Der Weg zur Ampel-Regierung: So laufen die Koalitionsverhandlungen für SPD, Grüne und FDP ab

SPD, Grüne und FDP haben ihre Sondierungsgespräche auf zwölf Seiten zusammengefasst. Doch vieles bleibt unkonkret.

Berlin. Die FDP gab am Montag mit ihrer Zustimmung gewissermaßen den Startschuss für die Ampel-Verhandlungen: Mit dem einstimmigen Beschluss von FDP-Bundesvorstand und neuer Bundestagsfraktion, mit SPD und Grünen Koalitionsgespräche aufzunehmen, können diese nun offiziell starten. „Deutschland braucht eine stabile Regierung. Deutschland darf nicht führungslos sein. Deutschland braucht eine umfassende Modernisierung für Gesellschaft, Wirtschaft und Staat“, sagte Parteichef Christian Lindner.

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Doch vorerst müsste am Ende der Verhandlungen auch eine Regierung stehen. Und das ist keineswegs gewiss. Lindner machte am Montag keinen Hehl daraus, dass selbst bei Zustandekommen einer Ampelregierung keine Partner zusammenkämen, die sich „gesucht“ haben. „Es wäre erst mal ein Zweckbündnis. Ob daraus mehr werden kann, liegt an allen Beteiligten“, so Lindner. Wie aber laufen die Koalitionsverhandlungen nun ab und bis wann könnte es eine Regierung geben? Die Antworten auf die wichtigsten Fragen im Überblick:

„Es gibt unterschiedliche Spielfelder“: Was Sie zum Start der Koalitionsverhandlungen wissen sollten

Am Donnerstag beginnen die Koalitionsverhandlungen von SPD, Grünen und FDP. Die zentralen Fragen dazu beantwortet RND-Hauptstadtkorrespondent Tobias Peter.

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Was ist der Unterschied zwischen Sondierungs- und Koalitionsgesprächen?

Zuletzt hatten SPD, Grüne und FDP sondiert. Dabei ging es vor allem darum, auszuloten, ob man grundsätzlich eine Basis findet für Verhandlungen über die größten und wichtigsten Themen. Es ist eine Art Vorfühlen. Sondierungsgespräche finden im kleinen Kreis statt. Üblicherweise schicken die Parteien jeweils ihre Spitze und allenfalls einige wichtige Fachpolitiker.

Können sich die Parteien in einem oberflächlichen Rahmen auf gemeinsame Eckpunkte einigen, geht es in die Koalitionsverhandlungen. Daran sind in der Regel Hunderte Menschen beteiligt, auch wenn ein Kernteam aus Verhandlern bleibt. Sie sollen tief in die Details vordringen und im Idealfall am Ende einen Koalitionsvertrag aushandeln. Ein Programm also, das die Regierung in dieser Legislaturperiode abarbeiten will.

Wie laufen die Koalitionsverhandlungen genau ab?

Rechtliche Regeln, wie Koalitionsgespräche vonstatten gehen sollen, gibt es nicht. Aufgrund der Erfahrung von vorherigen Regierungen haben sich lediglich politische Gewohnheiten etabliert. So werden etwa Arbeitsgruppen gebildet, die verschiedene Themenbereiche abdecken. Die sind üblicherweise an die einzelnen Ressorts angelehnt. Dazu gibt es eine Steuerungsgruppe, die den Prozess koordinieren und einen Zeitplan vorgeben soll. „Sonst könnte es schnell chaotisch werden“, sagte der frühere SPD-Bundesgeschäftsführer Kajo Wasserhövel 2013 dem „Fluter“. Er war 2005 an den Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD beteiligt. In diesem Jahr betonten alle Beteiligten zudem, bei den Gesprächen besonderen Wert auf Vertrauen und Diskretion legen zu wollen.

Wie ist der weitere Fahrplan?

Wie die Deutsche Presse-Agentur erfuhr und zuvor am Dienstag die Funke Mediengruppe berichtete, sind insgesamt 22 Arbeitsgruppen geplant. In diesen sollen Fachpolitiker die Details des Koalitionsvertrags zu unterschiedlichen Sachthemen und Politikfeldern aushandeln. SPD-Vize Kevin Kühnert etwa soll führend das Thema Bauen und Wohnen verhandeln. Das geht aus einem SPD-internen Papier mit der Überschrift „AG Struktur“ her. In diesem werden unter anderem auch der SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch für das Thema Klima, Energie, Transformation und Justizministerin Christine Lambrecht für Innere Sicherheit als Verhandlungsführende aufgeführt.

