Getötetes Kitakind Greta: Sandra M. streitet alles ab - und berichtet von Missbrauch in Jugend

Im Mordfall Greta (3) hat der Prozess gegen eine angeklagte Kita-Erzieherin begonnen.

Im Mordfall Greta (3) hat der Prozess gegen eine angeklagte Kita-Erzieherin begonnen.

Mönchengladbach. Sie wischt sich eine Träne aus dem Auge, doch als sie vom Richter aufgefordert wird, ihren Lebenslauf zu erzählen, wirkt Sandra M. gefasst und erzählt mit fester Stimme von ihrer Kindheit, Schulzeit und wie sie dann zur Kindergärtnerin wurde. Es ist der zweite Verhandlungstag in dem Prozess am Landgericht Mönchengladbach, in dem der 25-jährigen Erzieherin die heimtückische Tötung des dreijährigen Kitakindes Greta sowie der Missbrauch von Schutzbefohlenen in neun Fällen vorgeworfen wird. Die meisten der Anwesenden erhoffen sich Antworten – denn offene Fragen gibt es viele, und es wurde angekündigt, dass die Angeklagte sich erstmals zu den Vorwürfen äußern will.

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Doch diese Erwartung wird enttäuscht. Felix Menke, der Anwalt der Angeklagten, teilte nur mit: „Die Mandantin bestreitet die Vorwürfe insgesamt.“ Nach der Sichtung eines neuen Gutachtens könnte diese Einlassung an einem der kommenden Verhandlungstage noch ergänzt werden. Ein Spiel mit der Zeit? Die Aussage kommt jedenfalls dem bisherigen Schweigen der Erzieherin fast gleich. Rechtsanwältin Marie Lingnau, die Gretas Mutter als Nebenklägerin vertritt, spricht von einem „sehr unbefriedigenden Tag aus Sicht von Gretas Mama“. Sie hätten sich mehr erhofft.

„Wegen meinem Onkel, der mich missbraucht hat“

Überraschend hingegen ist Sandra M.‘ Aussage, dass sie selbst von ihrem Onkel im Alter von 15 Jahren missbraucht worden sei. Als der Richter sie danach fragt, ob sie mal in psychologischer Behandlung war, bejaht sie letzteres – und bricht bei der vorsichtigen Nachfrage für den Grund dafür in Tränen aus. „Wegen meinem Onkel, der mich missbraucht hat“, sagt sie dann schluchzend. Dann schreiten ihre Anwälte ein – sie sagt nichts mehr zu dem Thema.

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Eine Sachverständige, die Psychiaterin Asiye Temur-Görgülü, kann aber mehr berichten: Die Angeklagte habe ihr erzählt, dass der Onkel sie auf einer Reise im Hotelzimmer, sie war gerade in Unterwäsche, aufs Bett gedrückt und versucht habe, ihr den BH auszuziehen. Dann habe sie sich gewehrt und sei geflüchtet. Erst drei Jahre später habe sie sich einem Freund anvertraut und ihren Eltern davon erzählt. Doch warum kam es nie zu einer Anzeige, hakt der Richter nach. „Wir haben uns dagegen entschieden, weil der Vorfall ja schon länger her war“, so die Angeklagte.

Haben diese Aussagen nun Einfluss auf den Verlauf des Prozesses? Dazu müsse auch das Gutachten einer Psychologin abgewartet werden, mein Staatsanwalt Stefan Lingens. „Stimmt das überhaupt?“, so seine Gegenfrage – Zeugen für den von Sandra M. geschilderten Missbrauch gebe es außer ihr nicht. 2019 täuschte sie eine Straftat in ihrem Heimatort Geldern vor. Eine Ärztin stellte daraufhin fest, dass sie dringend psychologische Hilfe benötige, was die Erzieherin selbst auch bestätigte. Aber die Aufsichtsbehörde wurde von der Staatsanwaltschaft nicht über die psychische Verfassung der Frau informiert. Sie arbeitete weiter mit Kindern.

RND-Schalte: So lief der zweite Prozesstag im Mordfall Greta
17.11.2020, Nordrhein-Westfalen, M���nchengladbach: Die Angeklagte sitzt in einem Gerichtssaal des Landgerichts. Im Mordfall Greta (3) hat der Prozess gegen eine angeklagte Kita-Erzieherin begonnen. Die Erzieherin soll im April 2020 in einer Kita in Viersen am Niederrhein einem kleinen M���dchen w���hrend des Mittagsschlafs den Brustkorb bis zum Atemstillstand zusammengedr���ckt haben. Die Angeklagte soll in mehreren Einrichtungen immer wieder anvertrauten Kindern den Brustkorb fest zusammengepresst und sie damit in Lebensgefahr gebracht haben. Foto: Rolf Vennenbernd/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Im Mordfall Greta hat die Angeklagte über ihre Anwälte eine Erklärung abgeben lassen. RND-Reporterin Hannah Scheiwe berichtet vor Ort vom zweiten Prozesstag.

Warum musste Greta sterben?

Das fehlende Geständnis ändert jedoch nichts an der Beweislage gegen die Angeklagte, meint Staatsanwalt Lingens. „Im Fall Greta haben wir durch die Rechtsmedizin erfahren, dass sie durch Fremdeinwirkung gestorben ist“, sagt er. Sowohl bei der Dreijährigen als auch bei den anderen Kindern, die Sandra M. in vorherigen Kitas attackiert haben soll, sei es immer in Mittagsschlaf- oder Wickelsituationen zu den Notfällen gekommen. „Und nach Dokumentationen und Zeugenaussagen bleibt immer nur die Angeklagte über“, so Lingens.

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Die Beweislast scheint erdrückend, Antworten fehlen trotzdem. Warum musste Greta sterben? Warum andere Kinder leiden? Warum arbeitete die Frau überhaupt als Kindergärtnerin – wurde ihr doch schon in ihrem Anerkennungsjahr eine Unfähigkeit bescheint? Letzteres versuchte der Vorsitzende Richter mit Nachfragen zu den Arbeitsverhältnissen irgendwie anzukratzen, doch Sandra M. lässt sich darauf nicht ein. Sie berichtet von Uneinigkeit mit Kollegen über Dokumentationen und zu viel Schreibarbeit in einzelnen Kitas, die ihr nicht gefallen habe – nie aber von schwierigen Situationen mit Kindern.

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