Geht das zusammen? Das sind die Architekten einer möglichen Ampelkoalition
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Wahlplakate von FDP, SPD und Grünen stehen in Roßlau, Sachsen-Anhalt.
© Quelle: imago images/Jan Huebner
Berlin. Katrin Göring-Eckardt hat am Dienstag ein gelbes Jackett angezogen; es passte zu ihren gelben Schuhen. Die Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion präsentierte sich in diesem Outfit, als sie mittags vor die Journalisten trat – und auch abends bei ihrem Interview in den „Tagesthemen“ der ARD.
Zufall war das sicher nicht. Es war ein freundliches Signal an die FDP – und optischer Auftakt zu jenen Gesprächen über eine mögliche Zusammenarbeit in der Regierung, die am Dienstag mit einem ersten Sondierungstreffen der Spitzen von Liberalen und Grünen begannen: von FDP-Chef Christian Lindner und seinem Generalsekretär Volker Wissing auf der einen Seite und den Grünen-Vorsitzenden Annalena Baerbock und Robert Habeck auf der anderen Seite. Auch die vier sendeten ein optisches Signal – in Gestalt eines bei Instagram vierfach veröffentlichten Selfies. Angesichts des Wahlergebnisses der SPD könnte es auf eine Ampelkoalition mit FDP und Grünen hinauslaufen.
Koalitionen hängen von Personen ab
Koalitionen hängen nicht zuletzt von Personen ab. Die Frage ist: Entsteht Vertrauen und entstehen damit belastbare Arbeitsbeziehungen? Göring-Eckardt arbeitet offenbar daran; und nicht nur sie allein.
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Aufseiten der Grünen ist es zuallererst Habeck, der jetzt im Fokus steht. Er selbst gab zwar verschiedentlich Signale, die auf Offenheit auch für eine Jamaika-Koalition schließen lassen – anders als größere Teile von Partei und Fraktion. Immerhin war Habeck am Zustandekommen der Jamaika-Koalition in Schleswig-Holstein federführend beteiligt.
In erster Linie sind es aber seine guten Kontakte zur FDP, die ins Auge springen. Dies gilt vor allem für den stellvertretenden Parteivorsitzenden Wolfgang Kubicki, der wie Habeck von der Küste kommt. Habeck sagte am Montag, in jedem Fall müsse „etwas Neues entstehen. Das ist kompliziert, aber gleichzeitig extrem reizvoll.“ Kubicki sagte wiederum am Mittwoch: „Wenn Robert Habeck die grüne Verhandlungsdelegation führt, bin ich mir nahezu sicher, dass es zu vernünftigen Ergebnissen kommen kann.“ Er finde bisweilen Lösungen, wo andere sie nicht sähen.
Zuneigung wird erwidert
Ohnehin scheint die Zuneigung erwidert zu werden. Als Lindner am Montag kundtat, dass es zunächst Vorsondierungen mit den Grünen geben werde, da nannte er immer wieder Habecks Namen – Baerbocks hingegen nicht. Sie steht bei der FDP seit den gescheiterten Jamaika-Sondierungen 2017 weniger hoch im Kurs.
Neben Habeck sind andere grüne Namen zu nennen, die für eine Annäherung an die FDP und damit für eine Ampel stehen. Göring-Eckardt zählt ebenso dazu wie der liberale Ex-Parteichef Cem Özdemir. Sie ist seit 1998 Mitglied des Bundestages und wurde relativ rasch Fraktionsvorsitzende. Die Thüringerin war eine Stütze der rot-grünen Koalition. Sie hat 2014 in Erfurt Rot-Rot-Grün einfädeln geholfen und 2017 im Bund Jamaika sondiert. Kurzum: Die 55-Jährige ist hochgradig flexibel, und sie ist Profi. Vertrauensvolle Kontakte unterhalten ferner Fraktionsgeschäftsführerin Britta Haßelmann und ihr FDP-Kollege Marco Buschmann.
