Koalitionsverhandlungen zum Klimaschutz – Grüne beklagen Unruhe in eigenen Reihen
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Berichten zufolge soll es bei den Koalitionsverhandlungen der Ampel zum Klimaschutz Unruhe in den Reihen der Grünen geben (Symbolfoto).
© Quelle: Karl-Josef Hildenbrand/dpa
Berlin. In den Verhandlungen für eine Ampelkoalition mit SPD und FDP geraten die Grünen nach Angaben aus allen drei Parteien bei den Regelungen zum Klimaschutz in die Klemme. Es gebe Unruhe in den eigenen Reihen, die auch die Parteispitze auf den Plan gerufen habe, sollen Grünen-Vertreter am Mittwoch gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters eingeräumt haben. Grund seien Passagen aus dem gemeinsam beschlossenen Sondierungspapier. Diese erschwerten ambitionierten Klimaschutz besonders im Verkehrssektor.
Vertreter von SPD und FDP erläuterten, dass Grünen-Verhandler die Formulierungen relativieren und modifizieren wollten. Dies habe dazu geführt, dass auf der anderen Seite ebenfalls damit gedroht worden sei, auch an anderen Passagen Änderungen vorzunehmen. Im Zentrum der Debatte stehen die Sätze zum bestehenden Klimaschutzgesetz. Diese werden als Abschwächung bestehender Regelungen interpretiert.
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© Quelle: RND
Die 22 Arbeitsgruppen der Verhandler legen an diesem Mittwoch eine Pause ein und stellen den Parteiführungen Zwischenergebnisse vor. Acht Umwelt- und Klimaschutzgruppen appellierten vor diesem Hintergrund und angesichts der Weltklimakonferenz nun gemeinsam an die Verhandler, eine Verwässerung nicht zuzulassen: „Die neue Bundesregierung muss das Klimaschutzgesetz mit seinen jahresscharfen Sektorzielen stärken und dem Klimaexpert:innenrat mehr Kompetenzen verleihen. Eine Aufweichung des Gesetzes wäre ein katastrophaler Fehlstart.“ Die Umweltgruppen wie BUND, Naturschutzbund oder Greenpeace gelten als wichtige Unterstützer der Grünen in einer Regierung.
Im Sondierungspapier ist die Rede davon, dass das Gesetz „weiterentwickelt“ werde. „Die Einhaltung der Klimaziele werden wir anhand einer sektorübergreifenden und analog zum Pariser Klimaabkommen mehrjährigen Gesamtrechnung überprüfen“, heißt es darin. Nach aktuellem Klimaschutzgesetz müssen die Ziele aber jahresscharf und für jeden Sektor gesondert überprüft werden.
Sondierungspapier gilt bei Grünen als schlecht verhandelt
Bei Verfehlen sind sofortige Nachbesserungen der zuständigen Ministerien vorgeschrieben, die der von den Umweltgruppen genannte Expertenrat genehmigen muss. Dies hatte das Umweltministerium die „scharfen Zähne“ des Gesetzes genannt. Das Sondierungspapier macht aber klar, dass die Überprüfung über verschiedene Jahre und verschiedene Sektoren hinweg laufen soll, was den jeweiligen Ministern entgegenkommen würde. Zumal als sicher gilt, dass mehrere Sektoren zumindest in den nächsten zwei Jahre ihre Vorgaben reißen. Dies gilt vor allem für den Verkehrsbereich, der seine Emissionen bis 2030 fast halbieren muss.
Gerade hier gilt das Sondierungspapier auch bei Grünen-Vertretern als schlecht verhandelt. Neben dem Verzicht auf ein Tempolimit für Autobahnen werden vor allem die Formulierungen zu CO₂-Einsparungen bei Pkw kritisiert. Ausdrücklich wird in dem Papier auf das Klimaprogramm der EU-Kommission „Fit for 55″ verwiesen, das man unterstütze. Diese sieht ein faktisches Aus für neue Benziner oder Diesel spätestens im Jahr 2035 vor, was auch bei Grünen als akzeptabel gilt.
Allerdings: Das EU-Programm sieht keine Verschärfung der Flottengrenzwerte für Neuwagen beim CO₂-Ausstoß bis 2030 vor. Hier ist noch ein Minus von 55 Prozent gegenüber 2021 verankert, was aber unter Klimaschützern als bei Weitem nicht ausreichend gilt. Um den Absatz von Diesel- und Benzinautos, die teils über 15 Jahre fahren, einzuschränken, müssten es 75 bis 80 Prozent sein. Dies haben nicht nur Umweltgruppen errechnet, die Einschätzung ist auch in internen Analysen der aktuellen Bundesregierung zu finden, die Reuters vorliegen.
Grünen-Chefin Annalena Baerbock hatte zuletzt wiederholt darauf verwiesen, dass der Klimaschutz ein Projekt der gesamten Bundesregierung sein müsse. Bei Grünen-Verhandlern wird aber betont, Erfolg oder Misserfolg hier werde am Ende bei den Grünen festgemacht.
RND/Reuters