Quarantänestation soll Australiens Lockdown beenden
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Die Quarantänehotels haben Mängel offenbart: Wer in Melbourne (Bild) oder anderen australischen Städten landet, wird sofort per Bus in besondere Hotels gebracht. Jetzt wird geplant, ein großes Quarantänezentrum zu errichten.
© Quelle: Getty Images
Wer in früheren Zeiten mit dem Schiff in Australien ankam, der musste zunächst Zeit in einer Quarantänestation verbringen, um nicht Krankheiten wie Cholera, Pocken, Masern oder Typhus auf den fünften Kontinent einzuschleppen.
Auch während der derzeitigen Pandemie hat das Land es geschafft, sich gut gegen das Virus abzuschotten. Bisher hat Australien rund 30.000 Covid-19-Infektionen und 910 Tote verzeichnet. Geschlossene Außengrenzen, ein Quarantänesystem in Hotels und eine aggressive Kontaktverfolgung nach Covid-Ausbrüchen in der Gesellschaft haben den Australiern und Australierinnen wieder ein weitestgehend normales Leben beschert.
Gab es Corona-Ausbrüche im Land, so ließen sich diese alle auf Fehler im System der Hotelquarantäne zurückführen. 17 solche Vorfälle wurden seit Beginn der Quarantäne gezählt. Deswegen kamen in den vergangenen Monaten immer wieder Stimmen auf, die forderten, eine zentrale Quarantänestation zu bauen, bei der zumindest einige der Probleme, die in Hotels durch Klimaanlagen oder bei der Essensvergabe aufkommen können, leichter vermieden werden können.
Einrichtung mit 500 Betten wird geplant
Nachdem Melbourne derzeit im vierten Lockdown seit Beginn der Pandemie ist, hat die australische Regierung sich nun tatsächlich zum Handeln bewegen lassen. So will Canberra nun den Bau eines Quarantänezentrums finanzieren und zwar im derzeit betroffenen Bundesstaat Victoria, zu dem Melbourne gehört. Ein Standort für die Einrichtung wurde bisher noch nicht ausgewählt, aber angedacht sind die Außenstadtteile Mickleham oder auch Avalon in Melbourne.
Die Regierung des Bundesstaates präferiert Mickleham im Norden Melbournes, wo es bereits eine bestehende Quarantäneeinrichtung für Pflanzen und Tiere gibt. Angedacht ist eine Einrichtung mit 500 Betten, die um die 200 Millionen Australische Dollar oder umgerechnet 126 Millionen Euro kosten soll. Die Bundesregierung unter Premierminister Scott Morrison würde aber laut lokaler Medienberichte den Standort in Avalon bevorzugen, wo sich auch ein Flughafen befindet.
Ein großes Zentrum ist „leichter zu überwachen“
Ursprünglich war die Idee, Reisende wie früher zu Zeiten von Typhus und Cholera in eine Quarantänestation zu schicken, von der Premierministerin des Bundesstaates Queensland, Annastacia Palaszczuk, aufgebracht worden. Sie schlug eigentlich eine Quarantäneeinrichtung vor, die weiter von den großen Bevölkerungszentren entfernt ist. Der Gesundheitsminister in Queensland, Steven Miles, argumentierte damals, dass eine „zentralisierte Einrichtung“ sicherstellen würde, dass die Abläufe „uniformierter“ seien. Er sagte, ein großes Quarantänezentrum sei „leichter zu überwachen“ und Ausbrüche könnten besser bewältigt werden.
Ein vergleichbares Konzept verfolgt man bisher nur im Norden des Landes – im sogenannten Northern Territory. Dort werden internationale Ankömmlinge anstatt in Hotels in einem stillgelegten Arbeiterlager etwa 25 Kilometer südlich des Geschäftsviertels von Darwin untergebracht. Rückkehrer, die im vergangenen Jahr vom lokalen Sender ABC interviewt wurden, lobten damals, dass die Einrichtung im Gegensatz zur üblichen Hotelquarantäne mehr frische Luft und Bewegungsfreiheit erlaube. Man könne Sonnenuntergänge genießen und sogar schwimmen gehen, hieß es damals.
30.000 Menschen sitzen im Ausland fest
Quarantäneplätze sind begehrt, da über 30.000 Australier und Australierinnen und Bürger und Bürgerinnen mit einer permanenten Aufenthaltsgenehmigung nach wie vor darauf warten, in ihr Heimatland zurückkehren zu können. Denn Flüge sind teuer und die Anzahl der erlaubten Ankünfte im Land ist aufgrund der begrenzten Quarantäneoptionen beschränkt. Auch die Ausreise ist nicht einfach: Australier und Australierinnen müssen eine Ausnahmegenehmigung anführen und nur eine Handvoll Gründe wie die schwere Krankheit eines Elternteils oder ein permanenter Umzug werden normalerweise genehmigt. Dies hat etliche Familien und Lebenspartner in den vergangenen 15 Monaten voneinander getrennt.
Auf der Facebook-Seite „Travelban Covid19“ schüttete Anfang Juni beispielsweise eine Frau ihr Herz aus, die wegen der Restriktionen ihre Mutter seit über einem Jahr nicht sehen konnte. „Ich hatte einen Telefonanruf mit meiner Mutter in Großbritannien, der mich sehr mitgenommen hat“, schrieb sie. Ihre Mutter zeige Anfänge von Demenz und könne einfach nicht verstehen, warum sie sie nicht mehr besuchen komme und andersherum auch sie nicht mehr nach Australien reisen dürfe.
Demografin: „Loch gegraben und Kopf hineingesteckt“
Obwohl seit April ein Reisekorridor mit Neuseeland besteht, hat Australien bisher keinen Zeitplan angegeben, wann es seine Grenzen wieder für die Außenwelt öffnen will. Das aktuelle Haushaltsbudget ist so berechnet, als würden die Grenzen noch bis mindestens Mitte nächsten Jahres geschlossen bleiben. Letzteres könnte auch damit zusammenhängen, dass die Impfkampagne eher schleppend läuft. Nur 4,6 Millionen Impfdosen sind bisher vergeben worden – nur ein Bruchteil der über 25 Millionen Australier und Australierinnen ist vollständig geimpft.
Inzwischen mehren sich die Stimmen von Experten und Expertinnen, die sich Sorgen machen, dass Australien die Vorteile, die es durch sein Handeln während der Pandemie gewonnen hat, nun wieder verspielen wird. „Australien hat nichts Besonderes oder Wunderbares getan, um Covid einzudämmen“, sagte Liz Allen, eine Demografin an der australischen Nationaluniversität in Canberra, vor Kurzem dem „Guardian“. Vielmehr habe es von seiner Geografie profitiert und einfach auch Glück gehabt. „Wir haben ein Loch gegraben und unseren Kopf hineingesteckt, und nun werden wir dort bleiben“, sagte sie.