Afghanische Ortskräfte: FDP kritisiert schwere Versäumnisse der Bundesregierung
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Afghanen kurz nach ihrer Ankunft aus Kabul am Flughafen Taschkent in Usbekistan. Von dort fliegen die Menschen weiter nach Deutschland.
© Quelle: Marc Tessensohn/Bundeswehr/dpa
Berlin. Die Bundesregierung steht weiter massiv in der Kritik wegen ihrer Afghanistan-Politik. Neue Fakten untermauern aus Sicht der FDP im Bundestag, dass die Evakuierung von gefährdeten Ortskräften über Wochen auf die lange Bank geschoben wurde, obwohl US-Präsident Joe Biden im April definitiv den Abzug der US-Truppen angekündigt hatte. Dennoch hielten sich die Zahlen der aus Afghanistan nach Deutschland eingereisten Personen über lange Zeit im einstelligen Bereich.
Das geht aus einer Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Anfrage des FDP-Abgeordneten Konstantin Kuhle hervor, die dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) vorliegt.
Demnach reisten im Januar eine Person und im Februar und März zwei beziehungsweise drei Ortskräfte nach Deutschland ein. Im April waren es sechs, im Mai fünf und im Juni 13. Erst als sich die Situation weiter zuspitzte, erhöhte sich die Zahl der Evakuierten, so im Juli auf 275 und im August auf 356. Insgesamt waren dann bis Ende August den Angaben zufolge 674 Ortskräfte eingereist.
„Die Bundesregierung hat es über Monate hinweg versäumt, gefährdete Ortskräfte in Afghanistan systematisch zu erfassen und nach Deutschland zu holen“, sagte Kuhle gegenüber dem RND. „Dieses Versäumnis hat zu den chaotischen Szenen am Kabuler Flughafen beigetragen und dazu geführt, dass bis heute zahlreiche Ortskräfte Afghanistan nicht verlassen konnten.“
Diese Menschen seien vor Racheakten der Taliban und anderer terroristischer Gruppen nicht sicher. Es sei jetzt an der Bundesregierung, alles dafür zu tun, dass derart gefährdete Personen sicher ausreisen könnten.
Warnungen der Botschaft wurden nicht ernst genommen
Kuhle übte außerdem Kritik an der Evakuierung der deutschen Botschaft. Auch in diesem Fall habe die Bundesregierung die Warnungen aus der eigenen Botschaft in Kabul und von Diplomaten aus Washington nicht ernst genommen und viel zu spät mit dem Abzug von Botschaftspersonal und Polizeibeamten begonnen. Vor allem die Bundespolizeibeamten, die für den Schutz des Botschaftspersonals zuständig waren, hätten früher gewarnt werden müssen, sagte Kuhle.
Deutsche Helfer sehen kaum noch Chancen für Ortskräfte in Afghanistan
Das Patenschaftsnetzwerk Afghanische Ortskräfte hat wenig Hoffnung, die ehemaligen Helfer der deutschen Truppen noch aus Kabul rauszuschaffen.
© Quelle: RND
Aus der Antwort des Auswärtigen Amtes auf eine weitere Anfrage des FDP-Politikers geht hervor, dass sich am 13. August noch 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der deutschen Botschaft in Kabul aufhielten, darunter Bedienstete des Auswärtigen Amtes sowie 27 zum Schutz abgeordnete Bundespolizisten.
In diesem Zusammenhang kritisiert Kuhle, der Abzug werfe auch ein schlechtes Licht auf die Kommunikation zwischen dem Auswärtigen Amt und der Bundespolizeiführung. „Für die Einsätze in Mali und anderen Staaten müssen hieraus Lehren gezogen werden“, sagte Kuhle dem RND.