Plünderungen, ein Abend voller Gewalt: RND berichtet aus Los Angeles

Nach Protesten in Los Angeles brennt Starbucks an der Melrose Avenue.

Nach Protesten in Los Angeles brennt Starbucks an der Melrose Avenue.

Los Angeles. Mit ein bisschen schwarzem Corona-Humor könnte man es als tragische Ironie sehen. Alle Restaurants in Los Angeles sind zu, und dann wird man eingeladen, im Haus eines Freundes mit “Entrecote Jägerschnitzel Style” von Österreichs Starkoch Bernhard Mairinger bewirtet zu werden. Beim Aperitif heult das Handy mit dem für Notfälle programmierten Alarmton auf. Auf dem Display erscheint “Sperrstunde für die ganze Stadt Los Angeles von 20 Uhr bis 5.30 Uhr morgens”.

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Die Uhr zeigt 19.15 und es bleibt keine Wahl: Ab ins Auto und vom verpassten kulinarischen Event in einer Vorortidylle zurück ins heimische Hollywood. Begleitet von den Sirenen aus allen Richtungen heranrasender Polizeiautos.

Was wollen die hier? Demonstrationen sind doch in der Innenstadt von Los Angeles gelaufen. Ja, aber sie haben sich in Windeseile ausgebreitet. Daher die plötzliche Sperrstunde. Plünderer sind ins durch “Pretty Woman” berühmte Beverly Wilshire Hotel eingedrungen. Bei Gucci auf dem Rodeo Drive von Beverly Hills, dem teuersten Shoppingpflaster der Welt, bedienen sich viralmaskierte Protestpiraten. Auch hier ein ironischer Bezug zu Corona: Die Edelboutique hatte sich während der Schließung mit Brettern vernagelt und erst am Samstag neues Inventar für die Wiedereröffnung am Sonntag ausgelegt.

Nach dem Tod von George Floyd: Unruhen in den USA nehmen kein Ende
30.05.2020, USA, Minneapolis: Demonstranten halten Schilder mit der Aufschrift ��Stop killin' my people�� (��H��rt auf, meine Leute zu t��ten��) w��hrend einer Demonstration au��erhalb des 5. Bezirks. Der Protest richtet sich nach dem gewaltsamen Tod des Afroamerikaners Floyd durch einen wei��en Polizisten gegen Rassismus und Polizeigewalt. Die teils schweren Ausschreitungen in verschiedenen US-Metropolen dauern seit mehreren Tagen an. Foto: Angus Alexander/XinHua/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

In den USA ist es den fünften Tag in Folge in mehreren Städten zu Unruhen gekommen. Die Wut über den Tod von George Floyd treibt die Proteste an.

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Protokoll eines Abends voller Gewalt

Es sind nicht die einzigen Plünderungsszenen an diesem Abends. Ein Protokoll:

19:30 Uhr: Die Polizei jagt mindestens 20 Plünderer, die in das noble Kaufhaus Nordstrom’s und einen Apple- Store im berühmten Einkaufszentrum “The Grove” eingebrochen und mit gestohlener Beute geflüchtet sind. Zur selben Zeit tritt Los Angeles’ Polizeichef Michael Moore vor die Kameras. Seine Stimme ist ruhig, aber es schwingt eine stille Wut mit: “Das ist nicht die Lösung, wie wir alle Probleme und Frustrationen lösen. Ich bitte diese Stadt, unsere Bürger: Wir brauchen euch alle. Wir müssen zusammenstehen!”

20 Uhr: Los Angeles ist ein Pulverfass. In Downtown brennen gleich mehrere Autos und Gebäude. Nach blutigen Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und Demonstranten tritt die von Bürgermeister Eric Garcetti verhängte Ausgangssperre bis Sonntagmorgen um 5.30 Uhr in Kraft. Nur dass keiner der Protestierenden Anstalten macht, die Anweisungen zu befolgen. Die meisten haben sich auf die Straße gesetzt, während die Polizei noch Abstand hält.

