Brände in Griechenland: Nach den Feuern droht die Flut
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Rauch eines Waldbrandes steigt hinter einem Berghang in dem Ort Limni auf der Halbinsel Euböa auf.
© Quelle: Michael Pappas/AP/dpa
Athen. Die ganze Nacht war Nektarios Farmakis auf den Beinen. Der Gouverneur der Region Westgriechenland half bei der Koordinierung der Brandbekämpfung in der Umgebung des antiken Olympia auf der Halbinsel Peloponnes. Als am Mittwochabend eine Flammenfront auf die antike Stätte zurollte, weckte das bei den Menschen böse Erinnerungen an den Sommer 2007. Damals hatte ein Feuersturm ihre Wälder verwüstet. Wenige Orte sind den Griechen so heilig wie Olympia, wo in der Antike alle vier Jahre die Olympischen Spiele ausgetragen wurden. Diesmal gelang es den Feuerwehren, ein Übergreifen der Flammen auf den antiken Bezirk zu verhindern. „Die Stätte ist vorerst gerettet“, konnte Gouverneur Farmakis am Donnerstag melden.
Einstweilen also Entwarnung für die antike Stätte, das Museum von Olympia mit seinen unschätzbaren antiken Exponaten und die Olympische Akademie. Aber gelöscht waren die Feuer nicht. In der Umgebung Olympias mussten am Donnerstag weitere Dörfer evakuiert werden. „Die Bedingungen sind extrem, sehr extrem“, sagte Bürgerschutzminister Michalis Chrysochoidis, der aus Athen nach Olympia geeilt war.
Von Flammen eingeschlossen: Küstenwache rettet Menschen vom Strand
Derweil kämpften im Nordwesten der Insel Euböa die Feuerwehren gegen einen Waldbrand, der drei Tage zuvor ausgebrochen war und sich immer weiter ausbreitet. Mehrere Dörfer wurden evakuiert. In der vom Feuer bedrohten Ortschaft Chronia liefen Retter des Zivilschutzes am Donnerstag von Haus zu Haus und brachen verschlossene Wohnungstüren auf, um sicherzustellen, dass keine hilflosen Menschen zurückgelassen wurden.
In einer dramatischen Rettungsaktion hatten am Abend zuvor Fischerboote und Schiffe der Küstenwache etwa 100 Menschen am Strand der Ortschaft Rovies aufgenommen und sie übers Meer in Sicherheit gebracht. Die Menschen hatten sich an die Küste geflüchtet, als die Flammen ihren Ort überrollten und alle anderen Fluchtwege abgeschnitten waren.
Griechenland: Riesiger Waldbrand bei Athen
Mehr als 500 Feuerwehrleute versuchten, die Flammen in Griechenland einzudämmen. Auch Löschflugzeuge und Hubschrauber waren im Einsatz.
© Quelle: Reuters
500 Soldaten zur Brandbekämpfung eingesetzt
An der Brandbekämpfung in Griechenland beteiligen sich auch die Streitkräfte mit 500 Soldaten und Soldatinnen, Löschfahrzeugen und Tanklastern. Planierraupen der Armee schlagen Brandschneisen, 39 Hubschrauber, Flugzeuge und unbemannte Drohnen der Streitkräfte werden zur Beobachtung der Wälder und zur Koordinierung der Löscharbeiten eingesetzt. Schweden schickte zwei Löschflugzeuge nach Griechenland, Frankreich hilft mit 81 Feuerwehrleuten.
Türkei: Erdogan spricht von größten Bränden der Geschichte
Auch in der Türkei bleibt die Lage dramatisch. Die staatliche Forstbehörde meldete am Donnerstag 180 Brände. Davon waren 15 außer Kontrolle. Staatschef Recep Tayyip Erdogan spricht von den „größten Bränden in der Geschichte des Landes“.