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Schließlich ist da noch, wenngleich nicht in zentraler Position, der bisher stellvertretende Fraktionsvorsitzende Konstantin von Notz. Der Innenpolitiker hat nach dem Jamaika-Scheitern 2017 einen grün-gelben Gesprächskreis mit seinem FDP-Pendant Stephan Thomae gegründet. Es ging ausdrücklich darum, Vorbehalte ab- und Vertrauen aufzubauen. Auch Thomae ist Innenpolitiker; auf diesem Feld sind sich Grüne und FDP ohnehin am nächsten.
Lindner ist unumstrittene Nummer eins
Bei der FDP ist Lindner die unumstrittene Nummer eins und Verhandlungsführer. Zwar hat der Partei- und Fraktionsvorsitzende im Bundestagswahlkampf zunächst stets gesagt, dass der Auftrag zur Regierungsbildung gewiss an die Union gehen werde und später, als die Union in den Umfragen absackte, an die Adresse der SPD erklärt, auch die stärkste Partei müsse erst mal eine Mehrheit im Bundestag zustande bringen. In seinen Wahlkampfreden hat sich der 42-Jährige zudem gelegentlich Scherze über Habeck erlaubt; beide konkurrieren um das Finanzministerium.
Inklusive Selfie bei Instagram: Grüne und FDP haben vorsondiert
Sie sind zwei Zünglein an der Waage: Auf Grüne und FDP kommt es nach der Bundestagswahl an.
© Quelle: AFP
Freilich hat derselbe Lindner seinen Ton in der letzten Phase des Wahlkampfes erkennbar gemäßigt; er stellt sich augenscheinlich längst auf den Rollenwechsel vom Oppositionspolitiker zum Regierungsmitglied ein. So hat der FDP-Chef am Montag mehrfach Nachfragen zu den Vorsondierungen mit den Grünen abgeblockt – mit dem Hinweis, dass Vertrauen wachsen müsse.
Einen Treueschwur zu seinem politischen Freund, dem Unionskanzlerkandidaten Armin Laschet, mochte Lindner jedenfalls nicht mehr abgeben. Stattdessen sagte er, dass aus der Kooperation mit den Grünen „ein fortschrittliches Zentrum einer neuen Koalition werden könnte“. Das ist der Beleg für eine mögliche Akzentverschiebung. Nicht mehr das Verhältnis zur Union oder zur SPD wäre demnach maßgeblich – sondern das Verhältnis zu den Grünen.
Kubicki distanziert sich von Jamaika
Aufschlussreich ist, dass sich der bereits erwähnte Wolfgang Kubicki – politischer Freund von Habeck und Lindner – zuletzt von der Jamaika-Option distanzierte und dafür Zerfallserscheinungen in der Union verantwortlich machte. „Momentan ist es so, dass wir mit großen Kinderaugen uns anschauen, was bei der Union gerade passiert“, sagt er bei RTL/N-TV. „Sie zerbröselt von Stunde zu Stunde. Und wenn Sie keinen vernünftigen Ansprechpartner mehr haben, keinen starken Mann oder keine starke Frau, mit wem wollen sie denn verhandeln und worüber?“
Im Ampelreigen nicht vergessen darf man FDP-Generalsekretär Wissing. Er hat vor seiner Rückkehr nach Berlin die Ampelkoalition in Rheinland-Pfalz aus der Taufe gehoben und als stellvertretender Ministerpräsident jahrelang mit verantwortet. Das spricht für sich.
Scholz sieht sich als Architekt der Ampelkoalition
Ähnlich ist die Lage bei der SPD. „Wer bei mir Führung bestellt, muss wissen, dass er sie dann auch bekommt.“ Dieses Zitat von Olaf Scholz stammt aus dem Jahr 2009, als er den Vorsitz der Hamburger SPD übernahm. Der Satz, den der Politiker häufig wiederholt hat, beschreibt das Selbstbild des Hanseaten bis heute gut. Der wichtige Architekt der Ampelkoalition ist in den Augen von Olaf Scholz: er selbst.
