Illegale Zucht auf Farmen

Schlachtreife Tiger: Das grausame Geschäft mit den Großkatzen

Hinter Gittern: ein Tiger in Vietnam.

Hinter Gittern: ein Tiger in Vietnam.

Als Karl Ammann das erste Mal nach Laos kam, wunderte sich der Schweizer Tierfotograf: Auf vielen Märkten wurden ihm Tigerprodukte angeboten – Tigerfelle, Tigerzähne, Tigerkrallen, ebenso Tigerwein mit in Alkohol eingelegten Penissen und Tigercake aus ausgekochten Knochen.

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Wie konnte das sein? Gehören Tiger nicht zu den besonders gefährdeten Arten auf diesem Planeten? Ist der Handel zumindest mit wild lebenden Großkatzen nicht illegal? Und was war die Quelle des offenbar reichlichen Angebots?

Das Ergebnis von Ammanns Undercover-Recherchen war 2021 der Dokumentarfilm „The Tiger Mafia“, ein Einblick in ein grausames Geschäft mit einem majestätischen Tier. Tiger werden in Südostasien auf Farmen bis zur Schlachtreife gezüchtet. Die internationale Stiftung Wildlife Justice Commission hat den Weg der Großkatzen in einer groß angelegten Untersuchung verfolgt, die nun pünktlich zur aktuell laufenden Washingtoner Artenschutzkonferenz Cites in Panama vorliegt.

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Offiziell dienen viele der Stationen der Auswilderung, doch das ist Fassade. Die wenigsten Tiere dürften je die freie Wildbahn erblicken.

Laos gilt als zentraler Umschlagplatz für den Handel, obwohl das Land schon 2016 unter internationalem Druck angekündigt hatte, die Farmen zu schließen. Dass dem keinesfalls so ist, hat die Wildlife Justice Commission nun belegt. Unter dem Codenamen „Operation Ambush“ arbeitete die Stiftung sechs Jahre lang mit örtlichen Behörden zusammen, um die mafiösen Netzwerke in der gesamten Mekongregion aufzudecken.

Das Ergebnis: 18 Personen wurden verhaftet, ein lebendes Tigerbaby beschlagnahmt. Die Zahlen klingen eher bescheiden. Die Stiftung spricht von einer grassierenden Korruption, die den Handel erleichtere. Lieferketten, Grenzkontrollen und der Zugang zu politisch exponierten Personen seien davon betroffen.

Ein Tiger fürs Festessen

Tatsächlich können sich reiche Kunden auf den Farmen auch lebende Tiger kaufen – entweder als Haustiere oder fürs Festessen. Eine beliebte Tötungsmethode firmiert nach Angaben der Naturschutzorganisation Pro Wildlife unter dem Namen „Diving Tigers“: Die Tiere werden in Käfige gesteckt und in einem Wassertank ertränkt. Weder Fell noch Organe werden so beschädigt.

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Auf Schmuggelwege etwa über das Goldene Dreieck gelangen Tigerpräperate in Chinas Pharma- und Schmuckindustrie. Tigerknochen gelten dort als Heil- und Potenzmittel. Aus Knochen werden zum Beispiel Perlen hergestellt – entnommen am besten von noch lebenden, betäubten Tieren, denn dann schimmern die Perlen in leichtem Rosa, wie es in Ammanns Film heißt.

Vor einem Jahrhundert lebten in ganz Asien noch 100.000 Tiger in freier Wildbahn. Nach Angaben des World Wildlife Funds ist ihre Zahl auf heute 4500 Tiger geschrumpft. In den Farmen in Thailand, Vietnam und Laos vegetiert vermutlich eine etwa doppelt so hohe Zahl. Die Nachfrage nach Tigerprodukten ist nach dem Bericht der Wildlife Commission ungebrochen und der Nachschub gesichert. Genauso haben die Händler Produkte von Schuppentieren, Bären oder Primaten im Angebot.

