AfD erwartet Beobachtung durch den Verfassungsschutz

Jörg Meuthen (links) und Tino Chrupalla, Bundessprecher der AfD, stehen bei einem Parteitag der AfD in Braunschweig beieinander.

Jörg Meuthen (links) und Tino Chrupalla, Bundessprecher der AfD, stehen bei einem Parteitag der AfD in Braunschweig beieinander.

Berlin. Die AfD rechnet mit einer baldigen Beobachtung durch den Verfassungsschutz. Die Parteivorsitzenden Jörg Meuthen und Tino Chrupalla versuchen, die Mitglieder zu beruhigen. Sie kündigen eine Gegenstrategie an für den Fall, dass der besonders radikale “Flügel” oder gar die Gesamtpartei vom Inlandsgeheimdienst beobachtet werden sollte.

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In einem Mitgliederbrief vom Wochenende, der dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) vorliegt, adressieren Meuthen und Chrupalla besonders die Beamten in der Partei: “Wir merken durch viele Gespräche, die wir überall im Land führen, dass es gerade bei ihnen eine gewisse Verunsicherung gibt. Deshalb lassen Sie es uns ganz konkret darlegen: Selbst wenn die politische Instrumentalisierung des Verfassungsschutzes auf die Spitze getrieben und die AfD tatsächlich als Verdachtsfall beobachtet werden würde, wäre das allein kein Anlass für Beamte, die Partei zu verlassen.”

Als Verdachtsfall werden bereits der “Flügel” um Andreas Kalbitz und Björn Höcke sowie die Nachwuchsorganisation Junge Alternative geführt. Vergangene Woche berichteten “Süddeutsche Zeitung”, NDR und WDR, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) kurz davor stehe, den “Flügel” sogar zum Beobachtungsobjekt zu erklären. Das BfV äußerte sich dazu nicht öffentlich.

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Parteichefs skizzieren Gegenwehr

In dem Mitgliederbrief skizzieren die Parteichefs bereits Gegenmaßnahmen: “Auch im Fall einer ‘Beobachtung’ werden wir uns natürlich rechtlich zur Wehr setzen. Seien Sie versichert: Wir lassen uns nicht überraschen und haben bereits entsprechende Strategien vorbereitet.” In den vergangenen Monaten hat die Kölner Kanzlei Höcker bereits mehrere Klagen, Abmahnungen und Eilanträge gegen das BfV eingereicht.

Die Parteichefs versprechen den Mitgliedern auch eine mediale Gegenstrategie: “Wir werden mit noch größerer Präsenz in Medien und sozialen Netzwerken auf die eigentlichen Ziele und die politische Instrumentalisierung des Verfassungsschutzes hinweisen”, schreiben Meuthen und Chrupalla. “Wir sind Grundgesetz” heißt die Kampagne, deren Material bereits auf der AfD-Homepage heruntergeladen werden kann.

Zudem hat die parteiinterne Arbeitsgruppe Verfassungsschutz um Roland Hartwig, früher Chefjustiziar des Bayer-Konzerns, mindestens 30 Briefe an Parteimitglieder verschickt, die im 400 Seiten starken Gutachten des Verfassungsschutzes mit Äußerungen vertreten sind. Die meisten haben inzwischen geantwortet – einige eher knapp, andere sehr ausführlich und öffentlich.

Höcke äußert sich zu seinen radikalsten Aussagen

Höcke beispielsweise bezieht Stellung zu einer Reihe seiner radikalsten Aussagen in zwei langen Facebook-Einträgen. Eine klare Distanzierung findet sich dort nicht. Das Höchste an Selbstkritik sind Stilfragen: “Einige Formulierungen würde ich heute so nicht mehr gebrauchen und auch mein Redestil hat sich im Laufe der Jahre weiterentwickelt”, schreibt der Thüringer Landeschef.

