Ab durch die Mitte
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Ähnlichkeiten mit Merkel gelten im Bundestagswahljahr 2021 als Pluspunkt. NRW-Ministerpräsident Armin Laschet ist da weit vorn – zumindest in den Augen der rheinischen Karnevalisten.
© Quelle: Fabian Strauch/dpa
Zum kleinen Einmaleins der Politik zählt die Erkenntnis, dass Wahlen in der Mitte gewonnen werden. Nun ist Mitte nicht gleich Mitte. Gerhard Schröder gewann 1998 eine „neue Mitte“ – Bürgerliche, die sich nach einem gesellschaftlichen Aufbruch sehnten. Der Kern der Wählerschaft von Angela Merkel ist mehrheitlich weiblich und keineswegs auf die CDU festgelegt. Um diese unideologische Wählergruppe, die mal Mitte links und mal Mitte rechts wählen kann, konkurrieren bei der Bundestagswahl Union, SPD und Grüne.
Neu ist, dass gleich drei Parteien auf die politische Mitte und aufs Kanzleramt zielen. CSU-Chef Markus Söder, der seit seiner Bruchlandung mit rechtspopulistischen Tönen seine Liebe zu Bienen und Bäumen entdeckt hat, bringt die Anforderung an die Kanzlerkandidaten auf den Punkt: „Merkel-Stimmen gibt es nur mit Merkel-Politik.“
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Konkurrenten und Verbündete: CDU-Chef Armin Laschet und CSU-Chef Markus Söder müssen sich einigen, wer für die Union als Kanzlerkandidat antritt.
© Quelle: Guido Kirchner/dpa
Der geläuterte Söder könnte als Kanzlerkandidat nahtlos an Merkels Politik anknüpfen. Nutzt er doch seit einem Jahr jede Pressekonferenz nach den Beratungen der Regierungschefinnen und -chefs der Länder, um seine inhaltliche Nähe zur Kanzlerin zu demonstrieren. Und die lässt es sich gefallen. CDU-Chef Armin Laschet hat im Merkel-Ähnlichkeitswettbewerb ohnehin Vorsprung – nicht nur, weil ihn die Karikaturisten und Kabarettisten gerne mit Merkels berühmter Händehaltung, der Raute, darstellen.
SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz wiederum kann sich als Vizekanzler an die Regierungschefin schmiegen, mit der er über viele Jahre erst als Arbeitsminister, dann als Finanzminister zusammengearbeitet hat. Da sie nicht wieder antritt, muss er sie im Wahlkampf auch nicht wirklich angreifen. Und solange es noch keinen Kanzlerkandidaten gibt, dient Gesundheitsminister Jens Spahn der SPD als Blitzableiter.
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Die SPD hat als erste der drei großen Parteien in Deutschland ihren Kanzlerkandidaten bestimmt: Olaf Scholz will als Vizekanzler und Finanzminister punkten.
© Quelle: Kay Nietfeld/dpa
Wenn also die Theorie trägt, dass Ähnlichkeit mit und Nähe zur Kanzlerin ein Vorteil sind, dann müssen die Grünen Annalena Baerbock als Kanzlerkandidatin aufstellen. Nicht nur, weil sie eine Frau ist. Sie hat ein paar Eigenschaften, die auch Merkel in ihren bald 16 Jahren nützlich waren und die in dem gnadenlosen Politikbetrieb äußerst hilfreich sind: fachpolitische Sattelfestigkeit, Nervenstärke, Unbeirrbarkeit. Was fehlt, ist Regierungserfahrung.
Ihr Mitstreiter an der Grünen-Spitze, Robert Habeck, kann erhellend erklären, dass man am Wahltag die Mitte der Gesellschaft abholen muss und auf wen die Grünen da zielen. Unter Druck zeigt er allerdings immer wieder Nerven und ihm sind auch schon eine Reihe fachlicher Schnitzer unterlaufen.
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Das Gleiche in Grün: Konkurrenten und Verbündete – Annalena Baerbock und Robert Habeck steht die schwierige Entscheidung bevor, wer von ihnen beiden fürs Kanzleramt antritt.
