Waldbrände in den USA: Feuerwehrleute stoßen an ihre Grenzen
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Feuerwehrmann Cody Carter (r) und sein Kollege sind im Einsatz, um den Brand im Norden des Waldgebietes «Plumas National Forest» im Bundesstaat Kalifornien einzudämmen.
© Quelle: Noah Berger/AP/dpa
Denver. Justin Silvera kämpfte 36 aufreibende Tage hintereinander gegen die Waldbrände in Nordkalifornien und rettete Anwohner vor den Flammen. Davor waren er und seine Crew 20 Tage im Einsatz, gefolgt von einer dreitägigen Unterbrechung. Er habe den Überblick über all die Brände verloren, die er in diesem Jahr bereits bekämpft hat, erzählt der 43-jährige Kommandant der kalifornischen Feuerwehrbehörde Cal Fire. Manchmal war er mit seinen Mitarbeitern 64 Stunden am Stück im Dienst - mit 20-minütigen Nickerchen als einziger Möglichkeit zum Ausruhen.
"Ich arbeite seit 23 Jahren in diesem Job, aber das ist bei weitem das Schlimmste, was ich bisher gesehen habe", sagt Silvera, bevor er sich für 24 Stunden in ein Motel zurückzieht. Nach seinem Einsatz im Bezirk Santa Cruz muss er als nächstes Richtung Norden, wo nahe der Grenze zu Oregon Waldbrände toben.
Erschöpfung bei Feuerwehrleuten
Silveras Erschöpfung spiegelt die Situation an der US-Westküste wider: Die Brände dieses Jahres haben die menschlichen, mechanischen und finanziellen Ressourcen der amerikanischen Feuerwehr weit über das normale Maß hinaus strapaziert. Und die Waldbrand-Saison ist erst zur Hälfte ausgestanden. Aufgrund von Hitze, Trockenheit und einer strategischen Entscheidung, frühzeitig gegen die Flammen vorzugehen, sind die Einsatzkräfte einer historischen Belastung ausgesetzt. Hinzu kommt auch noch die Corona-Pandemie.
“Die Ressourcen reichen nie aus”, sagt Silvera, einer von fast 17.000 Feuerwehrleuten im Einsatz gegen die Brände in Kalifornien. “Normalerweise sind wir bei Cal Fire in der Lage anzugreifen – Tankflugzeuge, Hubschrauber, Bulldozer. Darin sind wir gut. Aber bei diesen Bedingungen vor Ort, der Dürre, dem Wind, lässt dieses Zeug einfach nach. Wir können ein Feuer nicht unter Kontrolle bringen, bevor das nächste ausbricht.”
Die kalifornischen Behörden bitten daher ständig um Hilfe. In der Region liegen Hunderte nicht erfüllte Anfragen nach Feuerwehrleuten, Flugzeugen, Löschfahrzeugen und Unterstützungspersonal vor, wie George Geissler von der staatlichen Forstverwaltung im Staat Washington sagt. Mindestens neun US-Staaten und andere Länder schickten Einsatzkräfte, darunter Kanada und Israel. "Wir wissen, dass wirklich nichts mehr im Eimer übrig ist", sagt Geissler. "Unsere Schwesterbehörden im Süden in Kalifornien und Oregon quälen sich wirklich ab."
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Die Waldbrände im Westen der USA heizen den Wahlkampf an. Wie Trump und Biden damit umgehen, analysiert RND-Korrespondent Karl Doemens in seinem Video-Blog.
© Quelle: RND
Nachfrage nach Feuerwehr-Ressourcen seit Mitte August hoch
Die Nachfrage nach Feuerwehr-Ressourcen ist seit Mitte August hoch. Eine Koordinierungsbehörde in Boise im US-Staat Idaho entscheidet mit, welche Brände Priorität haben, wenn Ausrüstung und Personal im ganzen Land knapp werden.
Die Ausgaben der Regierung für den Kampf gegen Waldbrände haben sich seit den 1990-er Jahren mehr als verdreifacht, auf durchschnittlich 1,8 Milliarden Dollar (1,5 Milliarden Euro) jährlich. Das Problem wurde dadurch aber nicht geringer, da Klimawandel, Trockenheit und Baumschäden im gleichen Zeitraum zu mehr Bränden im Westen der USA führten, darunter gefährliche sogenannte Megafeuer, die etwa 400 Quadratkilometer Wald oder mehr zerstören.
Der wachsende Ernst der Lage erhöhte den Druck auf die Politik, mehr für die Prävention zu tun, etwa durch kontrollierte Brände, schnellere Genehmigungen für Abholzvorhaben und einen besseren Feuerschutz für Wohnhäuser. "Wir befinden uns an einem kritischen Punkt: Der Westen brennt", sagte der republikanische Senator Steve Daines aus Montana am Mittwoch in einer Debatte über ein Notstandsgesetz wegen der Brände. "Menschen sterben. Der Rauch beginnt buchstäblich, unser Land zu bedecken, und unsere Lebensweise, wie wir sie kennen, ist in Gefahr."
In feuchten Monaten kleinere Brände kontrolliert brennen lassen?
Der Forstwirt Andy Stahl von der Umweltethik-Gruppe Forest Service Employees for Environmental Ethics sagt, im Fall der zerstörerischsten Brände sei es unmöglich gewesen, sie zu stoppen. Er verglich den Versuch damit, "einen Eimer Wasser auf eine Atombombe zu schütten". Der Schaden hätte allerdings geringer sein können, wenn die Behörden sich nicht neuerdings bemühen würden, jedes einzelne Feuer zu löschen, sondern in feuchten Monaten kleinere ungefährliche Brände kontrolliert brennen lassen würden, sagt Stahl. Damit könnten unter Umständen Großbrände in der trockenen, heißen und windigen Zeit vermieden werden.
Angesichts der Corona-Pandemie hatte US-Forstdienst-Chefin Vicki Christiansen im Juni die bisherige Linie, einige Feuer brennen zu lassen, geändert. Seitdem sollen alle Brände aggressiv und schnell gelöscht werden. Die Idee dahinter ist, keine großen Einsatzgruppen von Feuerwehrleuten mehr zu benötigen.
Ein Brand nach dem anderen bekämpft
Die etwa 8000 Mitarbeiter von Cal Fire haben von der Grenze zu Oregon bis zur mexikanischen Grenze einen Brand nach dem anderen bekämpft, wie der Präsident der zuständigen Gewerkschaft, Tim Edwards, sagt. "Wir sind kampferprobt, aber es scheint von Jahr zu Jahr härter zu werden, und an einem bestimmten Punkt werden wir es nicht mehr schaffen", erklärt der 25-Jährige. "Wir werden die Belastungsgrenze erreichen."
Neben der menschlichen Belastung fordern die Einsätze in Colorado, Montana, Utah, New Mexico, Arizona und jetzt Kalifornien und dem pazifischen Nordwesten auch einen hohen finanziellen Tribut von Hunderten Millionen Dollar. Allein Kalifornien hat seit dem 1. Juli 529 Millionen Dollar für den Kampf gegen die Feuersbrünste ausgegeben, wie Daniel Berlant von Cal Fire mitteilte.
RND/AP