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Ansonsten folgt Höcke dem Rat des von der Partei beauftragten Staatsrechtlers Dietrich Murswiek und interpretiert seine Aussagen möglichst verfassungskonform: Seine Forderung nach einem “groß angelegten Remigrationsprojekt” beispielsweise sei nicht als “Ausgrenzung von Staatsbürgern mit Migrationshintergrund” zu verstehen. Und wenn Höcke schreibt, dabei würde man, “so fürchte ich, nicht um eine Politik der ‘wohltemperierten Grausamkeit’ (…) herumkommen”, sei diese Befürchtung nicht automatisch als Befürwortung gemeint.

Ähnlich formal versucht auch der besonders radikale AfD-Vertreter Hans-Thomas Tillschneider aus Sachsen-Anhalt seine Äußerungen zu entschärfen. “Die Forderung nach einem groß angelegten Remigrationsprogramm betrifft keine bereits eingebürgerten Migranten”, schreibt er etwa auf seiner Website.

Was die Beobachtung des “Flügels” für die AfD gefährlich macht

Auf einem “Flügel”-Treffen im sachsen-anhaltischen Schnellroda am Freitagabend nannte Tillschneider die “Flügel”-Vertreter die “wahren Preußen”, die sich als Soldaten in den Dienst der Partei stellten. Und genau das macht eine Beobachtung des “Flügels” für die Partei so gefährlich. Zwar vertritt die radikale Strömung bundesweit nur ein Drittel der AfD, doch sie ist inzwischen über Machtallianzen und beste Kontakte in die Parteispitze so stark mit der Gesamt-AfD verwoben, dass sich die Partei nicht mehr vom “Flügel” trennen kann. Wer den “Flügel” beobachtet, bekäme tiefe Einblicke in die Gesamtpartei.

Da Höcke spätestens nach den Erfurter Vorgängen unantastbar geworden ist, laufen auch Forderungen an ihn ins Leere, er möge sich von Uneinsichtigen im “Flügel” distanzieren. Gemeint ist damit zum Beispiel der Freiburger Dubravko Mandic. Bei einer Kundgebung Anfang Januar in Baden-Baden hatte Mandic den Journalisten des Südwestrundfunks (SWR) gedroht, man werde sie “aus ihren Redaktions­stuben vertreiben”. Parteichef Meuthen zeigte sich empört über diesen “gruseligen Auftritt”, Mandic bat die SWR-Mitarbeiter später um Entschuldigung.

Höcke erneut im Pegida-Milieu

Am Freitag traf sich Mandic in Erfurt mit Höcke und kündigte eine weitere SWR-Demonstration am kommenden Wochenende in Freiburg an. “Man muss aufpassen, dass einen die Situation der Straße nicht mitreißt”, gibt Höcke Mandic in väterlichem Duktus auf den Weg. Demonstrationen aber seien für die AfD wichtig, nicht nur im Osten, sondern auch im Westen. “Ich bin Vertreter des Bewegungsansatzes, das heißt, den Parlamentarismus und die Straße gleichzeitig zu bespielen”, sagt Höcke in dem Gespräch, das Mandic auf Youtube veröffentlicht hat. Und er verweist auf die Flüchtlinge an der griechisch-türkischen Grenze: “Das müssen wir in der neuerlichen Krisenlage, die sich zuspitzt, auch wieder verstärkt tun.” Höcke wird am kommenden Samstag erneut auf einer Kundgebung im Pegida-Milieu auftreten, bei “Zukunft Heimat” in Cottbus. Seine letzte Rede bei Pegida in Dresden prüft die Staatsanwaltschaft auf den Verdacht der Volksverhetzung.

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Auf dem “Flügel”-Treffen in Schnellroda sprach auch der neurechte Vordenker Götz Kubitschek. Er riet den AfD-Radikalen, “vor Reden, Vorträgen, Äußerungen das Manuskript, das Herz und das Gehirn für ein paar Minuten in den inneren Gefrierschrank zu legen und nicht von dem abzuweichen, was man notiert hat und verantworten kann”. Auch diese Rede veröffentlichte Mandic auf Youtube.

Die Parteichefs beendeten ihren Brief an die Mitglieder mit einer Durchhalteparole: “Unsere Partei hat auf ihrem Weg schon viele Zäsuren erlebt. Wir haben sie bislang noch alle gemeistert und sind am gemeinsam Geschafften stets erneut erstarkt. Das wird auch dieses Mal so sein.”


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