Alice Weidel und das Phantom der AfD: Wer ist Tom Rohrböck?

Alles wird einfach und frei, wenn man die Augen schließt: AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel hatte unklaren Umgang, der ihr jetzt Sorgen bereitet.

Alles wird einfach und frei, wenn man die Augen schließt: AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel hatte unklaren Umgang, der ihr jetzt Sorgen bereitet.

Berlin. Im Februar 2018, die AfD saß seit fünf Monaten neu im Bundestag, erschien in der kleinen Onlinepublikation „Hessen-Depesche“ eine Lobeshymne auf einen der neuen Abgeordneten. Uwe Schulz von der AfD habe „die Industrielle Revolution 4.0“ als Thema erkannt und sich bereits „seine ersten Sporen im Bundestag verdient“.

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Kaum war der kleine Artikel der „Hessen-Depesche“ online , schickte ein „Tom“ dem Abgeordneten kommentarlos den Link per Kurznachricht. „Danke für den Link. Kennen wir uns?“, schrieb Schulz zurück. Einen Monat später kam der Unbekannte zur Sache: „Lieber Uwe Schulz, bin auch Vertrauter Ihrer Fraktionsspitze. Wir schätzen Sie sehr, aber wir beide sollten einmal persönlich reden. Manchmal wäre es gut, wir stimmen einander etwas ab.“ Es folgt eine Einladung nach Salzburg.

Der mysteriöse „Tom“ heißt mit vollem Namen Tom Rohrböck. Der Chatverlauf liegt dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) vor. Rohrböck ist ein blonder, braungebrannter Hüne mit Hang zur Sonnenbrille und zur Schau gestelltem Reichtum.

Geboren im hessischen Seligenstadt, residiert er heute meist bei Salzburg. Er gilt als geheimnisvoller Geschäftsmann mit unübersichtlichem Firmengeflecht – und als Handlungsreisender auf der politischen Rechten.

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Die „Hessen-Depesche“ gehört ebenso zu seinen Werkzeugen wie andere Seiten mit ähnlichen Namen. Seit vielen Jahren taucht sein Name immer wieder im Umfeld des rechten politischen Spektrums auf – am konservativen Rand der CDU, bei FDP und NPD, bei der österreichischen FPÖ und seit ihrer Gründung 2013 auch bei der AfD.

So undurchsichtig wie Rohrböcks politische Verstrickungen sind auch seine wirtschaftlichen Aktivitäten. In Rohrböcks hessischer Heimat sorgte die Beteiligung von CDU-Mitgliedern am „Depeschen-Netzwerk“ bereits 2017 für Aufsehen. Die SPD-Fraktion im hessischen Landtag forderte damals Aufklärung von der CDU.

Ein „rechtes Phantom“ nennen ihn die Autorinnen und Autoren des Rechercheverbunds aus NDR, WDR und „Zeit“, die Rohrböck seit Jahren gefolgt sind und jetzt eine Serie von Veröffentlichungen gestartet haben.

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Die AfD-Spitze ist alarmiert. „Die Berichte über Tom Rohrböck erhärten den Verdacht, dass es eine Einflussnahme von außen auf unsere Abgeordneten gab“, sagt Bundesschatzmeister Carsten Hütter dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Es ist im Sinne der Partei, wenn der Bundesvorstand hier Licht ins Dunkel bringt.“

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Was will Rohrböck? Und was kann er den Abgeordneten bieten? Rohrböck sei nichts als ein Hochstapler, wiegeln viele in der AfD ab. Hinter Rohrböck stünden mächtige Kreise, sagen die anderen. Oft fällt der Name des Milliardärs August von Finck junior.

Auffällig ist zudem, dass die „Hessen-Depesche“ jüngst einen äußerst positives Stück über Henning Conle veröffentlichte – der deutsch-schweizerische Milliardär soll hinter den Geldflüssen an AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel, Parteichef Jörg Meuthen und andere stehen. Wer hinter Rohrböck steht, bleibt genauso offen wie sein realer Einfluss.

Heranwanzen, um Netzwerke zu knüpfen

Seine Masche ist immer gleich: Durch Lob und Hilfe wanzt er sich an Unternehmer und Politiker gleichermaßen ran. Über seine „Depeschen“ kann er Firmen und Karrieren fördern und beschädigen. Er kennt Netzwerke und weiß sie zu nutzen. Dazu steigt Rohrböck sogar in Kommunalwahlkämpfe ein.

