Thronjubiläum der Queen – endlich wieder feiern
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Ein Fan des britischen Königshauses schwenkt eine Fahne mit einem Bild der britischen Königin Elizabeth II.
© Quelle: Frank Augstein/AP/dpa
London. Es ist früher Nachmittag, als Louis und seine Freunde aus der Elizabeth-S-Bahn-Linie in die Kneipe The Flying Horse im Londoner Stadtzentrum stolpern, ein typisch englisches Pub, hinter dessen dunkler Holztheke verschiedene Biersorten ausgeschenkt werden. Die jungen Männer tragen Masken mit dem Antlitz der Queen, lachen und bestellen sich Pints, um auf die Eröffnung des neuen Zuges, der zu Ehren der Monarchin nach ihr benannt wurde, anzustoßen. Ob sie das Platinjubiläum feiern? „Ja, sicher“, meint einer und deutet auf seinen Freund. Louis trägt eine Perücke, die an die ikonische Frisur der Monarchin erinnert, eine Krone sowie weiße Handschuhe. Er freue sich auf die Partys, sagt der 31-jährige Londoner. „Die Queen ist aber der Hauptgrund, warum wir feiern.“
Winken vom Balkon, Paraden und Public Viewing: Die Feierlichkeiten anlässlich des 70-jährigen Thronjubiläums von Königin Elizabeth II. gipfeln diese Woche zwischen dem 2. und 5. Juni in einem verlängerten Wochenende voller Events zu Ehren Ihrer Majestät. Schließlich bricht sie einen Rekord. Keine britische Monarchin vor ihr regierte jemals so lange, nicht einmal Königin Victoria. Umfragen des Tourismusverbandes „Visit England“ ergaben, dass 19 Millionen Menschen aus dem In- und Ausland an den Feierlichkeiten teilnehmen wollen. Für die Wirtschaft bedeute dies geschätzte Mehreinnahmen von 1,2 Milliarden Pfund (rund 1,4 Milliarden Euro).
Die Queen winkt vom Balkon
Zu den Höhepunkten der Festlichkeiten gehört unter anderem Trooping the Colour. Die Fahnenparade findet am Donnerstag (2. Juni) statt. Dabei machen sich Pferde, Reiter und Militärmusiker auf den Weg zum Horse Guards Parade, dem größten offenen Platz im Zentrum Londons. Danach wird sich die Queen aller Wahrscheinlichkeit nach im Kreise unter anderem von Charles, Camilla sowie William und Kate auf dem Balkon des Buckingham-Palastes zeigen, um Zehntausenden Menschen zuzuwinken.
Das Interesse an den Jubiläumsfeierlichkeiten ist um den Horse Guards Parade schon vor dem eigentlichen Event spürbar. Dutzende Touristinnen und Touristen aus dem Ausland schlendern neugierig umherblickend über den Platz. Die Betreiber eines Kiosks haben einen langen Extratisch aufgestellt, um der steigenden Nachfrage gerecht zu werden. Darauf liegen unter anderem Löffel, Tassen, Teeselektionen und Teller, auf denen das Bild der Queen zu sehen ist.
Karen Lee, die Betreiberin des Kiosks, wurde von dem Ansturm der letzten Wochen überrascht, gibt sie zu. Aufgrund der Pandemie und wegen des Ausbruchs des Krieges in der Ukraine sei die Stimmung im Januar und Februar noch eher gedrückt gewesen. „Seit Mai sind jedoch deutlich mehr Leute unterwegs“, sagt sie. Die Menschen seien bereit zu reisen, die Vorfreude mittlerweile groß.
„Die Menschen sehen, dass sie sehr viel gegeben hat“
Eine Antwort auf die Frage, warum man die Queen so ausgiebig feiert, hat die Royalistin schnell parat: „Sie wird sehr respektiert, teilweise geliebt. Die Menschen sehen, dass sie sehr viel gegeben hat. Sie schätzen ihr Pflichtbewusstsein.“ Lee räumt jedoch auch ein, dass viele Britinnen und Briten vor allem feiern wollen. „Alle sind nach einer entbehrungsvollen Zeit endlich wieder unterwegs und draußen. Es geht auch um die Partyatmosphäre.“
Tatsächlich finden neben den großen Events wie dem Service of Thanksgiving, einer Dankesmesse zu ihren Ehren am Freitag in der St-Paul’s-Kathedrale, viele Straßenfeste und Feiern statt. Hierzu zählt unter anderem das Big-Jubilee-Lunch, bei dem sich Nachbarinnen und Nachbarn sowie Freundinnen und Freunde am Sonntag in vielen Teilen des Landes zu großen gemeinsamen Mittagessen treffen.
Die Jungen stellen die Monarchie infrage
Doch nicht alle Briten wollen die Queen feiern. Die 30-jährige Sandra, die sich mit ihrer Freundin unweit des Buckingham-Palastes zu einem Picknick verabredet hat, reagiert auf das Platinjubiläum empört. „Wieso soll ich die Monarchie feiern, während Menschen hierzulande nicht einmal die Möglichkeit haben, sich genug zu essen zu kaufen“, sagt sie. Das Jubiläum ist für sie kein besonderer Tag. „Ich werde alles so machen wie immer.“
Neue U-Bahn-Linie in London nach der Queen benannt
Im Fokus des Termins am Dienstag in der Paddington Station stand das Kerngeschäft sichtbarer royaler Tätigkeit.
