Morde in Nizza: Frankreich erneut Opfer islamistischen Terrors

Am Donnerstagmorgen kam es in Nizza erneut zu einer Messerattacke, bei der drei Menschen ums Leben kamen.

Am Donnerstagmorgen kam es in Nizza erneut zu einer Messerattacke, bei der drei Menschen ums Leben kamen.

Nizza/Paris. Er schrie immer wieder „Allahu Akbar“, arabisch für „Gott ist groß“, noch während er festgenommen und zugleich von den Notärzten versorgt wurde. Das erzählte der Bürgermeister von Nizza, Christian Estrosi, über den Mann, der am Donnerstagmorgen in der Kirche Notre-Dame de l’Assomption im Zentrum der Stadt zwei Frauen und einen Mann, den 45-jährigen Aufseher des Gotteshauses, mit einem Messer getötet hat, bevor ihn Polizeibeamte mit mehreren Schüssen schwer verletzten. Sein erstes Opfer, eine Frau im Alter von rund 70 Jahren, versuchte der Täter offenbar zu enthaupten – so wie ein 18-Jähriger eine Woche zuvor in dem Örtchen Conflans-Saint-Honorine rund 30 Kilometer von Paris dem Lehrer Samuel Paty den Kopf abgetrennt hatte.

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Die Antiterrorabteilung der Staatsanwaltschaft nahm Ermittlungen auf. Über die Identität des Täters, der keine Ausweispapiere bei sich trug, ist bisher kaum etwas bekannt. Nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa handelt es sich um einen Mann, der 1999 in Tunesien geboren wurde. Auf Twitter schrieb der konservative französische Abgeordnete aus dem Departement Alpes-Maritimes, Éric Ciotti, dass der mutmaßliche Täter über die italienische Mittelmeerinsel Lampedusa eingereist sei.

Messerattacke in Nizza: erneute Enthauptung in Frankreich
dpatopbilder - 29.10.2020, Frankreich, Nizza: Ein franz���sischer Polizist steht nach einem Messerangriff hinter einer Absperrung zu Beginn einer Stra���e, die zur Kirche Notre-Dame in der s���dfranz���sischen K���stenstadt Nizza f���hrt. Bei der Messerattacke hat es mindestens drei Tote und mehrere Verletzte gegeben. Die Pariser Anti-Terror-Staatsanwaltschaft hat die Ermittlungen ���bernommen. Dabei gehe es unter anderem um den Vorwurf des Mords in Verbindung mit einem terroristischen Vorhaben. Foto: Daniel Cole/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Bei dem Messerangriff vor einer Kirche in Nizza wurden am Donnerstag zudem zwei weitere Menschen getötet.

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Rund zwei Stunden nach den Vorfällen, gegen 11 Uhr morgens, erschossen Polizisten einen Mann in Avignon, der Passanten auf der Straße mit einem Messer bedroht und versucht hatte, sie anzugreifen. Medien zitierten eine polizeiliche Quelle, der zufolge es nicht unbedingt Hinweise auf einen „terroristischen Charakter“ der Tat oder gar einen Zusammenhang mit den Vorfällen in Nizza gab.

Präsident Macron spricht von „islamistischem Terroranschlag“

Präsident Emmanuel Macron begab sich am Nachmittag vor Ort und sprach lange mit Polizisten und Bürgern. Laut Macron handelt es sich bei der Attacke um einen „islamistischen Terroranschlag“. Zudem kündigte der Präsident an, den inländischen Antiterroreinsatz „Sentinelle“ des Militärs aufzustocken. Statt bisher 3000 sollen künftig 7000 Soldaten eingesetzt werden.

Der Präsident des französischen Muslim-Rates CFCM, Mohammed Moussaoui, appellierte in einer ersten Reaktion an alle Muslime, „zum Zeichen der Trauer und der Solidarität mit unseren Mitbürgern, die Opfer dieser niederträchtigen Tat wurden“, die geplanten Feierlichkeiten zum islamischen Fest Mawlid an-Nabi abzusagen, die von Freitag bis Sonntag stattfinden sollten. Innenminister Gérald Darmanin kündigte an, die Überwachung aller religiösen Stätten und Friedhöfe im Land zu verschärfen.

Bereits im Juli 2016 hatten zwei Attentäter dem 85-jährigen Priester Jacques Hamel in Saint-Étienne-du-Rouvray in der Normandie, der gerade eine Messe abhielt, die Kehle durchgeschnitten und einen weiteren Mann verletzt, bevor Sicherheitskräfte sie erschossen. Derzeit findet ein Prozess gegen einen algerischen Islamisten statt, der Attentate auf zwei Kirchen der Pariser Vorstadt Villejuif geplant und eine junge Frau beim Versuch, ihr Auto zu stehlen, getötet hatte.

Muslimische Länder protestieren gegen französische Produkte

Auch die jüngsten Vorfälle ereigneten sich in einem äußerst angespannten Kontext und einen Tag bevor ein mindestens vierwöchiger Lockdown in Frankreich in Kraft tritt. Nach der Ermordung von Samuel Paty vor einer Woche, der in einer Unterrichtsstunde über die Meinungsfreiheit Mohammed-Karikaturen der Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ gezeigt hatte, sagte Macron, man werde es sich nicht verbieten lassen, auch weiterhin von dieser Freiheit Gebrauch zu machen und provokante Zeichnungen zu zeigen. Daraufhin gab es wütende Reaktionen in einigen muslimischen Ländern, wo protestiert und zum Boykott französischer Produkte aufgerufen wurde.

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Derzeit läuft in einem Pariser Gericht der Prozess um die mutmaßlichen Unterstützer der drei Männer, die im Januar 2015 Terroranschläge gegen „Charlie Hebdo“ und einen jüdischen Supermarkt verübt hatten und in der Folge starben. Zu diesem Anlass veröffentlichte die Satirezeitung erstmals seit damals wieder Karikaturen des Propheten.

Drei Wochen nach Prozessauftakt griff ein 25-Jähriger zwei junge Journalisten vor dem ehemaligen Redaktionsgebäude mit einem Fleischermesser an und verletzte sie schwer. Er sei „wütend“ über die Karikaturen gewesen, sagte er später. Dass „Charlie Hebdo“ längst an einem anderen, geheimen Ort arbeitet, war dem Pakistaner entgangen.

Für Frankreich gilt höchste Terrorwarnstufe

Als Reaktion auf den brutalen Mord an Paty hatte die französische Regierung eine Reihe von Maßnahmen angekündigt, darunter das Verbot einiger als radikal geltender Vereinigungen und die zeitweilige Schließung einer Moschee. Auch soll der Kampf gegen Hassbotschaften im Internet massiv verschärft werden. Der französische Premierminister Jean Castex rief gestern die oberste Terrorwarnstufe für das ganze Land aus und verurteilte die „ebenso feige wie barbarische Tat, die das ganze Land in Trauer versetzt“.

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