Worüber Erdogan jetzt mit den Taliban verhandelt

Recep Tayyip Erdogan, Präsident der Türkei, gibt eine Pressekonferenz nach gemeinsamen Gesprächen mit dem montenegrinischen Präsidenten Dukanovic.

Recep Tayyip Erdogan, Präsident der Türkei, gibt eine Pressekonferenz nach gemeinsamen Gesprächen mit dem montenegrinischen Präsidenten Dukanovic.

Athen. Es führe „überhaupt kein Weg vorbei an Gesprächen mit den Taliban“, sagte Bundesaußenminister Heiko Maas jetzt bei seinem Besuch in Katar. Die Türkei ist schon ein paar Schritte weiter. „Wir hatten unsere ersten Gespräche mit den Taliban, sie dauerten dreieinhalb Stunden“, enthüllte Erdogan am vergangenen Wochenende vor Reportern. „Wenn nötig, werden wir weitere Verhandlungen führen“, kündigte der türkische Staatschef an.

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Die Türkei will über die Zukunft Afghanistans maßgeblich mitbestimmen. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sieht Ankara bereits in einer „Schlüsselrolle“. Erdogan hört das gern. Er sieht die Chance, sich als unverzichtbarer Sicherheitspartner des Westens zu profilieren. Das könnte helfen, die strapazierten Beziehungen mit den USA und der EU zu verbessern.

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Logistisches Problem soll gelöst werden

Bei den Kontakten der türkischen Unterhändler in Kabul geht es zuallererst um die Lösung eines logistischen Problems. Nach dem Abzug der ausländischen Truppen ist der Flughafen von Kabul außer Betrieb. Aber nur wenn er wieder funktioniert, kann dringend benötigte humanitäre Hilfe nach Afghanistan gelangen.

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Nur dann kann ein Kollaps des Landes abgewendet werden und eine gewisse Stabilität einkehren. Das wiederum ist eine der Voraussetzungen dafür, eine Massenflucht aus dem Bürgerkriegsland zu verhindern.

Taliban übernehmen Kontrolle über Flughafen von Kabul
31.08.2021, Afghanistan, Kabul: K��mpfer der Spezialeinheit der Taliban treffen nach dem Abzug der US-Truppen auf dem Flughafen Kabul ein. Mit dem Abzug der letzten US-Soldaten nach einem fast 20 Jahre langen Einsatz in Afghanistan richten sich die Blicke nun ganz auf die erneute Herrschaft der militant-islamistischen Taliban. Foto: Khwaja Tawfiq Sediqi/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Die US-Truppen haben Afghanistan verlassen. Inzwischen kontrollieren die Taliban den Flughafen. Spezialeinsatzkräfte der Islamisten sind vor Ort.

Daran hat nicht nur Europa angesichts möglicher neuer Migrationsströme größtes Interesse, sondern auch die Türkei als Transitland. Schon jetzt beherbergt sie über vier Millionen Flüchtlinge, darunter geschätzt 500.000 Afghanen. Die Zuwanderer sind zunehmend unbeliebt, immer häufiger entladen sich soziale Spannungen.

Um Afghanistan zu stabilisieren, hatte Erdogan im Frühjahr zu Friedensverhandlungen zwischen den Taliban und der damaligen afghanischen Regierung nach Istanbul eingeladen. Die Konferenz platzte, weil die Taliban absagten. Im Juni bot Erdogan den Amerikanern an, nach deren Abzug könnte das türkische Militär den Betrieb des Flughafens übernehmen – eine Rolle, die türkische Soldaten bereits in den vergangenen sechs Jahren im Auftrag der Nato wahrnahmen.

Türkei verhandelt über Flugverkehr

Darüber verhandeln türkische Diplomaten jetzt mit den Taliban. Die wollen allerdings der Türkei nur die Abwicklung des zivilen Flugverkehrs anvertrauen, die militärische Sicherung des Airports hingegen selbst in die Hand nehmen. Ob die Regierung in Ankara das akzeptiert, bleibt abzuwarten. Kommt ein Deal zustande, wäre das ein großer außenpolitischer Erfolg für Erdogan. Er könnte damit der Welt und den eigenen Landsleuten die globale Bedeutung der Türkei demonstrieren.

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Erdogan schmeichelt deshalb den neuen Machthabern in Kabul. Die Türkei habe „kein Problem mit den religiösen Standpunkten der Taliban“, versicherte er. Talibansprecher Suheyl Shaheen revanchierte sich: Die Türken seien „Brüder im Glauben“. Nachdem sich Erdogan bereits in der Vergangenheit als Schutzherr der islamistischen Terrororganisation Hamas und der radikal-islamischen Moslembrüder profilierte, scheint er nun auch die Rolle eines politischen Patrons der Taliban übernehmen zu wollen.

Erdogan wird kritisiert

Das kommt allerdings bei vielen Menschen in der Türkei nicht gut an. Unter dem Hashtag #TalibanKardesimDegildir („Die Taliban sind nicht mein Bruder“) machten viele in den sozialen Netzwerken ihrer Empörung Luft. Ein Leben, wie es die Afghaninnen und Afghanen unter den Taliban führen müssen, möchten die wenigsten in der Türkei.

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Dass Erdogan sich dennoch bei den Taliban ungeniert anbiedert, dürfte auch an handfesten wirtschaftlichen Interessen liegen. Von einem Wiederaufbau Afghanistans könnten türkischen Baukonzerne mit Milliardenaufträgen profitieren. Und die großen türkischen Baufirmen sind überwiegend in der Hand Erdogan-naher Unternehmer.

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