„Denunzieren und Diffamieren auf Staatskosten“? Was die Meldestelle Antifeminismus vorhat
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Sexistische Anfeindung, Kampagnen gegen Gleichstellung, frauenfeindliche Übergriffe – die Meldestelle Antifeminismus nimmt antifeministische Vorfälle auf, unabhängig davon, ob sie strafbar sind (Symbolbild).
© Quelle: picture alliance / ZUMAPRESS.com
Es ist eine andere Art von Aufmerksamkeit, die die Meldestelle Antifeminismus seit ihrem Start bekommt. Dorothee Bär, eine der stellvertretenden Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, ist empört: „Die Bundesfamilienministerin hat aus unserer Geschichte nichts gelernt. Sie schämt sich nicht, zur vermeintlichen Stärkung unserer Demokratie eine Kultur des Anschwärzens zu fördern.“ Und nicht nur das soll das Ministerium von Lisa Paus vorhaben, es soll auch auf Staatskosten „denunzieren und diffamieren“ – so schreibt es Bär in einer Pressemitteilung der CDU/CSU Fraktion im Bundestag.
Bär ist nicht die Einzige, die der neuen Meldestelle Antifeminismus eine Agenda vorwirft. Auch Beatrix von Storch, stellvertretende Vorsitzende der AfD-Fraktion, beschreibt sie in der „Welt“ als „Teil des Kampfes der radikalen Linken gegen die Meinungsfreiheit“. Sie diene „der Schaffung eines linken Gesinnungsstaates“.
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Dorothee Bär ist eine der stellvertretenden Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.
© Quelle: dpa
Doch was ist die Meldestelle Antifeminismus eigentlich und was ist ihr Ziel?
133.000 Euro vom Bund für das Projekt
Über das Portal können Betroffene melden, wenn sie sich bedroht fühlen oder angefeindet werden. Wenn sie sich beispielsweise auf Social Media zu feministischen Themen äußern und daraufhin Drohnachrichten erhalten. Auch Frauen, die auf dem Weg zu einer Abtreibungsklinik von sogenannten „Gehsteigbelästigern“ belagert werden, dürfen die Plattform nutzen. Auch Sticker oder Flyer, die beispielsweise gegen eine „Gender-Ideologie“ mobilisieren, sollen über das Portal erfasst werden.
Die gesammelten Daten landen dann bei der gemeinnützigen Amadeu-Antonio-Stiftung, die sich mit Fördergeldern und Spendeneinnahmen für eine Gesellschaft ohne Antisemitismus, Rassismus und Rechtsextremismus einsetzt – Geld bekommt sie dafür auch vom Bundesfamilienministerium. 2022 waren es 133.000 Euro, die der Bund in das Förderprogramm „Antifeminismus begegnen – Demokratie stärken“ investierte, aus dem auch die Meldestelle entstand. Es soll für demokratiegefährdende Auswirkungen von antifeministischen Denkweisen, Ideologien und Verhaltensweisen sensibilisieren. Es ist Teil des Förderprogramms „Demokratie leben“, das 2014 von Manuela Schwesig (SPD) ins Leben gerufen wurde.
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Meldestelle Antifeminismus: Daten zu antifeministischen Vorfällen werden hier gesammelt und statistisch aufgearbeitet.
© Quelle: Meldestelle Antifeminismus/ Screenshot: RND
Doch nicht alles Geld für die Stiftung geht allein in die Meldestelle. Das Ministerium und die Stiftung arbeiten beispielsweise seit Jahren gemeinsam Bundesprogramme gegen Rechtsextremismus aus. Weitere Gelder für die Amadeu-Antonio-Stiftung und seine Projekte kommen von anderen Stiftungen und gemeinnützigen Vereinen.
Worüber regen sich Bundespolitikerinnen und Bundespolitiker also auf, wenn Gelder in demokratiefördernde Projekte fließen? Schließlich ist die Meldestelle Anfang Februar nach eigenen Angaben an den Start gegangen, um sexistische, frauenfeindliche, queerfeindliche Vorfälle und Botschaften zu sammeln und zu dokumentieren.
Jedes Jahr eine Wasserstandsmeldung
Nicht für alle ist das ein progressiver Vorgang. Kritikerinnen und Kritiker der Meldestelle sorgen sich darum, dass die gemeldeten Vorfälle nicht anonymisiert bleiben, wie es auf der Website geschrieben wird. Stattdessen wird befürchtet, dass diese vor allem dafür genutzt werden könnten, berühmte Persönlichkeiten, Organisationen, und sogar Medien an den Pranger zu stellen. All jene, die beispielsweise eher konservative Ansichten über Mann und Frau vertreten. Die frauenpolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Silvia Breher (CD), fürchtet sogar, dass die Plattform „am Ende deutlich mehr schaden als nutzen“ könnte. Denn die Geschichte hätte gezeigt, „dass derartige Konzepte, die auf politischer Ideologie und Spaltung basieren“ genau zu so etwas führen würden.
Zwar gibt es tatsächlich auf der Website einen Reiter, der einige gesammelten Fälle chronologisch aufzeigen will – doch ist die Seite aktuell leer. Das könnte einerseits daran liegen, dass laut „Tagesspiegel“ bisher erst 500 Meldungen eingegangen sind. Andererseits aber auch daran, dass die Meldestelle nach eigenen Angaben gar nicht vorhat, Namen und Gruppierungen in die Öffentlichkeit zu zerren, die dem feministischen Weltbild widersprechen. Vielmehr will sie „dokumentieren, wie alltäglich Antifeminismus ist, wie differenziert er sich äußert und vor allen Dingen auch, in welchen Bereichen er eine Rolle spielt“, erklärt der Leiter der Meldestelle, Ans Hartmann, in einem „taz“-Interview. Man wolle mit den gesammelten Daten jährlich ein Lagebild zum Antifeminismus veröffentlichen, in dem die verschiedenen Problemfelder aufgezeigt werden könnten. Das würde helfen, auch in der Politik und bei der Polizei ein Bewusstsein zu schaffen.
Angriffe auf Menschen, die sich für Gleichstellung engagieren, müssten systematisch erfasst werden, findet Judith Raner von der Amadeu-Antonio-Stiftung. Sie wies deswegen die Vorwürfe im Deutschlandfunk zurück, dass es die bei der Meldestelle, um ein „Petzportal“ handele – vielmehr helfe es Betroffenen. Die viele Kritik zeige auch, wie „wenig gewusst wird, was Antifeminismus ist und wer davon eigentlich betroffen ist“. Und so sei die Aufmerksamkeit auf die Meldestelle für etwas gut, denn die Debatte um Antifeminismus sei „dringend notwendig“.