Motiv war lange unklar

Mordprozess in Illerkirchberg gestartet: Angeklagter wollte Reisepass für Heirat in Äthiopien erzwingen

Der Angeklagte wird in Hand- und Fußschellen in den Gerichtssaal geführt.

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Ulm. Im Mordprozess um den Messerangriff auf zwei Schulmädchen in Illerkirchberg ist die Anklageschrift verlesen worden. Demnach war ein Reisepass für eine Eheschließung in Äthiopien das Motiv des angeklagten 27 Jahre alten Flüchtlings, wie die Staatsanwältin am Freitag nach Prozessbeginn am Landgericht Ulm erklärte. Das Landratsamt habe ihm aus seiner Sicht zu Unrecht die Ausstellung des dafür nötigen Passes verweigert.

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Laut Anklage wollte der Mann am 5. Dezember mit dem Messer beim Landratsamt die Ausweispapiere erzwingen, als ihm die beiden Mädchen beim Verlassen des Hauses zufällig über den Weg liefen. Vor seiner Haustür soll er das Messer aus seinem Rucksack geholt und in die Jacke gesteckt haben, um es im Landratsamt griffbereit zu haben. Er ging demnach davon aus, dass die Schülerinnen das Messer bei ihm gesehen hatten und stach deshalb zu. Es waren reine Zufallsopfer. Man kann tatsächlich sagen, die beiden Mädchen waren an diesem Tag zur falschen Zeit am falschen Ort“, sagt die Staatsanwältin.

Die 14 Jahre alte Schülerin starb an ihren Verletzungen im Krankenhaus, ihre 13 Jahre alte Freundin konnte schwer verletzt fliehen und überlebte. Laut Staatsanwaltschaft wollte der Asylbewerber aus Eritrea mit der Tat verhindern, dass die Kinder die Polizei verständigten und seinen Plan durchkreuzten. „Tatsächlich bemerkten die Mädchen das Messer bei ihm nicht“, so die Staatsanwältin. Die Mädchen waren auf dem Weg zur Schule, als sie angegriffen wurden. Der Angeklagte habe sie erst gegrüßt und dann zugestochen.

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Angeklagt ist er wegen Mordes und versuchten Mordes mit gefährlicher Körperverletzung. Ihm werden die Mordmerkmale der Heimtücke und der Tötung zur Ermöglichung einer Straftat zur Last gelegt. Der Mann wurde kurz nach der Tat in der Gemeinde im Alb-Donau-Kreis festgenommen.

Verteidigerin: Mandant ist mitgenommen

Der erste Tag des Mordprozesses endete anschließend schon wieder. Zu einer Einlassung kam es nicht. Die Möglichkeit, sich zu den Vorwürfen zu äußern, hat der Mann beim nächsten Prozesstag am 13. Juni. Für den Prozess sind insgesamt fünf Verhandlungstage angesetzt. Die Sicherheitsvorkehrungen sind laut einer Gerichtssprecherin für das Verfahren erhöht worden. Ein Urteil könnte am 4. Juli fallen. Dem Angeklagten droht eine lebenslange Haftstrafe.

Der Andrang auf die Zuschauerplätze hielt sich am ersten Prozesstag in Grenzen. Der Prozessstart verzögerte sich wegen eines verspäteten Dolmetschers. Von Anfang an sei am ersten Verhandlungstag nur die Verlesung der Anklage geplant gewesen, sagt eine Gerichtssprecherin. Grund dafür sei, dass ein Verfahrensbeteiligter nicht anwesend sein konnte.

Die Verteidigerin des 27-Jährigen beschrieb ihren Mandanten als deutlich mitgenommen. Seine Stimmung sei gedämpft, sagte die Juristin vor dem Prozessbeginn am Freitag. Bis auf ein kleines Verfahren wegen Fahrens ohne Führerschein sei er strafrechtlich völlig unbelastet. Seit 2015 lebe er in Deutschland, spreche und verstehe Deutsch, sei als Leiharbeiter tätig gewesen und habe keine Leistungen bezogen. Trotzdem habe er noch in der Asylunterkunft in Illerkirchberg „unter nicht so schönen Umständen“ gelebt.

Angeklagter versuchte, sich umzubringen

Dick eingepackt in einer großen Jacke, die Kapuze auf dem Kopf, einen Mund-Nasen-Schutz im Gesicht: So betrat der Angeklagte am Freitag den Gerichtssaal. Während die Staatsanwältin die Anklage verlas und auch danach, blickte der 27-Jährige stets nach unten. Von der Presse wird sie gefragt, ob ihr Mandant Reue zeige. „Er ist sehr introvertiert und hat nach dem Vorfall auch versucht, sich umzubringen. Also ich denke, ein größeres Anzeichen für Reue gibt es eigentlich nicht.“

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Die Tat erschütterte die Menschen in der Region und sorgte bundesweit für Schlagzeilen. Die Familien der beiden Mädchen schlossen sich dem Verfahren als Nebenkläger an. Am ersten Prozesstag waren die Eltern der Getöteten nicht zu sehen.

Der Vater des Mädchens hatte sich bei einem Bürgerdialog mit emotionalen Worten zur Tat geäußert und sich für den Abriss der Flüchtlingsunterkunft ausgesprochen, vor der seine Tochter getötet wurde. Diesen Wunsch erfüllt die Gemeinde. Für Illerkirchberg sei das alles auch ein halbes Jahr später noch ein Alptraum, hatte Illerkirchbergs Bürgermeister Markus Häußler (parteilos) gesagt.

RND/dpa

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