Wie rassistisch ist das Bullerbü-Land?

#Swedengate: Twitter-Abrechnung mit Schweden und seiner Gast(un)freundlichkeit

Das Bullerbü-Image bröckelt: Schweden erlebt einen Shitstorm auf Twitter.

Das Bullerbü-Image bröckelt: Schweden erlebt einen Shitstorm auf Twitter.

Es begann mit einem harmlosen Beitrag. Auf Reddit fragte eine Person, was das Merkwürdigste sei, was man je in einem anderen Haus erlebt habe, aufgrund einer anderen Religion oder Kultur. Ein User berichtete: „Ich erinnere mich daran, im Haus meines schwedischen Freundes gewesen zu sein. Während wir in seinem Zimmer spielten, rief seine Mutter, dass das Abendessen fertig sei. Er sagte mir, ich solle in seinem Zimmer WARTEN, während sie aßen.“

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Es war der Beginn von #Swedengate, einer Art Shitstorm für Schweden – und entwickelte sich schnell von der Kritik an der Gastunfreundlichkeit des skandinavischen Landes über den bisweilen zweifelhaften Umgang mit Migrantinnen und Migranten bis hin zu Rassismus und Schwedens mangelnder Bereitschaft, sich mit der eigenen Vergangenheit in Kolonialismus und Sklavenhandel auseinanderzusetzen.

Die Botschaft ist klar: Schweden als Super-duper-Land gehyped, einem Gradmesser für sozialen Liberalismus, das Land der Glückseligkeit und Zufriedenheit, ist gar nicht so hyggelig, wenn man genauer hinschaut.

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#Swedengate: Gastunfreundliche Schweden entzürnen Twitter

Doch fangen wir von vorne an. Nach besagtem Reddit-Post meldeten sich zahlreiche Menschen, die nach eigenen Aussagen ähnliche Erfahrungen in Schweden gemacht haben. Menschen, die darüber berichten, wie sie hungrig zurückgelassen wurden, als sie irgendwo Gast waren. Dann gab es Schwedinnen und Schweden, die argumentierten, dass man in Schweden eben nur genug Essen mache für jene, die man erwartet habe – um nichts wegzuwerfen und keine Lebensmittel zu verschwenden.

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Was wiederum zu Kritik führte – immerhin würde in Schweden niemand verhungern, müsste das vorhandene Essen geteilt werden oder müsste jemand noch eine Kleinigkeit dazu machen, um alle satt zu bekommen.

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Dann meldeten sich weitere Menschen zu Wort, die teils jahrelang als Ausländerin oder Ausländer in Schweden gelebt haben. Die berichten, dass sie bei einem Übernachtungsbesuch eigene Handtücher und Bettwäsche mitbringen mussten. Zu den Twitter-Nutzerinnen und Nutzern, die eigene Erfahrungen in Schweden gemacht haben, mischten sich jene, die von außen auf das Thema schauten und staunten, dass es in der westlichen Welt wirklich möglich ist, dass Gäste vom gemeinsamen Essen ausgeschlossen werden.

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Gemeinsam essen? Nicht in Schweden!

Andere hingegen machten sich mit Memes lustig, posteten Ikea-Werbespots, wo Familien glücklich beim Essen zusammensitzen, mit dem Kommentar: „Wahrscheinlich haben sie irgendwo im Haus einen Freund sitzen, der darauf wartet, dass das Mittagessen endlich vorbei ist.“ Auffällig: Die Kritik kam überwiegend von schwarzen Menschen, der Sarkasmus und die Rechtfertigung vor allem von weißen Menschen.

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Die Kritik hätte viele Länder in Mittel- und Nordeuropa treffen können – eben jene, in denen das gemeinsame Essen und Besuch von haushaltsfremden Personen einen anderen Stellenwert hat. Unangekündigt klingeln und vorbeikommen? In manch einem Land völlig normal, in Schweden wie auch in Deutschland eher unangebracht.

Unterdrückte Nationen freuen sich über Schwedens neues Image

Gastfreundschaft wird vielen Kulturen zugeschrieben, vor allem jenen, deren Kulturen und Traditionen in Mittel- und Nordeuropa gerne mal in der Kritik stehen, weil sie veraltet, patriarchalisch und menschenunfreundlich seien. Nun drehen genau jene den Spieß um: Jetzt sind es die Schwedinnen und Schweden, die unmenschlich wirken, denen vorgeworfen wird, dass ein normales menschliches Miteinander fehlt. Gut und böse – zwei Seiten, plötzlich vertauscht.

