Experte erklärt: Das macht das Löschen von Waldbränden so schwierig
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Feuer auf Euböa: In Griechenland könnten Waldbrände oft nicht so schnell bekämpft werden wie in Deutschland, weil es dort kein so enges Netz an freiwilligen Feuerwehren gebe, sagt Experte Ulrich Cimolino.
© Quelle: Marios Lolos/XinHua/dpa
Hannover. In Griechenland sind ganze Inseln abgebrannt, im Süden Italiens starben in der vergangenen Woche mindestens vier Menschen im Feuer, in der Türkei stürzte ein Löschflugzeug ab. Die Schreckensnachrichten im Zusammenhang mit Waldbränden reißen derzeit nicht ab, die Feuer scheinen übermächtig und brennen teilweise wochenlang. Was macht die Bekämpfung so schwierig? Einer, der diese Fragen beantworten kann, ist Ulrich Cimolino. Er ist seit 40 Jahren Feuerwehrmann und seit 2019 Vorsitzender des Arbeitskreises Waldbrand beim Deutschen Feuerwehrverband.
„Das Wichtigste ist, dass Waldbrände schnell entdeckt und gemeldet werden“, sagt Cimolino. Je früher mit dem Löschen begonnen werde, desto einfacher sei es, einen Brand zu kontrollieren. Deshalb beginne die Waldbrandbekämpfung bereits bei Spaziergängern, Waldarbeitern oder Piloten, die eine Rauchentwicklung bemerkten und meldeten. In großen Wäldern wie zum Beispiel in Brandenburg, wo weniger Menschen unterwegs sind, habe es früher auch mit Personal besetzte Wachtürme zur Beobachtung gegeben. Mittlerweile seien diese mit 360-Grad-Kameras ausgestattet und meldeten Rauchentwicklung automatisch an eine Zentrale, erklärt Cimolino.
„Deswegen werden die Brände bei uns in der Regel nicht so groß“
Wenn ein Brand entdeckt werde, müsse die Feuerwehr möglichst schnell vor Ort sein. „In Deutschland haben wir ein sehr enges Netz aus freiwilligen und Berufsfeuerwehren, etwa im Vergleich zu Griechenland oder Spanien. Deswegen werden die Brände bei uns in der Regel nicht so groß“, sagt der Experte. In Griechenland könne man gerade beobachten, was passiere, wenn eine sehr gut ausgebildete Berufsfeuerwehr mit dem Löschen nicht mehr hinterherkomme, weil es nicht überall und insgesamt zu wenig Einsatzkräfte gebe.
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Ulrich Cimolino, 56, ist Branddirektor bei der Feuerwehr Düsseldorf und Vorsitzender des Arbeitskreises Waldbrandbekämpfung beim Deutschen Feuerwehrverband.
© Quelle: Michael Rüffer, Feuerwehrmagazin
Das direkte Bekämpfen der Feuer bezeichnet Cimolino als einen „Baukasten aus etlichen verschiedenen Mitteln“. Welches davon zum Einsatz komme, hänge stark vom betroffenen Gelände, von der Vegetation und von der Größe des Feuers ab. Wenn der Brand früh entdeckt werde, könne man ihn in der Regel mit Wasser löschen.
Bei sogenannten Bodenfeuern, die zum Beispiel in Mooren auftreten können, komme die Herausforderung hinzu, alle Glutnester zu entdecken. „Da muss das Feuer mit Schaufeln ausgegraben werden. Wenn man ein Glutnest übersieht, kann der Brand schnell wieder entfacht werden“, sagt der Feuerwehrmann. In schwer zugänglichem Gelände, wie zum Beispiel im Gebirge, kämen in Deutschland vor allem Hubschrauber zum Einsatz. Damit werde sowohl Personal und Ausrüstung an die Einsatzstelle geflogen als auch Wasser aus der Luft abgeworfen.
