Reisen in Tschernobyl: „Man sollte sich an bestimmte Regeln halten.“

Das neue Stahldach für den havarierten Reaktor 4 des Atomkraftwerks Tschernobyl.

Das neue Stahldach für den havarierten Reaktor 4 des Atomkraftwerks Tschernobyl.

Kiew. Der Trend zum Reisen nach Tschernobyl – ist das nicht gefährlich? Im Gespräch mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland gibt Sven Dokter, Sprecher der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit, Antworten zum Thema – und berichtet, was man zur eigenen Sicherheit besser unterlassen sollte.

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Ist es für Touristen gefährlich, nach Tschernobyl zu reisen?

Es ist nicht gefährlich, allerdings sollte man sich an bestimmte Regeln halten. Dazu gehört vor allem, nur an offiziell organisierten Touren teilzunehmen und nicht auf eigene Faust durch die Sperrzone zu wandern. Dass man sich grundsätzlich auch für längere Zeit auf dem Anlagengelände aufhalten kann, wird auch deutlich, wenn man sich klarmacht, dass dort nach wie vor einige tausend Menschen arbeiten. Die unterliegen dabei einer Überwachung durch den Strahlenschutz. Auch einige unserer Kollegen waren in den vergangenen 20 Jahren immer wieder vor Ort, auch häufiger und für längere Zeiträume. Durch die Auswertung der Dosimeter, die zur Erfassung der Strahlendosis eingesetzt werden, können wir sicher sagen, dass sie dort keinen unzulässig hohen Strahlenbelastungen ausgesetzt waren.

Gibt es offiziell bestätigte Informationen darüber, wie hoch die Strahlenbelastung für die Touristen ist? Mit welch einer Belastung wäre das vergleichbar?

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Nach den Informationen, die wir dazu aus der Ukraine kennen, erhalten Teilnehmer einer offiziellen Tour eine Strahlendosis von unter 0,005 Millisievert. Das ist eine geringere Dosis als die, die man zum Beispiel durch die Flüge von Deutschland in die Ukraine und zurück erhält. Auch typische medizinische Anwendungen wie etwa Röntgen oder Computertomographien verursachen Dosen, die zum Teil um viele Größenordnungen höher liegen. Man kann das auch an dem Strahlungsniveau an konkreten Orten innerhalb der Sperrzone verdeutlichen. An einem der bekanntesten Orte, dem ehemaligen Kulturzentrum der Stadt Prypjat nahe des Anlagengeländes, herrscht eine Ortsdosisleistung von etwa 0,001 Millisievert pro Stunde. Man müsste sich dort rund 2000 Stunden aufhalten, um die Dosis zu erhalten, die ein Mensch in Deutschland in einem Jahr durchschnittlich durch die natürliche Hintergrundstrahlung erhält.

Was sollten Reisende, die die Sperrzone besuchen, beachten? Was sollten Touristen keinesfalls tun?

Man sollte sich jedenfalls an die Vorgaben der Organisatoren halten. Dazu gehört, dass man nur auf den vorgesehenen Routen unterwegs ist und nicht versucht, das Gelände abseits der ausgewiesenen Wege auf eigene Faust zu erkunden. Gerade im näheren Umfeld der Anlage sind sogenannte Hotspots zu finden. Das sind in der Regel kleinere Flächen, auf denen eine deutlich höhere Strahlung herrscht als in der Umgebung. Die wird oft durch kleinste Partikel des Kernbrennstoffs verursacht, die bei der Explosion aus dem Reaktor geschleudert wurden. Außerdem wurden kurz nach dem Unfall an verschiedenen Stellen zum Teil stark kontaminierte Trümmer vergraben. Die radiologische Situation vor allem rund um die Anlage ist aber durch eine Vielzahl von Messungen gut bekannt. Wir haben gemeinsam mit ukrainischen Kollegen eine Datenbank aufgebaut, in der alle diese Informationen bereitstehen, so dass die Beschäftigten vor Ort sehr genau wissen, an welchen Orten welche Strahlenbelastung zu erwarten ist. Zum anderen sollte man nicht der Versuchung erliegen, Steine, Pflanzen oder andere Gegenstände mitzunehmen, die man in der Sperrzone finden kann. An solchen Gegenständen könnten radioaktive Partikel anhaften, die man so mit nach Hause nehmen würde. Eine gute Regel ist, so wenig wie möglich anzufassen. Auch gründliches Händewaschen ist sinnvoll, vor allem vor dem Essen.

Von RND/Sebastian Heintz

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