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Die Kritik an Schweden und seiner Gastfreundschaft führt vor Augen, dass es Werte gibt, die in anderen Kulturen einen hohen Wert haben, im vielfach idealisierten Schweden aber wenig vorkommen. Die Kritik legt eine egoistische Mehrheitsgesellschaft in dem skandinavischen Land offen, eine Haltung, in der andere ausgeschlossen werden, wenn es dem eigenen Vorteil dient.

Dass sich nun vor allem Menschen aus Regionen, die immerzu von Schweden und anderen Ländern Mittel- und Nordeuropas abgewertet werden, erheben, hat vor allem damit zu tun, ein historisches Ungleichgewicht ein klein wenig auszugleichen.

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Historisches Ungleichgewicht: von Gastunfreundlichkeit zu Rassismus

Das erklärt, warum die Diskussion schnell abdriftete. Von der Frage, wie gastfreundlich Schweden so ist, ging es schnell zu Rassismus. Das würde jedoch unterstellen, dass Schwedinnen und Schweden nur mit Ausländerinnen und Ausländern kein Essen teilen, dass nur sie nicht mit am Tisch sitzen dürfen. Das ist mitnichten so – in vielen Familien war und ist es auch noch normal, dass das Abendessen Familienzeit ist – ohne Freundinnen und Freunde der Kinder, unabhängig deren Herkunft.

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Vielmehr geht es jenen, die nun die Debatte um Schwedens Gastfreundschaft nutzen, um auf andere Probleme aufmerksam zu machen, um eine Entidealisierung des skandinavischen Landes. Denn Schweden hat auch eine andere Seite, die oftmals ausgeblendet wird – im Land selbst, aber auch vom Rest Europas, vom Rest der Welt. Die soziale Ungleichheit ist groß, immer wieder gehen Jugendbanden auf die Straße und liefern sich Kämpfe, vor allem in Malmö. In einigen Stadtvierteln ist die Hälfte der Jugendlichen arbeitslos und geht nicht zur Schule, die Jugendarbeitslosigkeit lag 2020 so hoch wie seit 100 Jahren nicht.

Zudem ist das tolerante und weltoffene Schweden auch ein Land mit tief rassistischen Strukturen, ein Land, in dem die rechtsradikale Partei Sverigedemokratene bei den Parlamentswahlen 17,6 Prozent der Stimmen erhielt und drittstärkste Partei wurde. Erst vor wenigen Wochen, zu Ostern, kam es in verschiedenen Städten zu gewaltsamen Protesten nach Koranverbrennungen.

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Schwedens kolonialistische Vergangenheit: Die Aufarbeitung fehlt

Nun lenken die Twitter-Kritikerinnen und -Kritiker ihren Blick genau auf jene Dinge, die nicht so gut zu laufen scheinen in Schweden. Nicht nur, dass man nicht gemeinsam am Tisch sitzt, sondern auch, dass Schweden sich versteckt – vor seiner rassistischen Vergangenheit. Anders als etwa in Großbritannien hat es in Schweden nie eine Aufarbeitung der historischen Ereignisse gegeben, etwa die Beteiligung am Sklavenhandel – Fesseln, Ketten und Folterwerkzeug wurden damals nach Afrika geliefert, Schweden betrieb zeitweise Festungen, die dem Sklavenhandel dienten, im heutigen Ghana.

Die Nichtaufarbeitung, das Wegsehen, es hat über die Jahre zu Frust geführt, vor allem bei Menschen aus Afrika, die das Ungleichgewicht heute noch erleben. Vor allem aus Südafrika, aber auch aus den Staaten im westlichen Afrika kommen die Tweets zu #Swedengate – Kritik aus einer Weltregion, aus der man eigentlich Bewunderung für die Fortschrittlichkeit gewohnt ist. Stattdessen liegt der Fokus nun darauf, die Idealisierung westlicher Werte zu beenden und westliche Gesellschaften dazu zu bringen, sich mit der gemeinsamen Historie auseinanderzusetzen.

Auf Twitter melden sich bei #Swedengate nun jene zu Wort, die nicht das Schweden erlebt haben, von dem gemeinhin geschwärmt wird, dem Land mit Bullerbü-Charme, in dem Familien gemeinsam am Ikea-Tisch Köttbullar essen, von Kindern, die frei wie Pippi Langstrumpf aufwachsen und Frauen, die alles werden können. Es sind Menschen, die zeigen wollen, dass es in jeder Kultur positive und negative Aspekte gibt.

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