Touristenattraktion in „Tigertempeln“

Auf der Konferenz zum Washingtoner Artenschutzabkommen Cites in Panama fordert der World Wildlife Fund (WWF) Deutschland ein schärferes Vorgehen gegen Tigerfarmen. „Der illegale Handel mit Tigern und Tigerteilen aus sogenannten Tigerfarmen ist neben der Wilderei und dem Schmuggel von streng geschützten frei lebenden Tigern ein wichtiger und trauriger Bestandteil der organisierten Kriminalität“, sagt der WWF-Experte Arnulf Köhncke.

Der Handel mit gezüchteten Katzen gefährdet demnach auch den Wildbestand: Es ist schwer zu unterscheiden, ob ein Tiger aus der Natur oder aus der Zucht stammt. Übergreifende Datenbanken fehlen vielfach.

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Der Leidensweg der Tiger beginnt kurz nach der Geburt. Früh werden sie nach Informationen von Pro Wildlife den Müttern weggenommen und als Touristenattraktion in Zoos oder „Tigertempeln“ zur Schau gestellt. Dort werden sie mit Drogen und Medikamenten ruhiggestellt, mit Stöcken geschlagen und in viel zu kleine Käfige weggesperrt. Besucherinnen und Besuchern stehen die Schmusetiere so lange für Selfies zur Verfügung, bis sie zu groß und zu gefährlich sind. Dann verschwinden sie in die Tigerfarmen und werden gegen jüngere Exemplare ausgetauscht.

Der Tierfilmer Ammann hat das beim Erscheinen seiner Dokumentation so beschrieben: „Vorne werden Tigerbabys gestreichelt und später durch die Hintertür verkauft und geschlachtet.“ Ein Tiger, ausgewachsen und in seine Einzelteile zerlegt, kostet seinen Angaben zufolge 50.000 Dollar. Schon ein Zahn bringt 1000 Dollar ein. Das sind enorme Summen, die es umso schwerer machen, den Handel zu bekämpfen.

Myanmar mischt mit

Die Stiftung Wildlife Justice Commission befürchtet, dass sich auch das von Militärs geführte Myanmar inzwischen stärker am illegalen Handel beteiligt. Zudem werden vergleichsweise preiswerte Löwenskelette aus Südafrika nach Asien geliefert.

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Geschäfte mit Tigern florieren allerdings nicht nur in Asien. Netflix-Zuschauerinnen und -zuschauer wissen das seit dem Sensationserfolg von „The Tiger King“ vor zwei Jahren. Die Serie erzählte von dem überkandidelten und kriminellen Besitzer eines Privatzoos für Großkatzen in den USA. Es stellte sich heraus, dass auch in Amerika schätzungsweise rund 5000 Tiger in Gefangenschaft ein trauriges Dasein fristen.

Der Tierfilmer Ammann ordnet seine Rechercheergebnisse noch grundlegender ein. Er sagte in einem Interview mit dem Magazin „Streaming“: „Es geht im Film ohnehin nicht darum, mit dem Finger auf China oder andere Länder zu zeigen. Denn was teilweise in Europas Schlachthöfen passiert, ist keinen Deut besser.“

Die Artenschützerinnen und -schützer in Panama setzen ihre Hoffnungen nun auf die noch bis zum 25. November tagende Cites-Konferenz. Nicht nur schärfere Gesetze und höhere Strafen sollen im Kampf gegen die Tigerfarmen helfen, sondern auch eine verstärkte internationale Zusammenarbeit und der Aufbau von DNA-Datenbanken.

„Robuste Standards“ müssten her, so WWF-Experte Köhncke. Die Zucht müsse reguliert werden, um den kommerziellen Handel einzudämmen. Ein handfestes Konferenzergebnis gibt es nach Köhnckes Worten schon: Anfang kommenden Jahres sollen Prüfkommissionen in die Länder am Mekong aufbrechen.

Zumindest nach dem chinesischen Horoskop stehen die Zeichen für die Großkatzen gut: 2022 ist das Jahr des Tigers.

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