Weiße Weihnachten 2020: Wie stehen die Chancen für Schnee an den Feiertagen?
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Weihnachten, ganz in weiß: Eine schöne Vorstellung, doch wie stehen eigentlichen die Chancen dafür?
© Quelle: dpa
„I’m dreaming of a white christmas...“ – nicht nur Bing Crosby träumte von einer weißen Weihnacht. Jedes Jahr lautet die Frage, die sich viele spätestens an Ostern stellen: Gibt es in diesem Jahr Schnee an Weihnachten?
Doch das Bild, das wir von Weihnachten haben, ist verzerrt. In unzähligen Liedern, Geschichten, Filmen und nicht zuletzt in der Werbung verwandelt sich die Welt an Weihnachten in ein zauberhaftes Schneeparadies. Dabei sind weiße Weihnachten, zumindest in weiten Teilen Deutschlands, meteorologisch betrachtet eher die Ausnahme. Zudem belegen Statistiken: Auch früher hat es an Weihnachten nicht häufiger geschneit.
Wann ist Winteranfang 2020?
Schnee zum Winteranfang klingt passend, ist aber in der Regel Wunschdenken. Aus kalendarischer Sicht beginnt der Winter auf der Nordhalbkugel erst wenige Tage vor Heiligabend. Dieses Jahr findet die sogenannte Wintersonnenwende am 21. Dezember statt. An diesem Tag steht die Sonne an ihrem tiefsten Punkt. Es handelt sich somit um den „kürzesten“ Tag des Jahres.
Daneben gibt es noch den meteorologischen, auch klimatologischen, Winteranfang. Meteorologen haben den 1. Dezember als Winteranfang festgelegt, um Wetterdaten und Klimaentwicklungen besser auswerten zu können. Das rein praktisch gewählte Datum sagt also herzlich wenig über die Chancen weißer Weihnachten aus.
Weiße Weihnachten 2020: Wie sind die Prognosen?
Eine flächendecke weiße Weihnacht wird es dieses Jahr in Deutschland definitiv nicht geben. Fest steht, dass die Temperaturen bis zum 23. Dezember mild bleiben. Auch am frühen Heiligabend ist in weiten Teilen Deutschlands noch mit zweistelligen Plusgraden zu rechnen, teilt Meteorologe Jürgen Schmidt vom Portal „Wetterkontor“ dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) am Montag mit. „Pünktlich zu Weihnachten wird es dann jedoch kühler“, so der Experte. Im Laufe des Tages dringt kühlere Luft vom Norden her nach Deutschland und bringt Regen- und teilweise auch Graupel- und Schneeschauer mit sich. Im Mittelgebirge und am Alpenrand geht der Regen dann sogar in Schnee über. Vor allem in der Nacht auf den ersten Weihnachtsfeiertag ist daher mit Glätte zu rechnen.
In höheren Ebenen Schnee am 1. Weihnachtstag
In 200 bis 300 Metern Höhe können sich viele dann auch tatsächlich über eine weiße Weihnacht freuen. Am Alpenrand sei mit viel Neuschnee zu rechnen, die Temperaturen steigen im Süden Deutschlands am ersten Weihnachtsfeiertag kaum über Null, erklärt Jürgen Schmidt. Und auch für die tieferen Lagen prophezeit der Meteorologe einen kleinen Kältesturz. „Wir erreichen maximal sechs Grad am Rhein, im Norden zieht noch etwas wärmere Luft aus dem Westen herein.“ Dennoch sei vielerorts mit Schnee- und Graupelschauern zu rechnen.
Auch in der Nacht zum zweiten Weihnachtsfeiertag warnt der Meteorologe erneut vor Glätte. Durch den Dauerfrost wird es dann vor allem im Süden bei viel Sonne und kaum Wolken sehr schön. Über Mittel- und Norddeutschland ziehen jedoch wieder Wolken herein, die bei milderen Temperaturen vor allem Regen bringen und keinen Schnee. Der Wintereinbruch über die Feiertage bleibt laut Schmidt daher nur kurz: „Nach Weihnachten wird es schnell wieder milder.“
Gibt es im Flachland seltener Schnee?
Ja, allerdings gibt es mehrere Faktoren, zum Beispiel die Höhenlage, die für die Schneewahrscheinlichkeit verantwortlich sind. Für einige Regionen spielt auch der Abstand zum Meer eine Rolle. Auf Helgoland liegt die Chance für ein Fest mit Schnee nach DWD-Angaben bei 2 Prozent.
In Berlin und Brandenburg gibt es eher weiße Weihnachten als in Niedersachsen. „Auf der Zugspitze hat es seit Beginn der dortigen Wetteraufzeichnung 1880 immer weiße Weihnachten gegeben“, sagt Friedrich. Darunter sinke die Wahrscheinlichkeit dafür.
Welche Bedingungen müssen für Schnee an Weihnachten vorliegen?
