„Weihnachtsbeleuchtung ist Daseinsvorsorge“

Die Städte und ihre Weihnachtsmärkte: Wo die Lichter nicht ausgehen

Beleuchtung beim Weihnachtsmarkt 2021 in Köln.

Beleuchtung beim Weihnachtsmarkt 2021 in Köln.

Die Saunen in den kommunalen Schwimmbädern sind geschlossen, die Temperaturen im Hallenbad gesenkt, im Wasser wie in der Luft. München spart. Sehenswürdigkeiten wie das Rathaus werden nachts nicht mehr beleuchtet, Brunnen am Abend abgestellt, die Straßenbeleuchtung ab 22 Uhr reduziert, die Hälfte der Ampeln zu verkehrsschwachen Zeiten abgestellt. Die Energiekrise ist allgegenwärtig. Die Menschen sparen, die Stadt spart.

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Aber es gibt Grenzen: Der zentrale Christkindlmarkt am Marienplatz bleibt unantastbar. Münchens ältester und größter Weihnachtsmarkt wird vom 21. November bis zum 24. Dezember erstrahlen wie gewohnt. „Der traditionelle Christkindlmarkt hat für die Stadt große touristische Bedeutung und stützt ein von den Corona-Lockdowns ohnehin stark betroffenes Gewerbe“, sagte eine Sprecherin der Landeshauptstadt dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Das heißt: Die Weihnachtsbeleuchtung wird zwar auf LED-Leucht­körper beschränkt, wird aber trotz Krise wie geplant stattfinden.

Lichter in der Adventszeit gehören zum Wohlfühlambiente

Überall im Land stecken die kommunalen Betreiber von Weihnachtsmärkten in der Zwickmühle: Weihnachts­märkte sind seit jeher emotionale Angelegenheiten. Die Menschen sehnen sich – vor allem nach zwei Jahren, die von der Corona-Pandemie und Absagen oder Auflagen geprägt waren – nach einem Stück vorweihnacht­licher Tradition. Die Deutschen brauchen es, so die Annahme, für das Weihnachtsgefühl, die Kommunen, um Touristinnen und Touristen in die Stadt zu holen, und die Standbetreiber zum Überleben.

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Zu eben jenem Wohlfühlambiente, zu der vorweihnachtlichen Stimmung, gehören aber auch die Lichter, die die Dunkelheit des Winters erträglicher machen. „Uns ist es wichtig, dass es trotz allem Lichterschmuck geben wird, da gerade dies typisch für einen Weihnachtsmarkt ist“, sagt etwa Sinika Müller von der Stadt Heidelberg dem RND.

Heidelberg nimmt parallel aber auch Überlegungen für sogenannte Wärmehallen auf – Orte, an die Menschen kommen sollen, die sich Strom und Gas daheim nicht mehr leisten können und die in zu kalten Wohnungen sitzen würden. Wie lässt sich das vermitteln? Wie lässt sich in der Energiekrise rechtfertigen, dass zwar Straßenlaternen und Ampeln abgestellt werden, die Lichter auf dem Weihnachtsmarkt aber leuchten? Welches Signal senden die Betreiber an die Bevölkerung, die zum größten Teil sparen muss?

Auf dem Weihnachtsmarkt in Heidelberg wird es auch in diesem Jahr Lichterschmuck geben.

Auf dem Weihnachtsmarkt in Heidelberg wird es auch in diesem Jahr Lichterschmuck geben.

