Merkels letzte MPK – und weitreichende Beschlüsse für Ungeimpfte
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Berlins Regierender Bürgermeister, Michael Müller, Noch-Kanzlerin Angela Merkel und ihr Nachfolger Olaf Scholz nach der Bund-Länder-Konferenz am Donnerstag.
© Quelle: Getty Images
Berlin. Die Kanzlerin nahm bei ihrer mutmaßlich letzten Pressekonferenz im Amt kein Blatt vor den Mund. „Die Lage ist ernst, was die Corona-Pandemie anbelangt“, sagte Angela Merkel nach rund dreieinhalbstündigen Beratungen mit den Ministerpräsidentinnen und -präsidenten der 16 Länder. Nötig sei nun „ein Akt der nationalen Solidarität“.
Auf die Frage, wie ihre politische Corona-Bilanz ausfalle, antwortete sie: „Dass wir in einer so starken vierten Welle sind, stimmt mich nicht froh. Das bedrückt mich.“ Bei einer Inzidenz von 130 oder 150 wie in Italien „wäre mir wohler“.
Merkel sagt, sie würde für Impfpflicht stimmen
Beim Thema Impfpflicht war die in der kommenden Woche aus dem Amt scheidende Regierungschefin ebenfalls unmissverständlich. „Wir müssen sehen, dass es eine Impflücke gibt“, sagte sie. „Angesichts dieser Situation ist es geboten, eine Impfpflicht zu beschließen.“ Säße sie noch im Bundestag, würde sie dafür stimmen.
Merkel verkündet harte Einschnitte für Ungeimpfte
Als Reaktion auf die hohen Corona-Infektionszahlen haben die Spitzen von Bund und Ländern bundesweite weitreichende Einschränkungen für Ungeimpfte beschlossen.
© Quelle: AFP
Ihr mutmaßlicher Nachfolger Olaf Scholz war nicht weniger deutlich. Parteipolitik müsse nun in den Hintergrund rücken, sagte der SPD-Politiker, und die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger in den Vordergrund. Am deutlichsten wurde Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller, der ebenfalls der SPD angehört. Es sei nun besonders wichtig, auf die Ungeimpften zu reagieren, die als Minderheit für die Mehrheit der Infektionen verantwortlich seien. Und es sei richtig, dass die Geimpften fortan Möglichkeiten hätten, die Ungeimpfte nicht hätten.
Zweifel, ob sich die verschärften Corona-Regeln denn auch kontrollieren ließen, verwunderten ihn, sagte Müller und wählte einen Vergleich: „Wir alle halten an einer roten Ampel; und wir wissen, dass nicht an jeder roten Ampel ein Polizist steht.“ Es komme mehr denn je auf Eigenverantwortung an.
NRW-Ministerpräsident dankt Merkel für Krisenmanagement
Es war am Vorsitzenden der Ministerpräsidentenkonferenz, dem nordrhein-westfälischen Regierungschef Hendrik Wüst (CDU), Merkel zu danken. „Sie haben unser Land gut durch diese Krise geführt“, sagte der Dienstjüngste unter den 16 Ministerpräsidentinnen und -präsidenten im Namen aller. Deutschland sei besser als andere Staaten durchgekommen.
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Hendrik Wüst, Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, bei der Pressekonferenz nach der Bund-Länder-Konferenz über das weitere Vorgehen in der Corona-Pandemie.
© Quelle: imago images/photothek
Merkel, so wird es beschrieben, habe sehr konzentriert und verbindend durch ihre letzte Ministerpräsidentenkonferenz geführt. Sie habe gleichzeitig gelöst gewirkt – keinesfalls so, als sei sie unglücklich, dem Treffen künftig nicht mehr vorzustehen. Scholz fragte mit Blick auf Veranstaltungen scherzhaft: „Zapfenstreich absagen?“ Und er entlockte Merkel damit ein Lächeln.
Das sind die neuen Regeln
Bund und Länder haben bei ihrer Konferenz folgende Neuregelungen beschlossen, die zum Großteil erst noch durch die Länder per Verordnung festgelegt werden müssen. Damit treten sie erst in den nächsten Tagen in Kraft.