Aus meteorologischer Sicht kann von einer „weißen Weihnacht“ nur dann gesprochen werden, wenn an allen drei Festtagen eine mindestens ein Zentimeter hohe Schneedecke liegt. Die klimatischen Bedingungen dafür sind in den meisten Regionen Deutschlands jedoch eher schlecht. Stattdessen ist ein anderes Wetter deutlich wahrscheinlicher an Weihnachten: das sogenannte Weihnachtstauwetter. Unter Meteorologen wird eine solche, von dem normalen Wetterverlauf abweichende, Wetterlage als Singularität bezeichnet. Andere Beispiele sind die Eisheiligen im Mai oder der Martini-Sommer Mitte November.
Damit es an Weihnachten schneit und der Schnee auch liegen bleibt, muss die Frost- beziehungsweise Schneegrenze dauerhaft tief genug sein. Darüber hinaus spielen die örtliche Höhenlage und Witterung sowie die Windverhältnisse eine entscheidende Rolle. Friert der Boden vor den Feiertagen aus und gibt es ausgiebigen Schneefall, der durch eine kalte Hochdruckphase verfestigt wird.
Gab es früher häufiger weiße Weihnachten?
Früher war alles besser. Auch das Wetter. Doch gab es früher auch häufiger Schnee an Weihnachten? Die Statistik beantwortet diese Frage mit einem klaren Nein. Zwar sticht ein Zeitraum in den letzten sechzig Jahren heraus: Von 1961 bis 1964 gab es eine Folge sehr kalter Winter mit vielerorts weißen Weihnachten. Allerdings waren das vier außergewöhnliche Jahre. Eine vergleichbare Serie hat es in Deutschland seitdem nicht mehr gegeben.
Die Behauptung, früher habe es häufiger weiße Weihnachten gegeben, stimmt also nicht. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) spricht von weißen Weihnachten, wenn an allen Festtagen, also Heiligabend und am ersten und zweiten Weihnachtsfeiertag, morgens um 7.00 Uhr mindestens ein Zentimeter Schnee liegt.
„Das Ereignis war immer relativ selten“, erklärt DWD-Meteorologe Andreas Friedrich. Seit 1961 gebe es für Deutschland flächendeckende Wetterdaten, von einzelnen Orten reichen diese laut DWD bis 1881 zurück. An den Feiertagen 2010 gab es fast flächendeckend in Deutschland weiße Weihnachten. In den 1960er Jahren gab es mehrere Jahre hintereinander an vielen Orten in Deutschland weiße Weihnachten. Daraus lasse sich aber kein genereller Trend ableiten, sagt Friedrich.
Waren Winter früher kälter?
Tatsächlich waren Winter früher oft kälter, sagt DWD-Experte Friedrich. Demnach ist es in Deutschland seit 1881 im Dezember um 1,7 Grad wärmer geworden. Im Dezember 2019 lag die Durchschnittstemperatur bundesweit demnach bei 4,4 Grad. Die kältesten Abschnitte im Jahr sind in der Regel von Ende Januar bis Anfang Februar, sagt DWD-Experte Friedrich. „Wenn man Weihnachten auf diese Jahreszeit schieben könnte, wäre es besser, um weiße Weihnachten erleben zu können.“
Nach DWD-Angaben schneit es zwar manchmal Mitte Dezember, doch kurz vor Weihnachten ströme oft milde atlantische Luft vom Westen nach Deutschland. „Das berüchtigte Weihnachtstauwetter stellt sich ein“, schreibt der DWD. Die warme Luft zehre die Schneedecke auf. Dieser Ablauf sei typisch für Deutschland.
Kein Schnee an Weihnachten? Auch der Klimawandel trägt Schuld
Der Traum von weißen Weihnachten wird nach Ansicht von Professor Curtius vom Institut für Atmosphäre und Umwelt der Universität Frankfurt/Main daher weiterhin nur selten in Erfüllung gehen: „Allgemein ist es sicherlich richtig, dass im Zuge des Klimawandels zumindest für die nächsten Jahrzehnte zu erwarten ist, dass die Wahrscheinlichkeit für weiße Weihnachten noch weiter abnimmt, weil die Temperaturen immer seltener unter null Grad fallen werden.“
Das dürfte auch die Auswertung der Daten der vor wenigen Monaten beendeten Mosaic-Forschungsexpedition in der Arktis zeigen. Das Team aus internationalen Wissenschaftlern verbrachte den vergangenen Winter dort, wo Schnee und Eis nicht nur an Weihnachten selbstverständlich sind. Die Arktis gilt als die „Wetterküche“ für Mitteleuropa, betont Expeditionsleiter Markus Rex. Doch die Veränderungen seit der historischen Expedition von Fridtjof Nansen seien dramatisch, so der Atmosphärenphysiker vom Alfred-Wegener-Institut. „Wir haben durchgehend fünf bis zehn Grad höhere Temperaturen gemessen als bei der Nansen-Expedition vor 130 Jahren – und das Eis ist nur noch halb so dick.“
„Jedes Kinderbuch und jede Werbung zeigen eher die weiße Weihnacht als die in Deutschland viel realistischere grüne Weihnacht“, sagt Professor Curtius. An weiße Weihnachten erinnert man sich eben lieber als an mildwarme Feste bei schlechtem Wetter und Regen.
RND/pf/dpa/mf