Industrieverband BDI fordert allgemeine Corona-Impfpflicht
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Gastronomen und andere Betriebe können sich auf weitreichende Lockerungen der Corona-Maßnahmen freuen. Das kritisiert der Industrieverband BDI: Die Lockerungen kämen demnach zu früh.
© Quelle: Uwe Anspach/dpa
Berlin. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) hat die Corona-Politik der Bundesregierung scharf kritisiert und die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht gefordert. „An einer allgemeinen Impfpflicht als Ultima Ratio führt kein Weg mehr vorbei. Sie ist die wirkungsvollste Vorsorgemaßnahme für weitere Wellen ab Herbst“, sagte BDI-Präsident Siegfried Russwurm dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).
Er habe die Sorge, dass sich Bund und Länder mit Klein-klein-Diskussionen über Zuständigkeiten aufrieben, anstatt für Fortschritte bei der Impfquote zu sorgen, so Russwurm weiter. „Um ohne größere Schutzmaßnahmen durch womöglich weitere Corona-Wellen und aggressivere Varianten zu kommen, muss die Politik unverzüglich die unbequeme Debatte über eine allgemeine Impfpflicht zum Abschluss bringen“, forderte der Industriepräsident. „Ohne Impfen ist unsere Freiheit auf Sand gebaut.“
BDI: Lockerungen kommen zu früh
An der aktuellen Corona-Politik der Bundesregierung sowie an der geplanten Änderung des Infektionsschutzgesetzes übte Russwurm scharfe Kritik. „Der Entwurf für neue Corona-Maßnahmen ab dem 20. März lässt die notwendige Konsequenz vermissen“, sagte er. „Die Omikron-Welle ist noch nicht gebrochen. Eine großzügige Lockerung der Corona-Maßnahmen ist angesichts neuer Rekordwerte bei den Infektionszahlen schwer zu verantworten“, fügte er hinzu.
Die Unsicherheit für Unternehmen und Beschäftigte werde durch das Regierungshandeln verlängert, beklagte der Verbandsvertreter. „Statt einer pauschalen Rücknahme wirksamer Instrumente für schnelles Handeln hätten die Unternehmen konkrete Maßnahmen für mehr Stabilität und Sicherheit erwartet“, betonte er. „Die Industrie erwartet vom Gesetzgeber ein vorausschauendes und durchhaltbares Corona-Management, das die absehbaren Szenarien für die weitere Entwicklung der Pandemie berücksichtigt.“
Ab Mittwoch droht ungeimpften Pflegenden ein Tätigkeitsverbot
An diesem Mittwoch wird die bereits beschlossene, einrichtungsbezogene Impfpflicht in der Pflegebranche scharf gestellt. Beschäftigte, die ihrem Arbeitgeber keine Bescheinigung über einen vollständigen Impfschutz oder einen Genesenennachweis vorlegen können, müssen von den Einrichtungen dem Gesundheitsamt gemeldet werden. Ihnen droht schlimmstenfalls ein Tätigkeits- oder Betretungsverbot.
Es wird Pflegeheime geben, die dann ihre Bewohnerinnen und Bewohner nicht mehr versorgen können.
Bernd Meurer,
Präsident des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste (BPA)
Der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (BPA) fürchtet, dass dadurch der ohnehin schon bestehende Personalmangel in der Branche noch einmal verschärft werden könnte. „Wir sind sehr besorgt, weil Versorgungsengpässe drohen, wenn flächendeckend Betretungsverbote für ungeimpftes Personal ausgesprochen werden“, sagt Verbandspräsident Bernd Meurer dem RND. „Es wird Pflegeheime geben, die dann ihre Bewohnerinnen und Bewohner nicht mehr versorgen können.“ Schließlich gebe es schon jetzt einen riesigen Fachkräftemangel, erläutert Meurer.
Laut einer Studie der Alice Salomon Hochschule Berlin wird die Impfpflicht Auswirkungen auf die Versorgung der Patientinnen und Patienten haben. Die Autoren prognostizieren, dass in der ambulanten Pflege rund 200.000 Menschen, in Krankenhäusern rund 2.5 Millionen und in der stationären Langzeitpflege rund 50.000 Menschen pflegerisch nicht versorgt werden könnten.
Corona-Pandemie: Impfen im Gesundheitswesen – am liebsten freiwillig
Die Impfpflicht für Gesundheitspersonal wird weiterhin kontrovers diskutiert. Ab dem 16. März tritt sie nun in Kraft.
© Quelle: Reuters
Offene Fragen beim Arbeitsrecht
Auch juristische Fragen stellen die Branche vor Herausforderungen. Der BPA kritisiert, dass vieles noch unklar sei. „Ich muss als Arbeitgeber zum Beispiel verbindlich wissen, was die arbeitsrechtlichen Folgen sind: Darf man kündigen? Und welche Haftungsansprüche gibt es, bis das Gesundheitsamt entschieden hat?“, so Meurer.
Er hält es für plausibel, dass ein Heim juristisch belangt werden könnte, weil es ungeimpfte Personen nach dem 16. März weiter beschäftigt, um die Versorgung zu gewährleisten. „Was, wenn es dann zu einem Ausbruch kommt und ein Angehöriger den Betreiber deshalb verklagt?“, fragt Meurer. „Der Gesetzgeber muss doch gewährleisten, dass die von ihm angeordneten Maßnahmen auch umsetzbar sind. Und das ist bei der einrichtungsbezogenen Impfpflicht derzeit nicht der Fall.“