Kultur- und Freizeiteinrichtungen
Kinos, Theater, Restaurants und andere Einrichtungen dürfen bundesweit nur noch von Geimpften und Genesenen besucht werden (2G). Optional kann zusätzlich ein aktueller Corona-Test vorgeschrieben werden (2G plus). Ausgenommen sind Menschen, die aus medizinischen Gründen nicht geimpft werden können oder für die keine Impfempfehlung vorliegt. Möglich sind Ausnahmen für Kinder und Jugendliche bis 18 Jahren.
Einzelhandel
Es gilt generell 2G. Ausgenommen von der Regel sind Geschäfte des täglichen Bedarfs (zum Beispiel Supermärkte, Apotheken und Drogerien). Der Zugang muss vor den Geschäften kontrolliert werden.
Kontaktbeschränkungen
Einschränkungen gelten für Ungeimpfte. Private Zusammenkünfte in der Öffentlichkeit oder zu Hause, an denen ungeimpfte Menschen teilnehmen, sind auf den eigenen Haushalt und maximal zwei Personen eines weiteren Haushaltes begrenzt. Kinder bis zur Vollendung des 14 Jahres sind hiervon ausgenommen.
Ehegatten, Lebenspartner und -partnerinnen beziehungsweise Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft gelten als ein Haushalt, auch wenn sie keinen gemeinsamen Wohnsitz haben. Für private Zusammenkünfte, an denen ausschließlich Geimpfte und Genesene teilnehmen, gibt es keinerlei Begrenzungen.
Fußballspiele, Kultur- und andere Großveranstaltungen
Bei Veranstaltungen in geschlossenen Räumen darf nur bis zu 50 Prozent der Kapazität genutzt werden, höchstens aber sind 5000 Zuschauer zugelassen. Im Freien gilt ebenfalls die 50-Prozent-Höchstgrenze, bis zu einer maximalen Gesamtzahl von 15.000 Menschen. Generell gilt 2G oder optional 2G plus.
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Fußballspiele mit vollen Stadien, wie hier am vergangenen Samstag in Köln, werden vorerst nicht wieder stattfinden.
© Quelle: Marius Becker/dpa
Vorgeschrieben ist zudem das Tragen einer medizinischen Maske. In Ländern mit einem „hohen“ Infektionsgeschehen müssen Veranstaltungen „nach Möglichkeit“ abgesagt werden oder ohne Zuschauer stattfinden. Ein genauer Schwellwert ist nicht genannt.
Hotspots
In Hotspot-Regionen „spätestens“ ab einer Sieben-Tages-Inzidenz von 350 pro 100.000 Einwohner werden Clubs und Diskotheken in Innenräumen geschlossen. Für private Feiern und Zusammenkünfte gilt dann eine Teilnehmerzahl von höchstens 50 Personen in Innenräumen und 200 Personen im Freien – jeweils bezogen auf Geimpfte und Genesene. Sind Ungeimpfte darunter, gelten die oben genannten Kontaktbeschränkungen.
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Zudem sollen die Länder durch eine erneute Änderung des Infektionsschutzgesetzes die Möglichkeit bekommen, in Regionen mit einem „hohen Infektionsgeschehen“ schärfere Beschränkungen zu verhängen, zum Beispiel die zeitliche Schließung von Restaurants, Einschränkungen bei Hotelübernachtungen oder ein Alkoholverbot. Darüber hinaus soll die bis zum 15. Dezember geltende Übergangsfrist für umfassende Schutzmaßnahmen nach dem alten Infektionsschutzgesetz verlängert werden.
Schulen
Einführung einer bundesweiten Maskenpflicht unabhängig von der Klassenstufe.
Silvester/Neujahr
Es gilt bundesweit ein An- und Versammlungsverbot. Zudem wird der Verkauf von Feuerwerkskörpern und Böllern untersagt. Das Abbrennen von Pyrotechnik kann von den Kommunen an bestimmten Plätzen verboten werden. Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Oliver Malchow, begrüßte die Entscheidung.
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2019 feierten noch Tausende Menschen Silvester am Brandenburger Tor. Das wird – wie schon im vergangenen Jahr – 2021 nicht möglich sein.