Weihnachtsmärkte stärken „gerade in Krisenzeiten den Zusammen­halt“

Unlängst warnte deshalb der Präsident des Deutschen Städtetags, Markus Lewe, in einer Pressemitteilung: „Die Energiekrise darf nicht zu einer Zerreißprobe für den gesellschaftlichen Zusammenhalt werden.“ Dem Magazin „Cicero“ sagte Lewe, der auch Oberbürgermeister von Münster ist, dass man darauf achte, dass gesellschaftliche Leben nicht lahmzulegen. Weihnachtsmärkte könnten „gerade auch in Krisenzeiten den Zusammenhalt stärken“, sagte er. „Die Weihnachtsmärkte werden dieses Jahr vielleicht nicht ganz so hell sein wie sonst, aber sie werden den Leuten Freude bereiten. Auch das gehört zur Daseinsvorsorge.“

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Der Bundesverband Deutscher Schausteller und Marktkaufleute schrieb bereits 2001 in einer Studie, dass sich die Anforderungen an Weihnachtsmärkte verändert haben. Im Ursprung waren sie als Warenmarkt gedacht, um Menschen für das Weihnachtsfest zu versorgen. Heute stehe „der gesellschaftliche und soziale Aspekt im Vordergrund“. Sie seien Orte der Geselligkeit geworden, 18 Prozent der Befragten gaben an, überwiegend zum Schlendern auf den Weihnachtsmarkt zu kommen. „Besinnlichkeit, die Einstimmung auf das eigentliche Weihnachtsfest, Atmosphäre, Attraktionen, Emotionen usw. gewinnen gegenüber der Einkaufsfunktion an Bedeutung“, heißt es sodann in der Auswertung der Studie.

Es darf keine statischen Maßnahmen geben, die gegen die Herzen der Menschen laufen.

Markus Lewe, Präsident Deutscher Städtetag

Man dürfe nicht übertreiben – wozu es gehöre, Weihnachtsmärkte abzusagen oder zu verbieten, sagt Lewe. „Es ist Vorsicht geboten: Was trägt zum Zusammenhalt bei und wie kriegen wir die Balance? Geht nicht auch ein Weihnachtsmarkt mit besinnlicher Beleuchtung?“, sagte er „Cicero“. Und weiter: „Also ist es nicht gerade auch sinnvoll, im Winter die Leute dazu zu bewegen, aus ihren Wohnungen rauszugehen und Gemeinschaft zu erfahren? Es darf keine statischen Maßnahmen geben, die gegen die Herzen der Menschen laufen.“

Tradition Weihnachtsmarkt: Absagen ist keine Option

Die Stimmen wurden laut, nachdem der Bielefelder Bürgermeister Pit Clausen (SPD) dem WDR kürzlich sagte, dass er sich „nicht vorstellen kann, dass so große Events wie Weihnachtsmärkte überhaupt noch in Deutsch­land stattfinden“, sollte sich die Gaskrise verschärfen. Die meisten Städte und Kommunen in Deutschland wollen davon aber noch nichts wissen.

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Licht ganz aus – das ist demnach für kaum einen Ort eine Option. In Köln versucht man sich an einem Kompromiss: „Die Beleuchtung wird insgesamt in kürzeren Intervallen stattfinden, und sie startet erst zum Startdatum des Marktes, nicht zuvor“, teilt Jürgen Amann, Geschäftsführer von der Köln Tourismus GmbH, Veranstalter der größeren Weihnachtsmärkte in Köln, mit. Außerdem werde auf den Märkten schon länger LED und Ökostrom verwendet, um Energie zu sparen. Eine Absage steht aber nicht im Raum, immerhin sind die Weihnachtsmärkte „als touristisches Erlebnis national und international relevant“.

Potsdam: Verkaufsverbot für Glühwein aus dauererhitzten Behältern

In Potsdam dürfen die Verkaufsbuden nicht mehr beheizt werden, zudem darf Glühwein nur noch aus Durch­lauferhitzern, nicht mehr aus dauererhitzten Behältern verkauft werden, wie die „Märkische Allgemeine Zeitung“ berichtet. Zudem sei man im Gespräch mit der Stadt, sollte es im Zuge der Energiekrise erforderlich sein, werde der Markt eine Stunde früher als geplant schließen – und dann auch die Beleuchtung ausstellen.

