Verschwundene Elfjährige: Ermittlungen wegen Entziehung Minderjähriger eingeleitet
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In Klosterzimmern bei Deiningen (Bayern) lebte die Glaubensgemeinschaft der „Zwölf Stämme“ bis mindestens 2015.
© Quelle: picture alliance / dpa
Dillingen. Nach dem Verschwinden eines elfjährigen Mädchens in Schwaben am Samstag verdichten sich die Anzeichen einer Entführung. „Wir haben die Ermittlungen wegen des Verdachts der Entziehung Minderjähriger eingeleitet“, bestätigt ein Sprecher des Polizeipräsidiums Schwaben Nord dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) auf Anfrage. Doch betont er auch: Die Polizei ermittelt weiterhin in alle Richtungen und gehe auch Hinweisen nach einem Unglück weiter nach.
Das Kind kehrte am Samstag nach dem Joggen nicht zu seinen Pflegeeltern zurück, bei denen es seit acht Jahren lebt. „Da nicht auszuschließen ist, dass die leiblichen Eltern des Mädchens in Zusammenhang mit dem Verschwinden stehen, nahm auch die Kripo Dillingen bereits erste Ermittlungen auf“, hieß es schon am Wochenende bei der Polizei. Der Grund: Ihre leiblichen Eltern gehören der Sekte „Zwölf Stämme“ an, die bis 2015 in Bayern angesiedelt war. Am Montag hat sich die Sekte laut des Bayerischen Rundfunk (BR) per Mail bei den Pflegeeltern gemeldet. Das Kind befinde sich in der Obhut der leiblichen Eltern. Es gehe ihm gut. Die Echtheit der Mail wird derzeit von der Polizei geprüft.
„Zwölf Stämme“ befürwortet Schläge in der Erziehung
Die „Zwölf Stämme“ waren früher im nordschwäbischen Klosterzimmern bei Deiningen und im mittelfränkischen Wörnitz angesiedelt. Vor acht Jahren hatten die Behörden wegen der Prügelvorwürfe 40 Jungen und Mädchen aus der Gemeinschaft geholt und bei Pflegefamilien und in Heimen untergebracht. Dass die verschwundene Elfjährige eines dieser Kinder ist, bestätigt die Polizei dem RND auf Nachfrage.
Die Aktion hatte zu jahrelangen Prozessen geführt. Einerseits gab es mehrere Strafverfahren – eine Erzieherin der Sekte wurde sogar zu einer Gefängnisstrafe ohne Bewährung verurteilt. Andererseits gingen leibliche Eltern gegen den Sorgerechtsentzug vor. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschied allerdings 2018, dass die Entscheidungen der deutschen Familiengerichte zulässig gewesen seien. In Bayern war der Sekte auch der Betrieb einer eigenen Privatschule für die Kinder untersagt worden.
Ist die Elfjährige in Tschechien?
Nach den Verfahren siedelte die Sekte, deren genaue Mitgliederzahl offiziell nicht bekannt ist, nach Tschechien um. In dem Land stehen Schläge bei Kindern im familiären Kontext bisher nicht unter Strafe und werden auch nicht verfolgt.
Es werde nun auch geprüft, ob die Elfjährige in einer der beiden Sektengemeinschaften in Tschechien ist, erklärte der Polizeisprecher am Montag. Ob die tschechische Polizei dort bereits aktiv geworden ist, ist bislang aber unklar. Details zu den bisherigen Maßnahmen wollte der Sprecher des Präsidiums in Augsburg nicht benennen.
mit dpa