Soldat Grotian über Gefahr für afghanische Ortskräfte: „Und dann verschwinden Menschen“

Marcus Grotian

Berufssoldat Marcus Grotian setzt sich für afghanische Ortskräfte ein.

Berlin. Bundeswehr-Hauptmann Marcus Grotian hat die Bundesregierung für ihr Krisenmanagement bei der Rettung afghanischer Ortskräfte kritisiert. Noch Tage nachdem die Taliban Kabul eingenommen hätten, seien viele Afghaninnen und Afghanen, die etwa als Helfer für die Bundeswehr und andere Behörden gearbeitet haben, dort der Gefahr durch die Islamisten ausgesetzt.

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Der Prozess, um den ehemaligen Beschäftigten deutscher Organisationen ein Visum zur Ausreise aus Afghanistan zu ermöglichen, habe „nie stattgefunden“, sagte der Berufssoldat vom Patenschafts-Netzwerk Afghanische Ortskräfte am Mittwochabend in der ARD-Polittalkshow Maischberger. Stattdessen sei ihnen bis zuletzt aktiv die Ausreise erschwert worden, rund die Hälfte werde nicht einmal als ehemalige Hilfskraft anerkannt. „Ich glaube die Regierung hat ein Setup gewählt, dass sie dann nicht mehr rechtzeitig zurückdrehen konnte“, sagte Grotian. Dass man nun in einer Situation sei, in der man nur noch hoffe könne, sei die „eigene Schuld“.

Taliban sollen Häuser durchsucht haben

Der vergangene Montag sei „einer der schwärzesten Tage“ gewesen, berichtet der Soldat, der permanent mit ehemaligen Ortskräften in Afghanistan in Kontakt stehe. „Es ging das Gerücht um, dass die Taliban von Haus zu Haus gehen und Verräter suchen.“ Dass die Islamisten nach eigenen Angaben nicht mehr nach ehemaligen Verbündeten der westlichen Truppen suchen würden, glaubt er nicht. „In Kandahar hat man Kinder genommen und gesagt, ‘Zeig auf die, die mit den westlichen Truppen zusammen gearbeitet haben’, und das machen die dann. Und dann verschwinden Menschen.“

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Aufhören, den Menschen vor Ort zu helfen, wolle er trotz der aussichtslos scheinenden Lage nicht. „Eine Chance ist immer da, solange noch Menschen leben“, sagte Grotian. „Wir werden auch nicht aufhören, die zu unterstützen.“

Evakuierte aus Kabul nach Landung: „Jeden Tag wurde es schlimmer“
18.08.2021, Gro��britannien, Brize Norton: Britische Staatsangeh��rige und afghanische Evakuierte verlassen einen Flug aus Afghanistan in RAF Brize Norton. Foto: Christopher Furlong/PA Wire/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Die ersten Ausgeflogenen sind in Frankfurt angekommen, sie berichten von dramatischen Szenen am Flughafen.

Grotian, der für die Bundeswehr in Afghanistan im Einsatz war, sprach bereits am Dienstag auch von einer Verantwortung der Politik. Politiker und Bürokraten hätten einfach nur die Regeln umgesetzt und nicht geholfen. „Bürokratie bis zum Schluss. Wenn Sie nicht den richtigen Antrag dreimal ausgefüllt haben, würde man Ihnen keinen Rettungsring zuwerfen“, sagte Grotian.

Hätte man stattdessen versucht Menschenleben zu retten, dann würde heute nicht von 8000 Menschen gesprochen werden, die zurückgelassen wurden, sondern vielleicht von 30.

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Grotian hatte zuvor mit der Berliner Grünen-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch über die Lage in Afghanistan gesprochen.

„In der nächsten Zeit noch über Abschiebungen nur zu spekulieren, verbietet sich“, sagte Jarasch. „Wir werden hier in Berlin überlegen müssen, ob wir für die Menschen, die jetzt schon seit Jahren hier mit uns und unter uns leben, es endlich schaffen, Bleibe-Perspektiven zu eröffnen. Denn wir können niemand abschieben in ein Land, das von Taliban regiert wird.“

RND/dpa/no

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