Erste Klasse in Regionalzügen abschaffen? „Effekt wird hoffnungslos überschätzt“
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Die Grünen in Niedersachsen wollen die erste Klasse im Nah- und Regionalverkehr abschaffen.
© Quelle: Hauke-Christian Dittrich/dpa
Der Fahrgastverband Pro Bahn hat den Vorschlag der niedersächsischen Grünen, die erste Klasse in Regionalbahnen abzuschaffen, scharf kritisiert. „Die Abschaffung der ersten Klasse in Regionalbahnen ist eine ziemlich dumme Idee – regional wie bundesweit“, sagte der Pro-Bahn-Bundesvorsitzende Detlef Neuß dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Die acht bis zwölf Plätze der ersten Klasse freizugeben, bringt kaum zusätzliche Kapazitäten. Dieser Effekt wird hoffnungslos überschätzt.“
Könnte Umstieg auf Auto oder Flugzeug zur Folge haben
Neuß fürchtet, dass eine Abschaffung der ersten Klasse in Regionalzügen auch Auswirkungen auf den Fernverkehr hätte. „Die Regionalbahnen sind häufig Zubringerzüge für den Fernverkehr. Ohne eine erste Klasse im Regionalverkehr würden viele Reisende auch kein Ticket für die erste Klasse im Fernverkehr kaufen.“ Gerade Geschäftsreisende würden dann häufiger auf Auto oder Flugzeug setzen, so die Befürchtung des Fahrgastverbands.
In einigen Bahnen gibt es schon länger keine erste Klasse mehr: Der Nahverkehr Rheinland hat seit 2016 keine Klassen mehr auf drei S-Bahnlinien und auch in Hamburg gibt es seit mehr als 20 Jahren keine Klassen in den S-Bahnen.
Der bahnpolitische Sprecher der Grünenfraktion im Bundestag, Matthias Gastel, verwies aber darauf, dass die erste Klasse auch eine Reaktion auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der Reisenden sei. „Letztlich handelt es sich aber um eine Abwägungsfrage, die von den Ländern als Aufgabenträger für den Regionalverkehr vorzunehmen ist.“ Für die verkehrspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Dorothee Martin, stellt sich Frage nach einem Ende der ersten Klasse nicht. „Um mehr Menschen für die Nutzung des öffentlichen Regionalverkehrs zu gewinnen, müssen wir das Angebot verbessern“, sagte sie dem RND. Dazu gehören unter anderem auch „eine bessere Taktung und eine einfache Preisgestaltung“. Die Union sprach von einer Scheindebatte. „Die Forderung der Grünen ist reiner Populismus und zielt voll auf eine Neiddebatte ab“, so der verkehrspolitischen Sprecher der Unionsfraktion, Thomas Bareiß.
Kein Weg vorbei an Ausbau der Infrastruktur
Während der Hauptverkehrszeit sei laut Fahrgastvertreter Neuß die erste Klasse auch vielerorts gut besetzt. „Mehr Kapazitäten gibt es nur durch den Einsatz von mehr Zügen und den Ausbau der Infrastruktur.“ Das forderten auch Martin und Gastel gegenüber dem RND. Außerdem schlägt Grünen-Politiker Gastel vor, dass die Länder je nach örtlichen Gegebenheiten auch zusätzliche Fahrzeuge für längere Züge oder Doppelstockzüge zum Einsatz bringen könnten oder aber die Takte verdichten, wenn die Infrastruktur dies ermöglicht. Am Ausbau der Infrastruktur führe aber kein Weg vorbei, mahnt auch Gastel an.
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Die Grünen in Niedersachsen hatten gefordert, die erste Klasse in Zügen des Nah- und Regionalverkehrs abzuschaffen, um mehr Kapazitäten für Bahnfahrende zu schaffen. Eine entsprechende Forderung ist auch im Grünen-Wahlprogramm zur Landtagswahl am 9. Oktober enthalten. Die Debatte um die erste Klasse im Regionalverkehr ist nicht neu: Unter anderem hatten sich die Grüne Jugend NRW 2013 und Linken-Politiker Bernd Riexinger 2019 für Regionalbahnen ohne erste Klasse ausgesprochen.
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