Massaker in Äthiopien: Mehr als 100 Zivilisten erschossen
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Äthiopische Regierungssoldaten fahren auf einem Lastwagen auf einer Straße in der Nähe von Agula in der Region Tigray im Norden Äthiopiens. Seit eineinhalb Jahren herrscht in Äthiopien ein Bürgerkrieg zwischen der Zentralregierung und Rebellengruppen (Archivbild).
© Quelle: Ben Curtis/AP/dpa
Addis Abeba. Unbekannte Angreifer haben in Äthiopien Augenzeugenberichten zufolge mehr als 100 Menschen getötet. Bewaffnete Männer erschossen den Angaben vom Sonntag zufolge in Oromia, dem größten Bundesstaat des ostafrikanischen Landes, vor allem Angehörige der Volksgruppe der Amharer.
Der Angriff habe sich am Samstag nahe der Stadt Gimbi ereignet und gegen mehrere umliegende Dörfer gerichtet. Die Regionalregierung in Oromia bestätigte die Attacke und machte die Rebellengruppe Oromo-Befreiungsarmee (OLA) dafür verantwortlich. Die Zentralregierung in Addis Abeba war für eine Anfrage der Deutschen Presse-Agentur zunächst nicht erreichbar.
Ein OLA-Sprecher dementierte die Verantwortung für den Angriff. Die Regierung von Abiy Ahmed mache zum wiederholten Male die OLA für Verbrechen verantwortlich, die sie selbst begangen habe, schrieb OLA-Sprecher Odaa Tarbii am Sonntagabend auf Twitter. Der äthiopische Ministerpräsident Abiy Ahmed hat „null Toleranz“ gegenüber den Verantwortlichen angekündigt. Er nannte die Tat Terror. Die Wiederherstellung von Sicherheit und Frieden habe oberste Priorität für seine Regierung, sagte Abiy, der 2019 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden war.
Auch Kinder unter den Opfern
„Meine ganze Familie wurde umgebracht. Niemand ist davongekommen“, sagte Augenzeuge Abdu Hassen der Deutschen Presse-Agentur. „Ich höre davon, dass bisher um die 300 Leichen geborgen wurden. Aber in zwei der angegriffenen Dörfer hat die Bergung noch gar nicht begonnen.“ Die Zahl der Opfer könne also höher liegen, sagte Hassen, der unmittelbar in der Nähe der Orte der Angriffe lebt.
Ein weiterer Augenzeuge berichtete, dass sich viele Menschen noch in den umliegenden Wäldern versteckten, aus Furcht vor Folgeangriffen. „So etwas haben wir noch nie gesehen. Es wurde einfach jeder beschossen, aber vor allem Frauen, Kinder und ältere Menschen sind unter den Opfern“, sagte Sumet Getu der Deutschen Presse-Agentur.
Forderung nach Autonomie und Selbstbestimmung
Äthiopien hat die OLA als terroristische Gruppe eingestuft, nachdem sie sich mit der Volksbefreiungsfront von Tigray (TPLF) verbündet hatte. OlA und TPLF wird vorgeworfen, die Regierung von Premierminister Abiy Ahmed destabilisieren zu wollen. Die OLA, eine Splittergruppe der politischen Partei Oromo Liberation Front, fordert mehr Autonomie und Selbstbestimmung für das Volk der Oromo. Die Oromo bilden mit rund 35 Millionen Menschen die größte ethnische Gruppe des Landes am Horn von Afrika. Bereits seit dem 19. Jahrhundert ist es jedoch die amharische Minderheit, die in Äthiopien politisch dominiert.
Die vom Staat eingesetzte äthiopische Menschenrechtskommission forderte die Regierung zum Handeln auf. Es gebe in der Region Oromia immer noch Sicherheitsrisiken, hieß es am Sonntag. Die Regierung müsse eine dauerhafte Lösung finden, um das Leben von Zivilisten angemessen zu schützen, sagte der Vorsitzende der Kommission, Daniel Bekele.
Außergerichtliche Hinrichtungen
Die Menschenrechtskommission macht die Armee für die außergerichtliche Hinrichtung von mindestens 30 Menschen im Dezember vergangenen Jahres verantwortlich, wie aus einer Mitteilung vom späten Samstagabend hervorgeht. Die Menschenrechtskommission bezog sich auf ein am Freitag in sozialen Medien verbreitetes Video, das uniformierte Soldaten dabei zeigt, wie sie offenbar Zivilisten erschießen. Die Menschenrechtskommission hat die Armee in ihren Berichten immer wieder unter anderem für Tötungen und Vergewaltigungen in der nördlichen Region Tigray verantwortlich gemacht.
Mit knapp 115 Millionen Einwohnern ist der Vielvölkerstaat Äthiopien das Land mit der zweitgrößten Bevölkerung Afrikas. Das Land am Horn von Afrika galt lange Zeit als Stabilitätsanker der Region, ist aber in den vergangenen Jahren zunehmend von ethnischen Konflikten zerrissen.
RND/dpa