Liberale als Regierungsbremse?

Unwucht in der Ampelkoalition: Lindners Kurs lässt sogar Teile der FDP unruhig werden

Bundeskanzler Olaf Scholz (M, SPD) spricht mit Finanzminister Christian Lindner (r, FDP) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne).

Bundeskanzler Olaf Scholz (M, SPD) spricht mit Finanzminister Christian Lindner (r, FDP) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne).

Berlin. Nein, ein Krisengespräch sei das Treffen der drei Ampelfraktionsvorstände nun wirklich nicht gewesen. Der Termin am Dienstagabend habe nichts mit der vierten Schlappe der FDP bei einer Landtagswahl am Sonntag in Niedersachsen und der Dauerskepsis von Parteichef Christian Lindner gegenüber dem rot-grün-gelben Bündnis zu tun. Eigentlich habe man sich schon vor Monaten zusammensetzen wollen, aber erst jetzt habe man Zeit dafür gefunden, berichten Abgeordnete.

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Doch auch wenn es dem Vernehmen nach ein nettes Beisammensein war – eine Krise hat die Ampel trotzdem. Das Vertrauen zwischen FDP und Grünen ist ramponiert. Die freundliche Stimmung an dem Abend sei vor allem deshalb möglich gewesen, weil weder Lindner noch Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki dabei gewesen seien, erzählen Koalitionsmitglieder.

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Unmut bei SPD und Grünen über Lindner

Kubicki wird angesichts deftiger Sprüche wie gegen Gesundheitsminister Karl Lauterbach („Der hat keine Freundin“) oder den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan („Kleine Kanalratte“) bei SPD und Grünen nicht mehr so richtig ernst genommen. Aber auf Lindner haben sie einen ziemlichen Rochus. Dauernd erzähle er, welch große Schwierigkeiten Teile der FDP-Klientel mit den Grünen hätten und wie sie mit dem Ampelbündnis fremdelten. Aber anstatt Wahlschlappen selbstkritisch zu analysieren, folge ein „jetzt erst recht weiter so“.

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So beharrt Lindner nun auf längeren Atomlaufzeiten, als es Grüne und SPD mit dem sogenannten Streckbetrieb für zwei der letzten drei Meiler bis zum Frühjahr 2023 wollen. Das gehört für ihn zu seinem „Positionslicht-Anschalten“, das er nach der Niedersachen-Niederlage mit dem Scheitern der FDP an der 5-Prozent-Hürde angekündigt hatte.

Da wird allerdings selbst Freien Demokraten in der Regierung etwas mulmig. Hinter vorgehaltener Hand äußern sie Zweifel daran, dass die FDP davon profitieren werde, wenn sie diesen Streit durchfechte. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine bereite den Menschen Zukunftsängste und selbst, wenn es laut Umfragen inzwischen eine Mehrheit für eine längere Kernkraftnutzung gebe, bleibe immer noch der Wunsch nach Ruhe in der Regierung am größten.

Die Grünen könnten sich außerdem zurücklehnen und nichts tun, weil es ohne Änderung des Atom- und des Energiewirtschaftsgesetzes zum Jahresende ganz automatisch zu deren Herzensanliegen dem Atomausstieg komme. Dann sei nichts gewonnen, auch kein Streckbetrieb bis April. Das wiederum müsste die FDP dann erklären.

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Scholz hat Knoten noch nicht gelöst

Bei SPD und Grünen laufen sie sich auch schon warm für die offene Forderung nach einem weiteren Aussetzen der Schuldenbremse, die Finanzminister Lindner wieder anziehen will. Vermutlich werde nicht einmal das schuldenfinanzierte 200-Milliarden-Doppelwumms-Sonderpaket ausreichen, um in Not geratende Privathaushalte und Unternehmen in der Energiekrise vor Insolvenzen zu schützen. Ausgerechnet die FDP, die sich als Partei von Mittelstand und Mittelschicht präsentieren wolle, wäre dann die Bremserin. Das werde ihr keine Sympathien einbringen, wird in der Partei befürchtet.

Kabinettsmitglieder glauben nicht, dass Lindner die Koalition platzen lässt. Sie wissen aber auch noch nicht, wie die Krise, die nicht so heißen soll, gelöst wird. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), der Debatten gern lange laufen lässt in der Hoffnung, dass sie sich von selbst erledigen, hat in einem ersten Gespräch mit den Kontrahenten Lindner und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) den Knoten nicht durchschlagen können. Und er wolle tunlichst vermeiden, eine Entscheidung gegen einen von beiden zu treffen.

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Es seien die roten Linien abgesteckt worden, heißt es: SPD und Grüne könnten sich nicht auf die FDP-Forderung nach einer Laufzeitverlängerung bis 2024 einlassen, die FDP könne keinen Streckbetrieb nur bis April 2023 akzeptieren. Bleiben acht Monate Verhandlungsspielraum. Die Fraktionsvorstände schöpfen nach ihrem Treffen aber neue Hoffnung: Für viele Abgeordnete sei es das erste persönliche Kennenlernen überhaupt gewesen. Höflich sei es zugegangen, mitunter sogar richtig zugewandt.

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