Faktencheck: Hat Scholz die Stimmung der Bevölkerung bei der Impfpflicht gedreht?
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Olaf Scholz will in der Debatte um die Impfpflicht Führungsstärke beweisen.
© Quelle: imago images/Metodi Popow
Berlin. Bundeskanzler Olaf Scholz wird vorgeworfen, er zeige zu wenig Führungsstärke in Sachen Impfpflicht. Er kontert das mit dem Hinweis auf seine klare Positionierung im vergangenen Herbst: „Ich habe bereits im November klar gesagt, dass ich eine Impfpflicht befürworte“, sagte der SPD-Politiker der „Süddeutschen Zeitung“ vom Wochenende in einem Interview. „Damit habe ich der Debatte eine klare Richtung gegeben.“ Er verweist in dem Interview auf die große Zustimmung in der Bevölkerung, die es heute für eine Pflicht zur Impfung gegen das Coronavirus gibt. Doch das war auch schon so, bevor er sich in die Debatte einschaltete.
„Damals war die Diskussion längst noch nicht so weit und die Umfragen anders“, sagt der Kanzler mit Blick auf die Unterstützung einer Impfpflicht in der Bevölkerung.
Stimmt das denn?
Richtig ist, dass die Impfpflicht-Debatte Ende November noch in einem frühen Stadium war. Doch die Mehrheit der Menschen stand da schon längst hinter der möglichen Maßnahme. Seitdem geht die Zustimmung eher leicht zurück.
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Im Wahlkampf im September war Olaf Scholz noch gegen eine Impfpflicht.
© Quelle: Rolf Vennenbernd/dpa
Im Bundestagswahlkampf lehnte Scholz eine Corona-Impfpflicht noch generell ab. „Wir müssen dafür werben, dass sich mehr Menschen impfen lassen. Nicht mit einer Pflicht, sondern lebensnah - und mit Witz“, twitterte er am 7. September. Am 30. November plädierte er dann klar für eine allgemeine Impfpflicht. Es wäre richtig, „wenn sie für alle gilt, ab Anfang Februar, Anfang März“.
In der Bevölkerung hatte sich die Stimmung mit Blick auf die Impfpflicht zu diesem Zeitpunkt längst gedreht. Damals baute sich die vierte Infektionswelle in der Bundesrepublik immer weiter auf, bis sie Anfang Dezember ihren Höhepunkt erreichte.
Mehrheit für die Impfpflicht bereits im November
Bis in den Sommer 2021 waren von den Meinungsforschern noch keine eindeutige Mehrheiten für eine Impfpflicht gemessen worden. Im November hieß es dann aber von allen wichtigen Umfrage-Instituten unisono: Die meisten Menschen in Deutschland stehen einer verpflichtenden Impfung gegen das Coronavirus für alle wohlwollend gegenüber.
Das unter anderem von der Universität Erfurt durchgeführte „Covid-19 Snapshot Monitoring“ untersucht regelmäßig die Einstellung der Bevölkerung in Deutschland zu verschiedenen Aspekten in der Pandemie. Schon Anfang November befürworteten demnach 54 Prozent aller Befragten (eher oder sehr) eine Impfpflicht für alle, Ende des Monats stieg der Wert auf 67 Prozent. Seitdem ging in der Cosmo-Studie die Zustimmung wieder etwas zurück auf jüngst 58 Prozent Mitte Januar.
Impfpflicht: Bundestag debattiert erstmals ausführlich über Einführung
Seit Wochen wird kontrovers über die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht diskutiert. Die Ansätze dafür konkretisieren sich.
© Quelle: dpa
Nur 23 Prozent lehnten Impfpflicht im November ab
In einer Erhebung des Meinungsforschungsinstituts sprachen sich Ende November 69 Prozent der Befragten dafür aus, alle Menschen in Deutschland zur Immunisierung zu verpflichten. Auf der anderen Seite lehnten 23 Prozent eine Impfpflicht generell oder eher ab. Jüngst sank auch hier die Zustimmung etwas: In einer von der Deutschen Presse-Agentur in Auftrag gegebenen YouGov-Umfrage sprachen sich Mitte Januar noch 60 Prozent für eine allgemeine Impfpflicht aus und 32 Prozent dagegen.
und: Im ARD-„Deutschlandtrend“ des Instituts infratest dimap sprach sich Anfang November eine Mehrheit von 57 Prozent für eine allgemeine Impfpflicht aus, 39 Prozent waren dagegen. Im ZDF-„Politbarometer“ der Forschungsgruppe Wahlen waren Ende November 69 Prozent der Befragten dafür, dass sich jede und jeder gegen das Coronavirus immunisieren lassen muss; 29 Prozent waren dagegen. Mitte Januar befürworteten im „Politbarometer“ dann noch 62 Prozent der Befragten eine allgemeine Impfpflicht.
und: 53 Prozent der Befragten sprachen sich in einer Forsa-Umfrage im Auftrag des RTL/ntv-„Trendbarometers“ Anfang November für eine allgemeine Impfpflicht aus, 46 Prozent dagegen. Gegen Mitte November bejahten dann in einer Civey-Erhebung für den „Spiegel“ 72 Prozent die Frage, ob in Deutschland eine ähnliche allgemeine Pflicht zur Covid-Impfung wie in Österreich eingeführt werden soll. 20 Prozent antworteten mit „Nein“. Bei beiden Instituten ging die Zustimmung zuletzt etwas zurück: Nach einem Hoch von 74 Prozent im Dezember sprachen sich bei Forsa Mitte Januar noch 70 Prozent für eine Impfpflicht aus, bei Civey waren es 64 Prozent.
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Johannes Vogel (FDP) wägt bei der Frage einer allgemeinen Impfpflicht noch ab.
© Quelle: Britta Pedersen/dpa-Zentralbild/
Vor der Debatte einer möglichen Impfpflicht im Bundestag sieht die FDP außerdem noch viel Klärungsbedarf. „Sehr viele der Kolleginnen und Kollegen auch in meiner Fraktion sind noch gar nicht entschieden und wägen ab“, sagte Johannes Vogel, Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP, am Dienstag in Berlin. Auch er selbst denke noch nach. Vogel erwartet aber, „dass die erste Orientierungsdebatte in dieser komplexen medizin-ethischen Frage für den einen oder die andere Klärung bringen wird“.
Abstimmung über verschiedene Anträge
Am Mittwoch soll der Bundestag in einer Orientierungsdebatte über das Thema diskutieren. Vorgesehen ist später eine Abstimmung über verschiedene Anträge von Abgeordnetengruppen ohne Fraktionsvorgaben: gegen eine Impfpflicht, für eine Impfpflicht für alle ab 18 und für eine Impfpflicht für alle ab 50. Scholz und Gesundheitsminister Karl Lauterbach haben bereits erkennen lassen, dass sie eine Impfpflicht für alle ab 18 unterstützen.
Die FDP-Fraktion wollte am Dienstag beraten, welche Abgeordneten aus den Reihen der FDP-Fraktion sprechen werden. Erklärtes Ziel ist es, zu den jeweiligen Anträgen auch jeweils eine Stimme zu Wort kommen zu lassen.
RND/dpa