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Inhaltlich gibt es zwischen den potenziellen Partnern noch einige Differenzen. SPD-Chef Norbert Walter-Borjans räumte ein, dass die Vorhaben und Pläne noch nicht durchfinanziert seien. „Die Finanzen müssen hinterlegt werden, ganz klar“, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Bei Investitionen in die Zukunft sei auch eine teilweise Finanzierung mit Krediten gerechtfertigt, „die Schuldenbremse enthält dafür durchaus Spielräume“. Dazu kämen die Möglichkeiten staatlicher Institutionen wie der Förderbanken.

Wann geht es um die Verteilung der Ämter?

Die Arbeitsgruppen können bereits einen ersten Hinweis darauf geben, welche Parteien die einzelnen Ministerien übernehmen werden. Müssen sie aber nicht. Erst zum Schluss der Verhandlungen soll es darum gehen, wer welchen Posten bekommt. Dass das eher nicht gelingt, zeigte das öffentliche Postengeschacher am Wochenende. Seit Monaten ist es ein offenes Geheimnis, dass sowohl FDP-Chef Christian Lindner als auch der Grünen-Co-Vorsitzende Robert Habeck es auf das Amt des Finanzministers abgesehen haben. Nun schlugen Mitglieder der FDP und Grünen ihren jeweiligen Parteichef für den Posten vor.

Mehrere Spitzenpolitiker der Ampel-Parteien versuchten daraufhin, die Personaldebatte auszubremsen. SPD-Chef Norbert Walter-Borjans drang darauf, zuerst über Inhalte zu sprechen. „Wir reden jetzt nicht darüber, was an einzelnen Ministerien wie zugeschnitten wird“, sagte er RTL und ntv. „Ich erwarte, dass wir das machen, was wir auch verabredet haben: Nämlich, dass wir zuerst über die Inhalte reden.“

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Auch Lindners Parteifreund, FDP-Generalsekretär Volker Wissing, bezeichnete Personaldiskussionen als verfrüht. „Natürlich müssen am Ende, wenn man Koalitionsverhandlungen abgeschlossen hat, auch Ressortfragen geklärt werden“, sagte er. „Aber die jetzt zu thematisieren, halte ich nicht nur für verfrüht, sondern auch für wenig hilfreich, weil es von den Inhaltsfragen ablenkt.“ Personaldebatten überlagerten „ganz schnell auch die politischen Gespräche“. Das helfe jetzt niemandem.

Grünen-Chef Robert Habeck sagte der ARD, es gehöre „zur Fairness, zum guten Ton und auch zur politischen Klugheit“, jetzt keine Personaldebatten aufzumachen. Und auch Lindner riet am Montag allen Beteiligten, solche Dinge wieder im professionellen Rahmen miteinander zu besprechen.

Bis wann könnte eine Regierung stehen?

SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz hat das Ziel ausgegeben, bis Weihnachten eine Regierung zu bilden. Alle Beteiligten haben immer wieder betont, dass Deutschland angesichts zahlreicher Herausforderungen schnell eine neue Regierung braucht. Ob sich die Verhandler jedoch bis zum Jahresende einig werden, bleibt freilich abzuwarten. In der vergangenen Legislaturperiode hatte Deutschland erst rund ein halbes Jahr nach der Bundestagswahl eine neue Regierung. Zunächst hatten Union, Grüne und FDP über eine Jamaika-Koalition verhandelt – am Ende jedoch vergeblich. So kam es bekanntermaßen zu einer Neuauflage der GroKo.

Wie lange darf eine Koalitionsbildung dauern?

Da die Verfassung keinen Zeitrahmen vorschreibt, können Monate bis zur Regierungsbildung vergehen. Wie bereits erwähnt, dauerten die Verhandlungen vor vier Jahren fast ein halbes Jahr. Genauer: 172 Tage. Damit waren sie doppelt so lang wie 2013, als die Regierungsbildung 86 Tage dauerte. Am zügigsten ging es bislang nach den Wahlen 1998 und 2002. SPD und Grüne bildeten in diesen Jahren bereits nach 30 Tagen die neue Regierung.

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Was, wenn die Koalitionsverhandlungen scheitern?

Sollten die Koalitionsverhandlungen zwischen SPD, Grünen und FDP platzen, gibt es weitere mögliche Konstellationen. Als wahrscheinlichstes Alternativszenario gelten dann Gespräche zwischen Union, Grünen und FDP. Die Unionsspitze hatte jedenfalls mehrmals betont, für Jamaika-Verhandlungen zur Verfügung zu stehen, sollten die Ampelgespräche ins Leere laufen. Auch eine GroKo wäre theoretisch erneut möglich. Angesichts der geringen Popularität dieser Option dürfte diese aber wohl weder für die SPD noch für die Union infrage kommen. Zumal die Union als zweitplatzierte Partei bei der Bundestagswahl sich in diesem Fall mit der Rolle als Juniorpartner zufriedengeben müsste.

RND/cz/jst/dpa

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