Vor einem Ampelbündnis liegen dicke Brocken
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FDP, SPD und Grüne sprechen von „intensiven“ Verhandlungen.
© Quelle: imago images/Stefan Zeitz
Berlin. Der Zauber des Neubeginns zwischen Grünen und Liberalen ist vorbei. Die veröffentlichten Bilder der beiden Parteivorsitzenden der Grünen mit dem FDP-Chef und seinem Generalsekretär sind offensichtlich harmonischer als die Sondierungsgespräche hinter verschlossenen Türen. „Intensiv“ seien diese gewesen, sagten hinterher die Beteiligten. In der Diplomatensprache steht „intensiv“ für „sehr kontrovers“.
So viel ist aus den dünnen Worten der Generalsekretäre nach anderthalb Tagen Sondierung deutlich geworden: SPD, Grüne und Liberale haben schon über die dicken Brocken gesprochen, denn sie wollten unbedingt die Fehler der gescheiterten Sondierungen von 2017 vermeiden. Damals war man mit der Union schon in die Mikrodebatte eingestiegen, bevor überhaupt offiziell Koalitionsverhandlungen aufgenommen worden waren.
Die dicken Brocken sind beispielsweise die Finanzierung der Klimapolitik und der Verkehrswende, die Sicherung des Sozialstaats in einer alternden Gesellschaft sowie die Modernisierung von Bildung und Arbeitswelt im digitalen Zeitalter.
SPD, Grüne und FDP setzen Sondierungen fort
Die Parteichefs der Grünen, Baerbock und Habeck, treffen sich mit FDP-Chef Lindner und FDP-Generalsekretär Wissing zum nächsten Gespräch in Berlin.
© Quelle: Reuters
Nicht zuletzt geht es um den Umgang mit den Staatsschulden. Die drei Parteien stehen vor durch Hilfen in der Corona-Pandemie und in der Flut geleerten Staatskassen, vor dem Aufgalopp einer hohen Inflation und vor internationalen Anforderungen an eine verantwortungsvolle Rolle Deutschlands in der Welt, die vor allem auch mit materiellen Hilfen verbunden ist.
Vor den drei Parteien liegt viel Arbeit
SPD, Grüne und Liberale sind in den Mühen der Ebene angekommen. Auch wenn es zum politischen Geschäft gehört, im Wahlkampf durch harte gegenseitige Attacken maximale Distanz zu schaffen und nach dem Wahlsonntag im Streben nach einer Koalition vertraulich Gemeinsamkeiten zu suchen – so bleibt doch vor allem zwischen SPD und Grünen einerseits und den Liberalen andererseits eine große Kluft.
Wer wissen möchte, wie breit und wie tief der Graben ist, dem sei ein Blick in die Wahlprogramme empfohlen. Ein sozial-ökologisch-liberales Bündnis ist nur dann möglich, wenn alle drei Parteien einen weiten Weg zurücklegen.
Der gute Wille ist da, wie daran abzulesen ist, dass sich die Sondierer gegenseitig wie die rohen Eier behandeln. Bloß nichts zerschlagen. Auch der Umstand, dass sie dichthalten, spricht dafür, wie ernst es alle Seiten meinen mit dem Aufbau von Vertrauen und menschlich anständigem Umgang. Das ist viel wert.
Eine Schwalbe macht allerdings noch keinen Sommer, und eine gute Atmosphäre macht noch keinen Koalitionsvertrag. Alle drei Parteien werden über ihren eigenen Schatten springen müssen, um in einer Regierung zusammenzufinden.
Ampelkoalition verhandelt – Klimaschützer fordern Tempo
Jetzt soll es in die Details gehen: In kleineren Gruppen wollen die Vertreter von SPD, Grünen und FDP einen Kurs für eine gemeinsame Bundesregierung ausloten.
© Quelle: dpa
Der Versuch ist die Mühe wert. Ein Ampelbündnis, in dem es tatsächlich gelingt, die großen Baustellen der Nation Klima, Bildung, Digitalisierung, Verkehr und internationales Engagement in einem vernünftigen Mix aus Investitionen und finanzieller Nachhaltigkeit zu bearbeiten, könnte Deutschland in eine gute Zukunft führen.
Der Druck auf die Ampelsondierer ist größer geworden. Die Möglichkeit, ein sogenanntes Jamaika-Bündnis unter Führung der CDU mit FPD und Grünen zu schmieden, ist angesichts der desolaten Lage der CDU zerbröselt. Es wäre noch nicht einmal ausgemacht, wer eine solche Koalition als Kanzler anführen sollte. Kanzlerkandidat Armin Laschet? CSU-Chef Markus Söder? Oder vielleicht der neue Parteichef, von dem noch nicht einmal klar ist, wie er eigentlich bestimmt werden soll.
Sollten die Ampel-Gespräche also scheitern, droht die Fortsetzung der sogenannten großen Koalition – dieses Mal unter Führung der SPD. Eine solche Regierung würde sich von Anfang an selbst auf die Nerven gehen und mutmaßlich vor allem Stillstand produzieren.