© Quelle: Hendrik Schmidt/zb/dpa
Wenn der Kandidat oder die Kandidatin fürs Kanzleramt bestimmt ist, steht den Grünen ein harter Wahlkampf bevor. Person und Partei werden – noch einmal anders als die traditionellen Kanzlerparteien Union und SPD – auf die Probe gestellt. Über allem wird die Frage schweben: Können die das – Kanzleramt?
Die Grünen sind an elf Landesregierungen beteiligt, koalieren mit Linken, SPD, Union und FDP. Auch daran, an ihren Erfolgen und Misserfolgen in diesen Konstellationen, werden sie gemessen, an ihrer Konsequenz in der Umwelt- und Verkehrspolitik. Sie stehen unter scharfer Beobachtung. Jeder Fehler, jede neue Verbotsdebatte, jeder Versprecher in einer öffentlichen Debatte kann ein Schlag ins Kontor werden. Auch das ist ein Grund, warum sie sich so lange Zeit lassen, den Kandidaten oder die Kandidatin fürs Kanzleramt auszurufen.
Knifflig wird auf jeden Fall die Frage, wer bei einem TV-Triell, also einem Wettstreit der drei Kanzlerkandidaten von Union, Grünen und SPD, in der Mitte stehen darf.
Wahlkampfsprech – Deutsch: Was Politiker wirklich sagen
Diese CSU ist für Bayern ja auch eine geniale Erfindung. Ich hab’ die immer ein bisschen still bewundert.
Winfried Kretschmann
Ministerpräsident der Grünen in Baden-Württemberg, im Interview mit der „taz“
Die Botschaft: Die CSU in Bayern ist groß, die CDU in Baden-Württemberg mickrig. Mit dem Spruch betont Kretschmann die Schwäche seiner direkten Herausforderin im Wahlkampf, Susanne Eisenmann, die noch nicht einmal in den eigenen Reihen Bewunderung bekommt. Er lässt die CDU in Baden-Württemberg grundsätzlich alt aussehen. Denn Baden-Württemberg galt einst als Stammland und Hochburg der CDU, ähnlich der CSU in Bayern. Doch der Glanz der Südwest-CDU ist verblichen.
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Wahlkampf in Baden-Württemberg: Der Karikaturist Kostas Koufogiorgos spießt mit Zeichnungen wie diesen den baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen, l.) und seine CDU-Herausforderin Susanne Eisenmann (CDU) auf.
© Quelle: Kostas Koufogiorgos/dpa
Nun brät Kretschmann mit seinem Bekenntnis zur CSU nicht nur der politischen Gegnerin im Landtagswahlkampf einen über. Den bürgerlichen Wählerinnen und Wählern vermittelt er zugleich, dass er eine konservative Alternative zur CDU ist. Die scheinbar naive Bewunderung des politischen Gegners entpuppt sich also als verbaler Doppelschlag für den eigenen Wahlkampf.
Wie sehen Demoskopen die Stimmung im Land?
Die regelmäßigen Ministerpräsidentenkonferenzen sind immer auch ein Schaulaufen der Regierungschefinnen und -chefs der Länder. Wie die Stimmung in den Ländern tatsächlich ist, hat das Forsa-Institut zwischen dem 18. und 26. Februar bundesweit gefragt. Die Übersicht zeigt: Hoch im Norden und im tiefen Süden bekommen die Landesregierungen gute Noten. In Sachsen-Anhalt, NRW und Berlin sind die Bürgerinnen und Bürger mit der Führung ihres Landes nicht zufrieden.
Die Zufriedenheiten mit den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten seien „durchweg größer als die mit den Regierungen insgesamt“, betont Forsa-Chef Güllner. Sie „sind also beliebter als ihre gesamte Regierung“. Besonders deutlich wird dieser Amtsbonus bei Reiner Haseloff (CDU) aus Sachsen-Anhalt (+14) und Markus Söder (CSU) aus Bayern (+12). Sehr gut steht auch Winfried Kretschmann (Grüne) aus Baden-Württemberg da (+13), während Malu Dreyer (SPD) aus Rheinland-Pfalz mit einem Amtsbonus von nur sechs Pluspunkten in der unteren Hälfte der Länderchefs rangiert.
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