Deutschlands Atomzeitalter geht zu Ende – doch die alten Fragen bleiben
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Wasserdampf steigt aus dem Kühlturm des Atomkraftwerks (AKW) Isar 2.
© Quelle: Armin Weigel/dpa
Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) hat angekündigt, dass der Rückbau der drei letzten bundesweit verbleibenden Atomkraftwerke Isar 2, Neckarwestheim 2 und Emsland Jahrzehnte dauern wird. Nach dem endgültigen Abschalten am 15. April gelte es nun, den Rückbau der AKW zu vollziehen, sagte sie auf einer Pressekonferenz am Donnerstag in Berlin.
Wie schnell dieser erfolgen kann, liege in der Hand der Betreiber. In der Regel seien dafür zehn bis 15 Jahre veranschlagt, erklärte Lemke. Einen Antrag für den Rückbau haben die Betreiber der drei Meiler bereits gestellt. Die Genehmigung werde nach Angaben der Betreiber je nach Standort in den nächsten Tagen und Monaten erfolgen.
Lemke: „Risiken sind nicht beherrschbar“
Die EnBW Kernkraft GmbH, die das AKW Neckarwestheim 2 betreibt, stellt sich bereits auf den Rückbau ein. „Wir sind jetzt schon an einem Punkt, an dem ein Weiterbetrieb des AKW nicht mehr möglich wäre. Spätestens mit der erteilten Rückbaugenehmigung fehlt dann auch die Betriebsgenehmigung“, erklärte Geschäftsführer Jörg Michels am Donnerstag. Laut Michels werde die Genehmigung „in Kürze, noch vor der endgültigen Abschaltung am 15. April“ erwartet. Das AKW-Aus wäre somit unumkehrbar.
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Lemke bekräftigte die Entscheidung, die letzten drei Meiler endgültig abzuschalten. „Die Atomkraft bleibt eine Hochrisikotechnologie, die Risiken sind nicht beherrschbar.“ Deswegen mache der Atomausstieg das Land sicherer. In der Ukraine habe man gesehen, dass Atomkraftwerke Gegenstand eines Krieges werden könnten, sagte sie in Hinblick auf das von Russland besetzte Atomkraftwerk Saporischschja im Süden der Ukraine. „Nirgendwo auf der Welt sind AKWs für Kriege ausgelegt.“ Lemke nannte es einen „Fehler“, würde man das gestiegene nukleare Risiko nur auf die Ukraine beziehen. Man erlebe bereits Sabotageakte auf die kritische Infrastruktur in Europa, warnte die Umweltministerin.
Frage des Endlagers noch ungeklärt
Der zweite große Punkt ist die Frage nach der Zwischen- und Endlagerung der radioaktiven Abfälle. Diese Aufgabe sei herausfordernd, sagte Lemke. Die Einlagerung werde einige Jahrzehnte in Anspruch nehmen. Im Schacht Konrad, einem stillgelegten Eisenerz-Bergwerk in Salzgitter, sollen dann rund 300.000 Kubikmeter schwachradioaktive Abfälle eingelagert werden. Das entspreche einer Menge von rund 100 olympischen Schwimmbecken, hieß es. Die zusätzliche Menge an mittelradioaktiven Abfällen lasse sich noch nicht endgültig abschätzen.
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Steffi Lemke, die Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz bei der Bundespressekonferenz zum Ende des AKW-Leistungsbetriebs.
© Quelle: IMAGO/Political-Moments
Die noch größere Aufgabe sei die Ablagerung der hochradioaktiven Abfällen, die sich auf die 16 Zwischenlager in Deutschland verteilen werden. Doch die Zeit drängt. Die ersten Genehmigungen der Zwischenlager laufen bereits 2034 aus und ein Endlager ist noch nicht gefunden. Wolfram König, Präsident des Bundesamtes für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung, erklärte dazu: „Die Zwischenlagerung und Endlagerung ist systematisch unterschätzt und manchmal auch verdrängt worden.“ Mit dem Ausstieg am 15. April „wissen wir jetzt, in welcher Größe die Endlager betrieben werden müssen“.
Dieses Endlager in tiefen geologischen Schichten zu finden, sei eine „Frage der Generationsgerechtigkeit“ und es könne noch bis zu 60 Jahre dauern, um das zu gewährleisten. Erst dann sei der Atomausstieg wirklich vollzogen. Die oberirdischen Zwischenlager seien ausreichend gesichert, „aber ersetzen kein Endlager“. Gleichzeitig zeigte er sich über den endgültigen Atomausstieg erleichtert „Die Pro-und-Contra-Atomenergie-Debatte ist zu Ende“, erklärte er.
Gedenken an Opfer von Fukushima
In Folge der Ereignisse am 11.März 2011 starben insgesamt rund 20.000 Menschen.
© Quelle: Reuters
FDP trotz AKW-Abschaltung weiter für längere Laufzeit
Ursprünglich hätten die drei verbleibenden Meiler bereits Ende 2022 vom Netz gehen sollen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) machte im vergangenen Herbst von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch und entschied, die Atomkraftwerke über das Jahresende hinaus laufen zu lassen, um die Versorgungssicherheit in der Energiekrise zu gewährleisten.
Die FDP spricht sich nach wie vor dafür aus, alle drei Meiler auch über den 15. April hinaus bis ins Jahr 2024 hinein laufen zu lassen. „Falls es die Situation in Zukunft doch noch mal erfordert, müssen die Kraftwerke möglichst schnell wieder in Betrieb gehen können“, sagte etwa der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Fraktion im Bundestag, Lukas Köhler, kürzlich der „Bild“-Zeitung.