Dem Feuer das Futter entziehen
Wenn der Waldbrand sich zu einem sogenannten Vollfeuer entwickelt, also großflächig auch Bäume in Flammen stehen, wird die Bekämpfung schwieriger. „Wenn dann noch starker Wind oder eine Hanglage dazukommen, löschen Sie da nichts mehr“, sagt Cimolino. Das vielversprechendste Mittel sei es dann, dem Feuer das Futter zu entziehen, damit es sich nicht weiter ausbreiten könne. Das erreiche man zum Beispiel durch das Schlagen von Brandschneisen. „Mit Waldarbeitsgeräten fällt man auf einem Streifen die Bäume und entfernt das Gestrüpp.“
Die Entscheidung, wo genau und wann man diese Technik einsetze, sei aber eine komplizierte Taktikfrage. „Man muss antizipieren: Wo treibt der Wind das Feuer hin? Ist man schnell genug, um es wirklich einzudämmen?“
Spanien: Flammen verschlingen Wälder bei Valencia
In vielen Gegenden Spaniens herrschen derzeit hohe Temperaturen. Auch heftiger Wind facht die Brände immer wieder an.
© Quelle: Reuters
Teamarbeit mit Meteorologen, Polizei und Bundeswehr
Auch das kontrollierte Abbrennen von leicht entzündlichem Material wie Reisig oder Gestrüpp ist eine Möglichkeit, dem Feuer den Nachschub zu entziehen. Diese Methode könne präventiv oder in der akuten Brandbekämpfung eingesetzt werden, sagt Cimolino. „Das können aber nur absolute Experten machen, weil es sonst schnell gefährlich werden und das kontrolliert gelegte Feuer sich zu einem neuen Waldbrand entwickeln kann.“ Im Ausland werde diese Taktik häufig eingesetzt. „In Deutschland sind wir da aber noch ganz am Anfang. Es gibt nur wenige, die dafür eine Ausbildung haben“, sagt der Feuerwehrmann.
Große Löschflugzeuge würden in Deutschland derzeit nicht eingesetzt. Die seien nur bei großflächigen Feuern in flachem Gelände sinnvoll. Und nur, wenn eine große, geeignete Wasserfläche in der Nähe sei, um Löschwasser aufzunehmen. „In Ländern mit einem schlechteren Netz an Einsatzkräften kommen Flugzeuge auch zum Einsatz, um schneller vor Ort zu sein. Das Problem haben wir aber in Deutschland nicht“, sagt Cimolino. Aufgrund der Topographie und Vegetation sei in Deutschland der Hubschrauber das richtige Unterstützungsgerät.
Die richtige Methode der Bekämpfung zu finden sei Teamarbeit. „Wir arbeiten dafür mit Meteorologen und bei Bedarf sogar mit Geologen zusammen, die helfen, die Lage einzuschätzen“, sagt Cimolino. Bundespolizei und Bundeswehr seien teilweise auch mit im Einsatz, zum Beispiel, um Brände mit aus Flugzeugen oder Helikoptern aus der Luft zu fotografieren oder ihr detailliertes Kartenmaterial zur Verfügung zu stellen.
Entscheidend sei auch die richtige Ausrüstung: Im Wald benötigten Einsatzkräfte zum Beispiel leichtere Schläuche und leichtere Einsatzkleidung, um weite Strecken zurücklegen zu können. Weil die Feuer meist länger brennen würden als in der Stadt, sei die Belastung für die Feuerwehrleute höher. Auch die Anforderungen an Fahrzeuge seien andere: Die müssten geländegängig sein, aber auch kleiner und leichter, um überall gut durchzukommen, ohne stecken zu bleiben.
Der Klimawandel bringt neue Herausforderungen
Angesichts des Klimawandels sieht Cimolino neue Herausforderungen für die Waldbrandbekämpfung. „Durch die steigenden Temperaturen ändert sich langfristig die Vegetation.“ Die Folge: weniger Mischwald, mehr Nadelhölzer. „Die brennen leichter und lassen sich schwerer löschen als Laubbäume“, so Cimolino.
Generell gehe er davon aus, dass es in Zukunft gerade in langen Trockenperioden mehr Feuer geben werde, die sich schneller ausbreiten als bisher. „Wir müssen deshalb in Deutschland sowohl in der Ausbildung als auch in der Ausrüstung der Feuerwehren einen stärkeren Fokus auf die Waldbrandbekämpfung legen. Und zwar nicht erst beim nächsten schlimmen Brand in Deutschland, sondern jetzt.“