In Frankfurt ist man zwar noch in Diskussionen, wie der zentrale Weihnachtsmarkt rund um den Römer aussehen kann, „eine Absage oder Verkleinerung ist aktuell nicht im Gespräch“, sagt Ines Philipp, Sprecherin von Frankfurt Tourismus. „Wir erarbeiten gerade einen Aktionsplan mit allen Einsparmöglichkeiten.“ Auch in Rostock wird laut „Ostsee-Zeitung“ noch debattiert. In Heidelberg will man ebenfalls kürzer beleuchten – was allerdings nur in einigen Straßenzügen geht, weil die Weihnachtsbeleuchtung an die Straßenbeleuchtung gebunden ist. Würde man die Schaltzeiten verkürzen, fielen auch die Straßenlaternen aus.

Eisbahnen als Opfer der Energiekrise

Mönchengladbach hat sich dafür entschieden, nur den Weihnachtsmarkt selbst, nicht aber die Innenstadt mit Weihnachtsdeko zu erhellen. Dem WDR sagte Stefan Wimmers vom Mönchengladbacher City-Management, es gehe um eine Vorbildfunktion der Stadt: „Um das Bewusstsein unserer Gesellschaft zu erreichen, sich jetzt möglichst frühzeitig schon Gedanken darüber zu machen. Damit wir es für die Bereiche noch möglichst lange haben, auf die es dann irgendwann auch mal mehr ankommt als auf eine Weihnachtsbeleuchtung.“

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Andernorts, etwa in Hamm, Rendsburg, Offenburg und Neumünster, wurden die Eisbahnen aus echtem Eis abgesagt, um Strom zu sparen. Auch in Lübeck wird die Eisbahn Opfer der Energiekrise, berichten die „Lübecker Nachrichten“. In Düsseldorf, dem zweitgrößten Weihnachtsmarkt in Nordrhein-Westfalen, ver­braucht allein die traditionelle Eisbahn ein Viertel des gesamten Energiebedarfs. In Heidelberg hingegen hält man an der Eisbahn fest, die Stadt argumentiert damit, dass die Bahn seit 2017 ausschließlich mit Öko­strom betrieben werde.

Die Eislaufbahn auf dem Corneliusplatz in Düsseldorf verbraucht ein Viertel der gesamten Energie des Weihnachtsmarktes.

Die Eislaufbahn auf dem Corneliusplatz in Düsseldorf verbraucht ein Viertel der gesamten Energie des Weihnachtsmarktes.

Hallenbäder zu – aber der Weihnachtsmarkt ist unantastbar

Nürnberg, das noch bis Ende September aus Energiespargründen drei der vier städtischen Hallenbäder geschlossen hat, will auf das touristische Aushängeschild nicht verzichten – zumal der Christkindlmarkt in den vergangenen zwei Jahren wegen Corona nicht stattfand. Auch hier heißt die Devise: Es gibt „keine energie­intensiven Einrichtungen“, wie Marco von Dobschütz-Diet, verantwortlich für die Nürnberger Märkte, dem RND sagt, zudem wurde bereits auf LED umgestellt, und seit fast zehn Jahren werde der Markt mit Ökostrom aus 100 Prozent erneuerbaren Energien versorgt. „Mit der Umstellung haben wir den Stromverbrauch in den letzten Jahren auf ein Minimum reduziert“, erklärt Dobschütz-Diet.

In Nürnberg wie andernorts dürfte aber nicht nur der gesellschaftliche Zusammenhalt eine gewichtige Rolle spielen. 85 Millionen Menschen besuchen die 1500 größten deutschen Weihnachtsmärkte jedes Jahr. Im Jahr 2001 hatten die Weihnachtsmärkte, 29 Prozent kommunal, 71 Prozent privat betrieben, 5 Milliarden Euro Ein­nahmen. „Diese Tradition lockt mittlerweile nicht nur Deutsche, sondern auch Gäste aus unseren Nachbar­ländern und sogar aus aller Welt an“, zitiert die „Frankfurter Neue Presse“ den Deutschen Tourismusverband.

