Volksverhetzung und Proteste sowie der Ort des Geschehens. In der Festhalle waren im Zuge der Pogromnacht 1938 mehr als 3000 jüdische Männer misshandelt worden.
Klein: Braucht „Strategien zur Bekämpfung“ von Antisemitismus
Schließlich wäre die Kabarettistin Lisa Eckhart zu nennen. 2020 geriet die Österreicherin wegen ihres Programms ebenfalls unter Antisemitismusverdacht. So beklagte die „Jüdische Allgemeine“ etwa folgenden Lisa-Eckhart-Satz: „Den Juden Reparationen zu zahlen, das ist, wie dem Red-Bull-Gründer Mateschitz ein Red Bull auszugeben.“ Der angeblich reiche Jude – das ist ein uraltes antisemitisches Klischee.
Nun meldet sich der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, zu Wort. „Die Kontroversen um Claudia Roth und Roger Waters sollten Anlass sein, das Thema Antisemitismus gemeinsam anzugehen und Strategien zu seiner Bekämpfung zu entwickeln“, sagte er dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Denn dass das ein Thema ist, sehen ja alle.“ Zwar gebe es „skandalöse Verharmlosung von Antisemitismus nicht nur im Kulturbetrieb“, fügte Klein hinzu. „Allerdings werden im Bereich Kunst und Kultur öffentliche Gelder eingesetzt. Deshalb bestehen dort auch Steuerungsmöglichkeiten.“
Roth nahm antisemitische Kunstwerke auf der documenta zuerst nicht ernst
Roth selbst kann man keine antisemitische Gesinnung anlasten. Gleichwohl hat sie zweimal für Kritik gesorgt. 2019 weigerte sich die Grüne, einem Antrag zuzustimmen, der auf der Tagesordnung des Bundestages stand. Überschrift: „Der BDS-Bewegung entschlossen entgegentreten – Antisemitismus bekämpfen“. In einer persönlichen Erklärung räumte sie zwar ein, dass einige Gruppen und Akteure unter dem Dach von BDS die Existenzberechtigung Israels infrage stellten. Auch komme es zum Teil zu einer verschwörungstheoretischen Dämonisierung der israelischen Bevölkerung. Es sei „aber etwas ganz anderes, BDS, alle beteiligten Organisationen und Einzelpersonen pauschal als antisemitisch zu bezeichnen“.
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2022 warnte der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, frühzeitig davor, dass im Zuge der Kasseler documenta antisemitische Kunstwerke gezeigt werden könnten. Roth nahm die Sache nicht ernst – bis sich Schusters Warnung bewahrheitete und sich die Schau zu einem Skandal auswuchs. Der Zorn entlud sich beim Jewrovision.
Der Antisemitismusbeauftragte Felix Klein hält Wachsamkeit jedenfalls für geboten, und das ganz allgemein. „Dabei sollte man den Kampf gegen Antisemitismus nicht der jüdischen Community überlassen, daran sollten sich alle beteiligen“, sagte er dem RND und fuhr fort, die Proteste gegen Roger Waters hätten bewiesen, „dass die Gesellschaft sensibler wird. Das ist ein gutes Zeichen.“