Bericht: Patient stirbt an Krebs - seine OP war wegen Corona verschoben worden

Im Zuge der Corona-Pandemie kann es nach Einschätzung einer medizinischen Fachgesellschaft zu späteren Krebsdiagnosen und -therapien kommen.

Im Zuge der Corona-Pandemie kann es nach Einschätzung einer medizinischen Fachgesellschaft zu späteren Krebsdiagnosen und -therapien kommen.

Stuttgart. Ein Krebspatient aus Stuttgart litt an Magen- und Speiseröhrenkrebs und hatte einen OP-Termin für Mitte März dieses Jahres. Durch das Coronavirus verschob sich dieser Termin – und er bekommt erst direkt nach Ostern seine erste Operation. Zu diesem Zeitpunkt sieht es bereits schlecht für ihn aus. Laut einem Bericht der „Bild“, hätten die Ärzte ihm zwei Stunden nach der Operation mitgeteilt, dass der Krebs bereits zu weit gestreut und er nicht mehr lange zu leben zu hätte. Im Juni verstarb er mit 53 Jahren. Ob ein früherer Eingriff ihn hätte retten können, ist jedoch ungewiss.

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Lebensbedrohliche Situationen durch Verschiebungen

Nach Angaben der Deutschen Krebshilfe haben wegen der Corona-Krise rund 50.000 Krebsoperationen nicht stattgefunden, da in vielen Bereichen Diagnosen und Behandlungen verschoben wurden. Auch etliche Diagnose- und Früherkennungsmaßnahmen seien abgesagt worden. Bund und Länder hatten Mitte März dazu aufgefordert, alle planbaren Operationen und Aufnahmen auszusetzen. So konnte zum einen der Kontakt zwischen Menschen reduziert werden. Vor allem aber sollten Betten auf den Intensivstationen für eine mögliche große Zahl schwer kranker Corona-Patienten frei gehalten werden. Mitte Mai dann sollten verschobene Operationen und andere Behandlungen in den Krankenhäusern nach einer Mitteilung des Bundesgesundheitsministeriums allmählich wieder anlaufen.

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Onkologen hatten Ende April vor einer “Bugwelle an zu spät diagnostizierten Krebsfällen” gewarnt. Bislang müssten Krebspatienten im Regelfall keine bedrohlichen Versorgungsengpässe befürchten, hieß es damals. Doch Einschränkungen durch die Krisensituation seien spürbar, teilten das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ), die Deutsche Krebshilfe und die Deutsche Krebsgesellschaft mit. “Wir erkennen inzwischen auch, dass das Versorgungssystem spürbar gestresst ist und die Einschränkungen aufgrund der Krisensituation negative Auswirkungen für Krebspatienten haben können”, sagte Gerd Nettekoven, Vorstandschef der Stiftung Deutsche Krebshilfe.

Die Krebstherapie sei grundsätzlich auch in der Corona-Krise gesichert, sagte Nettekoven. Ob es im Zuge der Corona-Krise mehr Krebstote geben werde, sei noch nicht absehbar, sagte der Krebsmediziner am Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU), Michael von Bergwelt. «In einem Szenario, in dem das Gesundheitssystem über einen längeren Zeitraum überfordert ist, muss es so sein. Meine Hoffnung wäre aber auf Basis der Erfahrung der vergangenen Wochen, dass das großenteils vermeidbar ist.»

Offizielle Zahlen über verschobene Operationen gibt es nicht

Die Deutsche Krebshilfe ermutigt Patienten deshalb immer wieder, ihre Vorsorgetermine und Früherkennungsuntersuchungen auch innerhalb der Corona-Krise wahrzunehmen. Bei unklaren Symptomen sollte man keinesfalls damit warten, den Arzt aufzusuchen. Viele Menschen meiden seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie Arztpraxen und schieben etwa Vorsorge- und Früherkennungstermine auf. Das legen Zahlen der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) nahe, die das Gesundheitsministerium in München im Juni veröffentlicht hat.

Demnach ging die Zahl der Arztbesuche von Patienten älter als 60 mit diagnostizierten Herzschwäche Ende März um knapp ein Drittel im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zurück. In der letzten Märzwoche seien Früherkennungsuntersuchungen bei Hausärzten um mehr als 80 Prozent eingebrochen, bei Fachärzten wie Urologen um 60,5 und bei Frauenärzten um 53,9 Prozent. Die Zahl sogenannter U-Untersuchungen bei Kindern und Jugendlichen sei um rund 22 Prozent gesunken.

Schon vor Corona rechneten Experten mit einem Anstieg der Krebserkrankungen

Offizielle Zahlen über verschobene Operationen gibt es nicht - obwohl viele Kassen bereits Analysen aus Abrechnungsdaten vorgelegt haben. Ein zentrales Krebsregister ist laut Deutscher Krebshilfe im Gespräch. Für die Corona-Pandemie habe die Bundesregierung allerdings Daten aus dem Jahr 2017 vorliegen. Schon vor Corona rechneten die Experten mit einem Anstieg bei Krebs. Laut Prognose der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wird sich die Zahl bis 2040 fast verdoppeln. Laut dem Weltkrebsreport der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC) erkrankten 2018 weltweit 18,1 Millionen Menschen an Krebs, 9,6 Millionen starben. 2040 dürften demnach 29 bis 37 Millionen Menschen neu erkranken.

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RND/dpa/ak



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