Geheimdienstexperte: „Maas will nur von seinem eigenen Versagen ablenken“

Der Schriftzug Bundesnachrichtendienst (BND) ist im Eingangsbereich der neuen Zentrale zu sehen.

Der Schriftzug Bundesnachrichtendienst (BND) ist im Eingangsbereich der neuen Zentrale zu sehen.

Der 53-jährige Geheimdienstexperte Sönke Neitzel widerspricht im Interview mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) der Kritik von Außenminister Heiko Maas (SPD) am Bundesnachrichtendienst (BND). Der hatte in einem Interview dem deutschen Geheimdienst eine erhebliche Mitschuld an der eskalierenden Lage in Afghanistan und vor allem in der Hauptstadt Kabul gegeben. Der Historiker und Potsdamer Professor denkt, der Geheimdienst bräuchte mehr Freiheiten, um effizient zu arbeiten.

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Der Bundesnachrichtendienst steht massiv in der Kritik, weil er die Machtübernahme der Taliban in Afghanistan nicht vorhergesehen hat. Was sind die Aufgaben unseres Geheimdienstes und wie ist er in Afghanistan aktiv?

Es gibt weltweit rund 5000 BND-Mitarbeiter, eine überschaubare Zahl. Sie operieren vor allem in Ländern, in denen die Bundeswehr Einsätze hat oder hatte, also auch in Afghanistan. In Mali arbeitet der BND eng mit dem französischen Geheimdienst zusammen. Zudem steht Russland seit 2014 im Fokus. Es gibt zwei Tätigkeitsschwerpunkte. Die klassische Agententätigkeit hat mit James Bond wenig zu tun. Niemand verkleidet sich als Taliban. Vielmehr pflegt der BND ein Informantennetzwerk mit Menschen, die der Terrororganisation nahestehen. Des Weiteren hört der BND elektronische Kommunikation ab, von SMS und Whatsapp bis zu Social Media. Es findet ein reger Austausch mit anderen Geheimdiensten statt, das muss man sich wie eine Briefmarkentauschbörse vorstellen.

Bisher 18.000 Menschen aus Afghanistan ausgeflogen
18.08.2021, Afghanistan, Kabul: Menschen stehen auf dem Rollfeld und gehen an Bord eines US-Transportflugzeugs von Typ C-17 Globemaster III w��hrend ihrer Evakuierung am Hamid Karzai International Airport in Afghanistan. US-Soldaten unterst��tzen das Au��enministerium bei einem geordneten Abzug des vorgesehenen Personals in Afghanistan. Foto: U.S. Marines/ZUMA Press Wire Service/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Bisher haben Flüge, wie unter anderem die der US-Luftwaffe, insgesamt 18.000 Menschen gerettet. Diese Zahlen teilte die Nato offiziell mit.

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Außenminister Heiko Maas (SPD) gibt dem BND die Schuld an der Fehleinschätzung der Lage in Afghanistan und fordert nun eine Reform des Geheimdienstes. Wie bewerten Sie das?

Eine Reform des BND halte ich für Quatsch, damit will Maas nur von seinem eigenen Versagen ablenken. Der Vorwurf des Außenministers ist Teil des Blame Games. Die Strukturen des BND sind gut. Man sollte aber die Rahmengesetzgebungen überprüfen, um dem BND eine effiziente Arbeit zu ermöglichen.

Also unterstützen Sie Ex-BND-Chef Gerhard Schindler, der sich jetzt rechtfertigte, die deutsche Justiz werfe dem BND Knüppel zwischen die Beine?

Es ist vom Sofa aus schwer zu beurteilen, was konkret in Kabul geschah. Aber es steht fest, dass die deutsche Politik generell sehr skeptisch gegenüber ihrem Nachrichtendienst ist. Es geht – auch als Konsequenz der Abhörskandale – darum, den BND einzuhegen und Freiheitsrechte zu wahren. Ich habe nicht den Eindruck, dass es ein politisches Interesse an einer leistungsfähigen Arbeit des BND gibt. Dafür müsste es zum Beispiel möglich sein, Datenschutzrechte von potenziellen Talibankriegern zu brechen. Der Geheimdienst wird hierzulande bislang vorwiegend als eine Gefahr für die Demokratie gesehen. Insofern begrüße ich die Debatte.

Wie ist das Verhältnis von Politik und BND?

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Ich habe den Eindruck, die Politik will nichts mit dem BND zu tun haben. Deshalb sieht Maas jetzt auch keine Notwendigkeit für einen Rücktritt infolge des BND-Skandals. Man möchte wohl, dass der BND die Informationen liefert, die zur politischen Agenda passen. Der hiesige Status des Geheimdienstes lässt sich an folgendem Beispiel ablesen: Der BND-Chef hat nicht das Recht, direkt bei der Bundeskanzlerin vorzusprechen. Das ist etwa in Großbritannien ganz anders.

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