Kommentar

Streitereien in der Ampelkoalition: Bitte aufhören!

Ampelspitzenpolitiker Christian Lindner (FDP), Robert Habeck (Die Grünen) und Olaf Scholz (SPD) (von links nach rechts): Zwischen den drei Parteien gibt es zunehmend Reibereien.

Ampelspitzenpolitiker Christian Lindner (FDP), Robert Habeck (Die Grünen) und Olaf Scholz (SPD) (von links nach rechts): Zwischen den drei Parteien gibt es zunehmend Reibereien.

Nein, auf dem Niveau, das Union und FDP nach der Bundestagswahl 2009 pflegten, sind wir noch nicht. Niemand in der Ampelkoalition nimmt Vokabeln wie „Gurkentruppe“ oder „Wildsau“ in den Mund, mit denen sich die schwarz-gelbe „Wunschkoalition“ einst traktierte. In der Aufforderung der SPD-Bundestagsabgeordneten Ralf Stegner und Michael Müller an Außenministerin Annalena Baerbock, doch nun bitte mal etwas für den Frieden in der Ukraine zu tun, schwingt aber schon ein Hauch Niedertracht mit. Es kracht in der Ampel. Nachdem das Dreierbündnis im Herbst letzten Jahres einen Stil pflegte, der wieder Lust auf Politik machte, erleben wir erneut Politik, bei der man laut ausrufen möchte: Bitte aufhören!

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Traffic lights in the fog

Die Krise der Ampelregierung: Kann dieses Bündnis halten?

Zum Start nannten sie sich „Fortschrittskoalition“: Jetzt reagieren SPD und Grüne auf der einen und die FDP auf der anderen Seite zunehmend gereizt aufeinander. Warum es jetzt vor allem auf die Achse Scholz/Lindner ankommt.

Die Ampel droht nicht an der großen Weltgeschichte zu scheitern, sondern am Gestrüpp kleinlicher Auseinandersetzungen. Die neuen Konfliktstoffe sind vielfach die alten: Es geht um Corona, den Klimaschutz sowie Staatsverschuldung und Steuern. Plötzlich geht es sogar wieder um die Atomenergie. Nur eben vor der Kulisse eines historischen Krieges und galoppierender Inflation.

+++ Alle aktuellen News und Entwicklungen zum Krieg in der Ukraine lesen Sie in unserem Liveblog. +++

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Viele Streitereien gingen zuletzt von der FDP und ihrem Chef Christian Lindner aus, etwa beim Infektionsschutz oder beim Tankrabatt. Die Liberalen versuchen nach den letzten Landtagswahlschlappen verzweifelt, das eigene Terrain zu markieren. Allerdings schlagen die Grünen längst zurück. Und Vizekanzler Robert Habeck dehnt zunehmend sein Spielfeld aus: Die jüngsten Reisen nach Israel und Jordanien waren weitere Zeichen an die Konkurrenz innerhalb und außerhalb der eigenen Partei, dass da einer für das Ganze sprechen will. So füllt Habeck auch das Vakuum, das Kanzler Olaf Scholz hinterlässt.

Fragwürdige FDP-Projekte

Dabei hat neben der SPD die panisch gewordene FDP das schlechteste Blatt. Sie muss gegen die Wirklichkeit regieren. Die Inflation pulverisiert den Anspruch auf einen ausgeglichenen Haushalt. Der Klimawandel pulverisiert den Versuch, beim Tempolimit und beim Stopp der Zulassung von Verbrennungsmotoren dauerhaft auf der Bremse zu stehen. Das Virus macht eh, was es will.

Manches erinnert dann doch an die „Gurkentruppen“-Koalition, in der FDP-Außenminister Guido Westerwelle viel forderte und wenig durchbekam. Dieses Trauma wiederum spricht ebenso dagegen, dass sich die Wogen schnell glätten lassen, wie das Bemühen, sie dadurch zu glätten, dass jeder Partner im Ernstfall ein Zugeständnis bekommt. Ein falscher Tankrabatt und ein unausgegorenes 9-Euro-Ticket zum Ausgleich – das ist ja keine konsistente Politik, sondern das Gegenteil davon.

„Politik muss Fehler eingestehen“: Ökonom Fratzscher sieht Tankrabatt als gescheitert an

Der Tankrabatt scheint beim Blick auf die Preistafeln verpufft. Marcel Fratzscher vom Deutschen Institut für Wirtschafts­forschung (DIW) sieht sich bestätigt.

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Überdies haben Habecks Grüne gute Umfragewerte. Und sie hätten mit einer sich behutsam modernisierenden Union eine andere Option. Die Grünen müssten Neuwahlen nicht fürchten – SPD und FDP schon. Das gibt der Ökopartei Macht.

In der Summe reibt man sich die Augen, wie aus einem verheißungsvollen Projekt binnen weniger Wochen eine stinknormale Koalition geworden ist. Bleibt es so, werden sich die tatsächlich großen Probleme der nächsten Zeit kaum lösen lassen. Verschärft sich der Ton weiter, ist ein vorzeitiges Ende nicht ausgeschlossen.

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