Zugleich versuchen seine Behörden, das wahre Ausmaß der Katastrophe zu vertuschen. Die türkische Medienaufsicht RTÜK drohte am Dienstag TV-Sendern mit Strafen, wenn sie weiterhin Bilder brennender Wälder und fliehender Menschen zeigen würden. Die Justiz ermittelt gegen mehrere Journalisten und Nutzer sozialer Medien, weil sie angeblich „Sorge, Angst und Panik“ verbreiten. Oppositionspolitiker kritisieren den schlechten Zustand der Feuerwehren, die nicht über ein einziges einsatzfähiges Löschflugzeug verfügen. Aber Erdogan verdächtigt die kurdische Terrororganisation PKK der Brandstiftung.
Griechenland sieht Zusammenhang mit Klimawandel
Für die meisten Politiker und Fachleute in Griechenland steht dagegen fest: Die Extremhitze und die Feuerstürme stehen in Zusammenhang mit dem Klimawandel. Der griechische Wetterdienst warnte am Freitag vor schlechter Luftqualität und hoher Feinstaubbelastung. Am Donnerstag aufgenommene Sattelitenbilder zeigen die riesigen Rauchwolken über dem östlichen Mittelmeer. Eine Rauchfahne zieht von Sizilien über Süditalien und die Adria nach Montenegro, Bosnien-Herzegowina und Kroatien. Weitere Qualmwolken reichen von Griechenland über die Ägäis nach Süden. Die größte Rauchentwicklung kommt von den Bränden in der Südtürkei. Die Wolken ziehen über das gesamte östliche Mittelmeer bis zur nordafrikanischen Küste.
Rauch verursacht in Athen Atembeschwerden
In Athen verursachte die Rauchglocke bei vielen Menschen Atembeschwerden. Auch wenn der Wind den Qualm bald vertreibt: Die Katastrophe ist noch nicht ausgestanden. Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis spricht von „schweren Zeiten“, die dem Land bevorstünden. Nikos Chardalias, der Chef der Zivilschutzbehörde, warnt: „Die Bedingungen in den nächsten Tagen und Wochen werden noch schwieriger sein als heute.“
Bereits Ende Juni waren die Temperaturen in Griechenland tagelang über 40 Grad gestiegen, jetzt erreichten sie örtlich sogar 46 Grad. Sie näherten sich damit dem europäischen Hitzerekord, der im Juli 1977 mit 48 Grad in Eleusis bei Athen registriert wurde. Am Wochenende sollen die Temperaturen zwar etwas fallen – Athen erwartet dann Höchstwerte von „nur“ noch 37 Grad –, aber bereits ab Montag rechnen die Meteorologen mit einem neuen Temperaturanstieg.
Nächste Hitzewelle wird noch im August erwartet
Der Klimaforscher Christos Zerefos erwartet noch für diesen Monat eine dritte Hitzewelle. Die heißen Meltemi-Winde, die im August meist über Griechenland wehen, könnten dann neue Feuerstürme anfachen. Auch Efthymios Lekkas, Chef der Erdbebenschutzbehörde OASP und einer der führenden Katastrophenexperten des Landes, erwartet für die kommenden Wochen einen „Daueralbtraum“.
Bäume verbrannt: Nach Feuer drohen Überschwemmungen
Im Westen und im Norden Griechenlands rechnen die Meteorologen bereits für diesen Freitag mit einem massiven Wetterumschwung: Nach der Extremhitze der vergangenen Wochen erwartet man schwere Gewitter. Der Herbst wird auch anderen Regionen Griechenlands die für diese Jahreszeit üblichen Wolkenbrüche bringen. In den Brandgebieten drohen dann Überschwemmungen, weil es keine Bäume mehr gibt, die den Regen aufnehmen und das Erdreich schützen könnten.
Und noch ist die Feuergefahr nicht gebannt. Am Donnerstagnachmittag frischte der Wind in der Hauptstadtprovinz Attika auf. Er fachte Glutnester in den Brandgebieten der vergangenen Tage an, im Norden Athens flammte erneut ein Großbrand auf. Mehrere Gemeinden mussten evakuiert werden. Den Bewohnerinnen und Bewohnern und den Feuerwehren stand eine weitere schwierige Nacht bevor.