© Quelle: Jörg Carstensen/dpa
„Aufgrund der hohen Belegungsrate der Intensivstationen und somit auch hohen Beanspruchung der Notaufnahmen ist es ratsam, aufgrund der jährlich wiederkehrenden Verletzungen ein Böllerverbot auszusprechen“, sagte er dem RND.
Der Verband der pyrotechnischen Industrie (VPI) zeigt hingegen keinerlei Verständnis. „Das ist für viele unserer Mitgliedsunternehmen wahrscheinlich der Todesstoß“, betont VPI-Geschäftsführer Klaus Gotzen. Die Begründung sei völlig haltlos. Denn nach Angaben des Krankenhausbetreibers Vivantes seien lediglich 5 Prozent aller Krankenhausbesuche in der Silvesternacht auf Feuerwerk zurückzuführen.
Impfberechtigte
Kurzfristig sollen Apothekerinnen und Apotheker sowie Pflegefachkräfte in Altenheimen die Erlaubnis zum Impfen bekommen, und zwar über die sogenannte Delegation von ärztlichen Leistungen. Geplant ist eine Gesetzesänderung, um das Impfen in Apotheken und Zahnarztpraxen generell zu ermöglichen.
Impfpflicht
Wie bereits vereinbart, soll noch im Dezember zunächst die einrichtungsbezogene Impfpflicht für Kliniken und Pflegeheime im Bundestag beschlossen werden. Anfang des Jahres ist dann eine Entscheidung des Parlaments über eine allgemeine Impfpflicht in einer Abstimmung ohne Fraktionszwang geplant. Sie könnte dann laut Beschlusspapier „etwa ab Februar 2022″ gelten.
Der Ethikrat wird gebeten, bis Jahresende eine Empfehlung zu dieser Frage abzugeben. Scholz zeigte sich bei der Pressekonferenz davon überzeugt, dass der Bundestag eine allgemeine Impfpflicht beschließen wird.
Gültigkeit der Impfung
Bisher ist nicht eindeutig festgelegt, wie lange der Status „vollständig geimpft“ gilt. In der EU wird diskutiert, die Gültigkeit auf neun Monate zu begrenzen. Spätestens dann wäre eine Auffrischimpfung nötig. Bund und Ländern wollen prüfen, ob und wann eine derartige Regelung in Deutschland eingeführt werden soll.
Zeitplan der Impfungen
Bis zum Jahresende sollen weitere 30 Millionen Impfungen geschafft werden. Die Zahl umfasst sowohl Booster- als auch Erst- und Zweitimpfungen. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums sind bis Jahresende noch rund 20 Millionen Auffrischimpfungen nötig, um alle Geimpften rechtzeitig zu boostern.
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Rechnet man beispielhaft die 820.000 Booster-Impfungen vom Mittwoch bis zum Jahresende hoch, dann ergäbe das – bei einem täglichen Niveau in dieser Größenordnung – weitere 24 Millionen Impfungen. Das Ziel wäre mithin zu erreichen. Bei den Erst- und Zweitimpfungen liegt das Niveau derzeit bei etwa 150.000 verabreichenden Dosen pro Tag.
Hochgerechnet könnten so bis Ende Dezember nicht einmal fünf Millionen Erst- und Zweitimpfungen geschafft werden. Hier müsste also das Tempo in etwa verdoppelt werden, um auf die Zahl von zehn Millionen Erst- und Zweitimpfungen zu kommen.
Ausreichend Impfstoff für das 30-Millionen-Ziel ist laut Gesundheitsministerium vorhanden: Den Angaben zufolge liegen derzeit in den Kühlschränken und Lagern der Praxen und Impfzentren rund 13 Millionen Dosen, die noch nicht verimpft sind. Hinzu kommen mehr als 40 Millionen Dosen, die bis Jahresende von den Herstellern an Deutschland ausgeliefert werden. Das ergibt unterm Strich über 50 Millionen Dosen. Zudem werden ab 20. Dezember noch 2,4 Millionen Dosen des Biontech-Kinderimpfstoffs erwartet.
Wirtschaftshilfen
Wie bereits beschlossen, sollen zahlreiche Hilfsprogramme für Unternehmen fortgesetzt werden. Auch für ausgefallene Weihnachtsmärkte wird es eine Unterstützung geben. Die Firmen, die vom Böllerverbot betroffen sind, erhalten ebenfalls eine Kompensation.