Auch für Hannover spielt der Weihnachtsmarkt eine bedeutende wirtschaftliche Rolle – vor allem im Hinblick auf Vor-Ort-Shopping der Weihnachtsgeschenke. Immerhin leiden die Händlerinnen und Händler bereits seit Jahren unter den Rabattschlachten von Amazon und Co. Martin Prenzler von der City-Gemeinschaft sagte der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“, dass die Herbst- und Weihnachtsbeleuchtung nicht angepasst werde. „In der dunklen Jahreszeit ist es für uns Kaufleute unerlässlich, eine Willkommensatmosphäre zu schaffen. Außerdem haben wir hochmoderne LED‑Lampen, die nur sehr wenig Strom verbrauchen.“

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Dresden braucht den Weihnachtsmarkt-Tourismus

Ein deutscher Dreipersonenhaushalt verbraucht im Schnitt rund 2000 Kilowattstunden Strom pro Jahr. Der Dresdner Striezelmarkt kommt auf 200.000 bis 250.000. Auch wenn man nun, wie die Stadt dem RND mitteilt, das Sparpotenzial prüfe, eine Absage des Weihnachtsmarktes sei nie infrage gekommen. „Die Folgen der Energiekrise sind nicht seriös abschätzbar“, teilt das Amt für Wirtschaftsförderung mit. Wegen langfristiger Verträge gehe man nicht davon aus, dass der Strompreis Preistreiber für Glühwein sein werde, heißt es weiter.

Für Dresden ist der Weihnachtsmarkt touristisch von großer Bedeutung – aus ganz Deutschland und dem nahen Ausland kommen Gäste. Nach der Jahrtausendwende nahm der Weihnachtsmarkttourismus in Deutschland enorm zu, zahlreiche Reiseveranstalter bieten weihnachtliche Städtereisen an. Nebst Shopping steht dann eben auch der Besuch auf dem Weihnachtsmarkt an.

Ich halte es auch wirklich für wichtig, in der dunklen Jahreszeit ein wärmendes Signal via Licht zu setzen. In der heutigen Zeit mehr denn je.

Eva Zeiske, Sprecherin von Kiel-Marketing

Oberbürgermeister Dirk Hilbert ist deshalb dankbar: „Es ist richtig und gut, dass Volksfeste und Kulturveranstaltungen von der Bundesregierung bei der Energiesicherungsverordnung ausgenommen worden sind“, sagt er – und weiter: „Wir werden als Stadt Dresden auch für die Märkte trotzdem alle Einsparpotenziale prüfen und haben schon in den vergangenen Jahren dabei viel erreicht.“ Auch im Erzgebirge, ebenfalls klassisches Ziel des Weihnachtsmarkttourismus, will man vielerorts ähnlich vorgehen, berichten die „Dresdner Neuesten Nachrichten“.

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Leipzig: „Eine dunkle Stadt ist ein verheerendes Symbol“

Leipzig bleibt in diesem Winter ebenfalls im Dunklen – aber nicht, wenn es um den Weihnachtsmarkt geht. Sehr viele Gebäude, Plätze und Brücken – darunter Rathaus, Oper, Gewandhaus und Völkerschlachtdenkmal – werden nicht mehr beleuchtet. Doch wenn es um Weihnachten geht, spielt noch eine weitere Sache eine Rolle, wie Marktamtssprecher Alexander Gruß der „Leipziger Volkszeitung“ erklärte: „Eine dunkle Stadt ist ein verheerendes Symbol und bringt neue Probleme wie Kriminalität, Vermüllung und Vandalismus mit sich.“

Ähnlich argumentiert auch die Stadt Kiel. „Wir werden auf jeden Fall die Winterbeleuchtung aufhängen“, sagte Eva Zeiske, Sprecherin von Kiel-Marketing, den „Kieler Nachrichten“. „Ich halte es auch wirklich für wichtig, in der dunklen Jahreszeit ein wärmendes Signal via Licht zu setzen. In der heutigen Zeit mehr denn je.“

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