20.10 Uhr: In West Hollywood in Nähe der Melrose Avenue kommt es zu Auseinandersetzungen zwischen einzelnen Demonstranten-Gruppierungen. Nachdem ein maskierter Demonstrant die Scheibe des Whole Foods-Supermarks eingeworfen hat, stellen sich Dutzende friedliche Demonstranten einer auf Krawall gebürsteten Gruppe entgegen: “Macht das nicht! Bitte!” Der Appell verhallt. Die gewalttätigen Protestler schubsten die “Aufpasser” zu Seite, springen über eine aus Einkaufswagen bestehende Barrikade und brechen in den Landen ein.

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Demonstranten in Los Angeles plündern den Adidas-Store.

Demonstranten in Los Angeles plündern den Adidas-Store.

20.15 Uhr: Mehr als drei Dutzend Polizisten stürmen auf Whole Foods zu und feuern Gummimunition auf die Randalierer. Hunderte sprinten in alle Richtungen davon. Ein Rädelsführer schreit in sein Megaphone: “Rennt nicht davon. Bleibt als eine Einheit stehen!” Doch keiner hört auf ihn.

20:22 Uhr: Eine “Breaking News”-Meldung erscheint auf den Handys aller Angelinos. Bürgermeister Garcetti hat Gouverneur Gavin Newsom gebeten, die Nationalgarde zu mobilisieren. Sie soll der Polizei helfen, die Lage unter Kontrolle zu bekommen und weitere Plünderungen, Gewalt und Vandalismus auf den Straße von Downtown über Beverly Hills bis Santa Monica verhindern. Allerdings wird es noch bis Mitternacht dauern, mit die Truppenverbänden im Einsatz sind.

20:49 Uhr: Auf CNN ist Moderator Don Lemon den Tränen nah: “Ich lebe in Los Angeles und ich kann es nicht fassen, was ich sehe. Das ist schlimmer als bei den Rodney-King-Unruhen. Ich habe Angst um mein Land. Wann haben wir die Kontrolle verloren?”

21:16 Uhr: Mittlerweile sind drei Feuer innerhalb von zwei Kilometern an der Melrose Avenue ausgebrochen. Eines davon bedroht ein Starbucks, das andere brennt lichterloh aus dem Dach eines Restaurants. Fast alle Scheiben der Läden auf der berühmten Straße in West Hollywood sind zertrümmert und die Ware wurde ausgeräumt. Während die Feuerwehr versucht, Herr über die Brände zu werden, jagt die Polizei Protestler, die sich nicht an die Ausgangssperre halten.

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Demonstranten nähern sich Reporterwohnsitz

Im Laufe des Abends kommt die kriminelle Action näher an meinen Wohnsitz. TV-Crews halten vom Hubschrauber ihre Kameras auf den entfernten Boutiquenblock von Fairfax Avenue und Melrose Boulevard, ein traditionell jüdisches Viertel, das jetzt mit Pop-up-Boutiquen die Hipster-Jugend anzieht.

Die Szenen sind schockierend. Wo jeden Tag Schlangen darauf warten, um sündhaft teure Exemplare aus Kanye Wests Sneaker-Kollektion zu ergattern, schleppt eine Horde von Plünderern – aller Hautfarben und einige ohne Gesichtsmaske eindeutig identifizierbar – ungeniert ihre Beute ab. Eine junge Frau lädt eine Einkaufstüte vom “Adidas Superstore” in einen vorfahrenden Audi S5 Fastback.

Luftlinie drei Kilometer entfernt bin ich der letzte Bewohner, der noch selbst die Tür zum Gebäude öffnen kann. Dann wird alles verriegelt. Meine 90-jährige Nachbarin Beverly Shae empfiehlt: “Wir sollten Wachpersonal anheuern.” Sie erinnert sich an die fast auf den Tag genau 30 Jahre zurückliegenden Rodney-King-Aufstände: “Damals saßen hier bei uns in der Lobby drei mit Gewehren bewaffnete Bodyguards.”

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