Erdogan lässt Straßenhunde einfangen: Tierschützer rufen Urlauber zum Türkei-Boykott auf

Ein Hundewelpe auf einer Straße in Cide in der Türkei (Archivfoto).

Ein Hundewelpe auf einer Straße in Cide in der Türkei (Archivfoto).

Istanbul. Es begann kurz vor Weihnachten mit einem Pitbull-Angriff auf ein kleines Mädchen im ostanatolischen Gaziantep. Die vierjährige Asiye Ates wurde von zwei Hunden angefallen und schwer verletzt. Wenige Tage nach dem Vorfall forderte Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan die Stadtverwaltungen auf, „Hunde ohne Herrchen von der Straße einzusammeln“. Das türkische Ministerium für Umwelt, Urbanisierung und Klimawandel wies daraufhin die Gouverneure der 81 türkischen Provinzen an, freilaufende Hunde einzufangen und in Tierheime zu bringen.

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Doch was mit den Tieren wirklich passiert, dokumentieren jetzt zahlreiche Fotos und Videos in den sozialen Netzwerken. Unter dem Hashtag #boycottturkey ist auf Twitter ein Foto zu sehen, das mehrere Straßenhunde im Ladeschacht eines Müllwagens zeigt. Das Bild soll aus der zentralanatolischen Stadt Konya stammen. Ob die Hunde schon tot waren oder noch lebten, ist nicht zu erkennen. Andere Bilder zeigen, wie Streuner mit Schaufeln und Eisenstangen malträtiert werden. Die britische Zeitung „Mirror“ veröffentlichte am Sonntag Fotos, die mehr als ein Dutzend eingefangene Hunde auf der Ladefläche eines Kleintransporters zeigen. Unter den verängstigt wirkenden Tieren sind viele Welpen. Videos in sozialen Netzwerken zeigen, wie Straßenhunde auf die Ladeflächen städtischer Lastwagen gepfercht, abtransportiert und dann weit außerhalb der Stadt auf freiem Feld ausgesetzt werden.

Tiere würden „totgeschlagen, vergiftet, erschossen und auf die furchtbarste Weise entsorgt“

Britische Tierschützer rufen jetzt in sozialen Medien dazu auf, das Urlaubsland Türkei zu boykottieren. Der britische Autor, Journalist und Tierschutzaktivist Dominic Dyer unterstützt den Appell. Am Montag schrieb er im Netzwerk Linkedin: „Wir müssen den Druck auf Erdogan erhöhen“. Die Tiere würden „totgeschlagen, vergiftet, erschossen und auf die furchtbarste Weise entsorgt“, so Dyer. „Dies könnte das größte Abschlachten von Hunden sein, das es jemals in einem entwickelten Land gegeben hat“, fürchtet der Autor.

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Erdogan argumentiert, in den Tierheimen hätten die heimatlosen Hunde „eine saubere und sichere Umgebung“. Die Wirklichkeit sieht aber ganz anders aus. Es gebe in der Türkei gar keine Tierheime, in denen Hunde auf Dauer aufgenommen, artgerecht untergebracht, versorgt und dann vermittelt werden können, schreibt Petya Petrova von der Organisation Peta. Sie setzt sich weltweit für Tierrechte ein und ist nach eigenen Angaben mit fünf Millionen Unterstützern der weltweit größte Verband dieser Art. „In den Heimen erwarten die Hunde unwürdige Lebensbedingungen ohne Chance auf Adoption oder Vermittlung“, so Petrova. „Heimatlos gewordene Hunde sterben in den Heimen häufig an unbehandelten Krankheiten, Beißattacken mit unversorgten Wunden, mangelnder Nahrung und leiden unter der unglaublichen Enge in den Gehegen“, berichtet die Tierschützerin.

Kritik sogar von Anhängern des Präsidenten

Die türkische Journalistin Zülal Kalkandelen sagt, das Einsperren der Hunde in den „gefängnisähnlichen“ Käfigen der Tierheime bedeute ein Todesurteil: „In vielen Fällen sterben die Tiere an Hunger und Krankheiten, häufig werden sie auch von den Bediensteten der Stadtverwaltungen getötet, sobald sie eingefangen sind.“

Das Einsammeln der Hunde verstößt gegen das türkische Tierschutzgesetz. Darauf wiesen jetzt 62 Anwaltskammern in einer gemeinsamen Erklärung hin. Nach dem Gesetz dürfen die Stadtverwaltungen Streuner zwar einfangen, um sie zu sterilisieren. Danach müssen die Hunde aber dort wieder ausgesetzt werden, wo sie gefangen wurden.

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Die beiden Pitbulls, die in Gaziantep die Vierjährige angriffen, waren übrigens keine Streuner. Sie hatten einen Halter – obwohl in der Türkei der Besitz von Kampfhunden seit dem vergangenen Sommer verboten ist. Erdogans Feldzug gegen die Straßenhunde stößt nicht nur bei ausländischen Tierschützern und türkischen Oppositionellen auf Kritik. Der Staatschef erntet auch in den eigenen Reihen Widerspruch. Zum Beispiel bei der türkischen Popsängerin Tugba Ekinci. Die bekennende Erdogan-Verehrerin schrieb auf Instagram, sie möge ihren „klugen Präsidenten“ zwar sehr; aber seine Haltung zu den Straßenhunden könne sie „nicht nachvollziehen“.

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