© Quelle: Reuters
Vor allem junge Menschen stellen die Monarchie infrage. Die Kritik reicht hierbei von den Kosten, die das Königshaus verursacht, bis zum Umgang mit dem kolonialen Erbe und wird auf sozialen Plattformen wie Tiktok geäußert, wie Omid Scobie, Royalexperte und Autor des Buches „Finding Freedom“ („Auf der Suche nach Freiheit“) betont. Einer Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes YouGov zufolge wünschten sich im vergangenen Jahr mehr als 40 Prozent der 18- bis 24-Jährigen ein gewähltes Staatsoberhaupt, nur knapp über 30 Prozent sprachen sich für eine Fortführung der Monarchie aus.
Auch wenn vielen Briten die Monarchie nur ein Achselzucken abringt und manche sie sogar als überflüssig ablehnen, Königin Elizabeth II. ist so beliebt wie nie. „Vor allem in den letzten 20 Jahren ist ihre Popularität immer weiter gestiegen“, erklärt Historikerin Almuth Ebke dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Sie forscht aktuell in London zur britischen Geschichte der Gegenwart. Die Queen sei zu einem nationalen Symbol geworden. „Das Geheimnis ihres Erfolges ist dabei, dass sie nicht viel von sich preisgibt“, sagt Ebke. Als ihrer Pflicht folgender Familienmensch, der seinem Leben dem Amt gewidmet hat, stehe sie für Werte, auf die sich fast alle einigen können – auch über Großbritannien hinaus. Die Queen ist so zu einer Projektionsfläche für ganz unterschiedliche Menschen geworden.
Ihr letztes Jubiläum?
Die Relevanz des Jubiläums würde laut Omid Scobie auch von einer Erkenntnis genährt, die in Großbritannien kaum einer laut ausspricht: „Es wird wohl ihr letztes sein.“ Angesichts des Gesundheitszustandes und des Alters von Königin Elisabeth II. fragen sich viele außerdem, an welchen Veranstaltungen des Platinjubiläums sie tatsächlich teilnehmen kann. Der Royalexperte Rob Jobson geht davon aus, dass sie nur bei den wichtigsten Events auftauchen wird, darunter dem Dankgottesdienst und zwei Auftritten auf dem Balkon. „Wie jede Person in diesem Alter hat sie eben mal gute und weniger gute Tage.“ Das sei aber nicht unbedingt Grund zur Sorge, betont er.
Schon im vergangenen Jahr musste die 96-Jährige, die sonst als pflichtbewusster Workaholic gilt, viele öffentliche Auftritte absagen. Zuletzt hielt sie Mitte Mai nicht einmal die Queens Speech, eine zeremonielle Rede zur Eröffnung des britischen Parlaments – für die Monarchin seit Jahrzehnten ein Pflichttermin. Sie wurde von ihrem Sohn Charles vertreten, der dann, bedrückt auf die Krone neben sich blickend, die Pläne der Regierung für das kommende Jahr im Namen seiner Mutter vorlas.
In Großbritannien debattierte man daraufhin darüber, dass es theoretisch denkbar sei, dass die Queen grundsätzlich ihre Aufgaben an Charles überträgt, aber im Amt bleibt. Eine solche Regentschaft gab es zuletzt vor mehr als 200 Jahren: Damals übernahm Prinz George, später König George IV., die Amtsgeschäfte von seinem Vater George III. bis zu dessen Tod 1820. Der Grund: George III. litt an einer psychischen Krankheit, die ihm das Regieren unmöglich machte. Queen Elizabeth II. nimmt im Unterschied dazu weiter ihre Pflichten wahr und habe überdies auch immer wieder betont, dass sie nicht in Rente gehen wolle, wie Scobie sagt. Daher stellt sich diese Frage aktuell nicht.
Vorgeschmack auf Charles’ Regentschaft
Klar ist jedoch, dass Charles eine immer zentralere Rolle einnehmen wird – auch im Rahmen des Platinjubiläums. Es ist ein Vorgeschmack auf seine Regentschaft als König, der nicht alle Britinnen und Briten positiv entgegenblicken. Das habe laut Historikerin Ebke auch etwas damit zu tun, dass ihn viele Britinnen und Briten im Laufe der Jahrzehnte als Mensch mit politischen Ansichten und Schwächen kennengelernt hätten, im Unterschied beispielsweise zu seinem Sohn William, den sich viele Menschen in Großbritannien eher als König vorstellen können. Die Queen profitiert also davon, dass sie ihr Amt schon im Alter von 25 Jahren übernommen hat, zu einem Zeitpunkt, als sie noch nicht bereit dafür war, wie sie einst einräumte.
Neben der Frage nach ihrer Beliebtheit diskutiert man im Vereinigten Königreich auch darüber, wie man sich an sie erinnern wird. Während manche davon sprechen, dass die Queen insbesondere den Abstieg des britischen Empire verwaltet habe, schlägt Ebke eine andere Sichtweise vor. Das Land sei in den vergangenen Jahrzehnte demokratischer, die Gesellschaft multikultureller geworden. „Großbritannien hat sich extrem verändert und die Queen hat diesen Wandel mit getragen.“ Wer auch immer in dieser Diskussion recht haben mag, in den kommenden Tagen wird erst einmal gefeiert.
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