Scholz gilt als harter Verhandler. Das hat er als Bundesfinanzminister bewiesen, aber auch schon bei den Verhandlungen zur großen Koalition im Jahr 2013. Diesmal muss Scholz darum werben, dass Grüne und FDP mitmachen. Der Kanzlerkandidat hat also eine Charmeoffensive gestartet, indem er von einer „Fortschrittserzählung“ spricht und gleichzeitig an die Vergangenheit erinnert. Scholz würdigt sowohl die Leistungen der rot-grünen Koalition von 1998 bis 2005 als auch die der sozialliberalen Koalition von 1969 bis 1982.
Um schwierige Verhandlungsergebnisse, gerade auch bei notwendigen Zugeständnissen an die Wirtschaftsliberalen in der FDP, in die eigene Partei hinein vermitteln zu können, braucht Scholz Hilfe. Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans sind nicht nur qua Amt ein wichtiger Teil des SPD-Sondierungsteams, sondern ebenso, weil Scholz sie braucht, um die eigene Basis zu überzeugen. Esken und Walter-Borjans haben Scholz im Kampf um den SPD-Vorsitz geschlagen. Aber dann hat sich eine belastbare Zusammenarbeit entwickelt. Ihr Mitwirken an wichtiger Stelle in den Sondierungen soll zugleich die FDP überzeugen, dass Scholz nicht allein für sich spricht, sondern die SPD hinter sich hat.
Scholz verlässt sich auf Mützenich
Was für die Partei gilt, muss natürlich auch für die Fraktion gelten: Scholz verlässt sich hier auf Rolf Mützenich als loyalen Partner. Mit seiner konzilianten, aber verbindlichen Art kann er nach innen integrieren und ein guter Gesprächspartner für Grüne und FDP sein – in Verhandlungen und, wenn es dazu kommt, später im Regierungsalltag.
SPD-Bundestagsabgeordneter Mützenich: Amt als Fraktionschef bestätigt
Am Dienstagabend hatte Mützenich bei einer SPD-Veranstaltung deutlich gemacht, dass die Fraktion geschlossen hinter Kanzlerkandidat Olaf Scholz steht.
© Quelle: Reuters
Zwei Personen in der SPD sind schließlich wie gemacht für Ampelverhandlungen. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil ist nicht bloß gesetzt, weil er als erfolgreicher Wahlkampfmanager einen Anspruch darauf hat. Wer als Generalsekretär mit so unterschiedlichen Parteivorsitzenden wie Martin Schulz, Andrea Nahles, Esken und Walter-Borjans zusammengearbeitet hat, hat bewiesen, dass er Intelligenz und Geschmeidigkeit für die Mission besitzt.
Dreyer bringt praktische Erfahrungen ein
Die andere Idealbesetzung ist die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer. Sie regiert mit einer Ampelkoalition in Rheinland-Pfalz und kann praktische Erfahrungen mit einem solchen Bündnis ebenso in die Verhandlungen einbringen wie gute Kontakte zu Volker Wissing. Vor allem gibt es keine Person in der SPD, die an der Basis so beliebt wäre wie Dreyer. Gerade deshalb kann sie bei Abgeordneten und Mitgliedern erfolgreich für Pragmatismus und Kompromissbereitschaft werben.
Eines ist ebenfalls klar: Wer es mit Olaf Scholz zu tun hat, muss wissen, dass er es mit Wolfgang Schmidt zu tun bekommt. Der kommunikative Staatssekretär aus dem Finanzministerium begleitet Scholz seit Jahren. Er hatte auch in Zeiten schlechter Umfrageergebnisse immer wieder darüber gesprochen, dass die Deutschen Olaf Scholz zu ihrem Kanzler machen würden. Scholz dürfte Schmidt zum Chef des Kanzleramts befördern. Er säße damit an einer zentralen Schaltstelle der Ampel.
Das Gespräch der FDP mit den Grünen soll am Freitag in größerer Runde fortgesetzt werden. Am Samstag sprechen die Liberalen mit der Union, am Sonntag mit der SPD. Überhaupt ist keineswegs sicher, dass es zu einer Ampel kommt. Es ist allerdings seit Sonntag immer wahrscheinlicher geworden. Katrin Göring-Eckardt dürfte ihr gelbes Jackett jedenfalls noch öfter anlegen. Vielleicht kauft sie sich auch noch ein zweites.
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RND