Als der AfDler Wilfried Biedermann 2014 für den Münchner Stadtrat kandidierte, wurde ihm über einen FPÖ-Kontakt Rohrböck empfohlen. Der organisierte einen Abend im Hofbräukeller mit dem Staatsrechtler Karl Albrecht Schachtschneider, einem Star der Neuen Rechten. Eine Rechnung für Reise, Logis und Honorar hätten weder er noch der AfD-Kreisverband erhalten, sagt Biedermann dem RND. Es folgten mehrere Gespräche. Biedermann ist enger Vertrauter der damaligen AfD-Chefin Frauke Petry. Rohrböck bat mehrfach um einen Termin bei ihr. Doch Petry ließ ihn abblitzen, versichert Biedermann.

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Auch das RND ist seit Längerem auf der Suche nach Rohrböcks Netzwerken. Bundestagsfraktionschefin und Spitzenkandidatin Alice Weidel spricht von etwa 40 Abgeordneten, das wäre die halbe Fraktion. Auch Weidel selbst traf ihn – und empfahl ihn intern weiter. „Tom ist echt und heißt auch wirklich so. Triff dich ruhig mit ihm“, schreibt die Fraktionschefin an Schulz.

Zwischen Schulz und Rohrböck geht der Austausch niemals über Freundlichkeiten hinaus. „Rohrböck hat mich nie auch nur einen Millimeter bewegt oder beeinflussen können“, sagt der Abgeordnete, als ihn das RND auf die Chats und Treffen anspricht. Rohrböck hatte offenbar den Auftrag, Schulz dazu zu bewegen, die radikale hessische Abgeordnete Mariana Harder-Kühnel zu unterstützen, damit sie von der AfD für den Posten der Bundestags-Vizepräsidentin aufgestellt wird.

Half das Phantom Weidel bei der Wiederwahl?

Im Mai 2020 schreibt Rohrböck: „Meine Aufgabe in Ihrer Partei war mit der Neuwahl der Fraktionsspitze eh erledigt“, und kurz danach: „Ich bin inzwischen seit drei Monaten nicht mehr in Eurem Umfeld.“

Im September 2019 mussten sich Weidel und Alexander Gauland zur Wiederwahl als Fraktionsvorsitzende stellen. Die Mehrheit, gerade für Weidel, war im Vorfeld nicht sicher. Die beiden schafften es dennoch. Wie groß war Rohrböcks Anteil?

Weidel sagt dem RND zu einer möglichen Hilfe Rohrböcks bei der Wiederwahl zur Fraktionschefin: „Ich kann mir nicht vorstellen, auf welchem Wege dies möglich gewesen sein sollte.“ Sie habe „seit längerer Zeit keinen Kontakt mehr“ zu ihm. Es sei jetzt nötig, „die Abgeordneten und Parteimitglieder zu sensibilisieren, den Hintergrund von Kontakten stets zu überprüfen.“ Ihr Parteifreund Schulz findet klare Worte zu Weidels Appell um Aufklärung: „Hier ernennt sich die Brandstifterin zur Feuerwehr. Das muss Konsequenzen haben.“

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Dieses „Fahndungsplakat“ lag eines Tages in der AfD-Fraktionssitzung aus.

Dieses „Fahndungsplakat“ lag eines Tages in der AfD-Fraktionssitzung aus.

Rohrböcks Nachrichten im Mai 2020 hatten einen Anlass: Kurz zuvor hatte in der AfD-Fraktionssitzung eine Art Fahndungsplakat ausgelegen. Darauf ein Bild eines strohblonden Hünen im Anzug mit starrem Blick. „Wanted? Tom Rohrböck, politische Beratung der CDU und AfD“, suche weitere Abgeordnete: „Machen Sie Karriere, aber richtig!“ Es war der Versuch eines bayerischen AfDlers, das Netzwerk des Phantoms zu kritisieren. Die meisten Zettel wurden verschämt zur Seite gelegt.

Tom Rohrböck selbst reagiert nicht auf Kontaktaufnahmen. Weder das RND noch der Rechercheverbund konnten mit ihm sprechen.

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