Mord an 15-jähriger Mia – Lange Haftstrafe für ehemaligen Freund
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Maximilian Endler, Anwalt des Angeklagten im Mordfall Mia, steht vor dem Landgericht zwischen den Journalisten.Foto: Andreas Arnold/dpa
Kandel/Landau. Rund acht Monate nach dem tödlichen Messerangriff auf die 15-jährige Mia in Kandel ist ihr Ex-Freund wegen Mordes verurteilt worden. Die Richter verhängten am Montag acht Jahre und sechs Monate Haft nach Jugendstrafrecht gegen den mutmaßlich aus Afghanistan stammenden Abdul D., wie das Landgericht Landau im Anschluss an die Urteilsverkündung hinter verschlossenen Türen mitteilte.
Anwalt: „Das Urteil ist angemessen“
Der Anwalt von Abdul D., Maximilian Endler, sagte nach der Entscheidung: „Mein Mandant verzichtet auf Rechtsmittel und ist mit dem Strafmaß einverstanden“. Das Urteil sei „angemessen“. Ob auch andere Prozessbeteiligte den Richterspruch akzeptieren, wisse er nicht. Er rechne damit, dass sein Mandant nach der Verbüßung eines Teils der Strafe abgeschoben werde, sagte Endler. In seinem letzten Wort habe Abdul D. noch einmal Reue bekundet. Das Urteil habe der Angeklagte gefasst aufgenommen.
Staatsanwaltschaft und Nebenklage forderte zehn Jahre
Die Staatsanwaltschaft und die Nebenkläger hatten zuvor eine Freiheitsstrafe von zehn Jahren gefordert, die Verteidigung sieben Jahre und sechs Monate wegen Totschlags.
Die Tat kurz nach Weihnachten 2017 mitten in einem Drogeriemarkt der kleinen Stadt in der Pfalz hatte bundesweit für großes Entsetzen gesorgt. Der Fall fachte außerdem die Diskussion um die Altersfeststellung von jungen Flüchtlingen neu an. Rechtspopulistische Gruppen hatten den Fall zum Anlass genommen, um in Kandel immer wieder gegen die Asylpolitik der Bundesregierung zu protestieren. Am Montag blieb es sowohl in Kandel als auch in Landau zunächst ruhig. Ein Mann protestierte vor dem Gericht in Landau mit einem Plakat gegen das seiner Meinung nach zu milde Urteil.
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Das Interesse an dem Prozess ist groß. Pressevertreter vor dem Landgericht.
© Quelle: Andreas Arnold/dpa
Abdul D. war nach seiner Ankunft in Deutschland als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling aufgenommen und betreut worden. Er gab sein Alter zunächst mit 15 Jahren an. Nach der Tat kamen Zweifel auf, ob er tatsächlich so jung ist. Ein Gutachten im Auftrag der Staatsanwaltschaft kam zu dem Ergebnis, dass er zum Zeitpunkt der Tat mindestens 17 Jahre und sechs Monate alt war, wahrscheinlich aber schon 20 Jahre alt war. Verurteilt wurde er nun nach Jugendstrafrecht, wie ein Gerichtssprecher sagte. Seine Verurteilung auch wegen Körperverletzung bezieht sich auf Schläge gegen einen Freund Mias.
Jugendstrafrecht – im Zweifel für den Angeklagten
Das Landgericht Landau entschied sich dafür, im Zweifel für den Angeklagten den gesamten Prozess nach Jugendstrafrecht zu führen. Die Öffentlichkeit war daher von der Urteilsverkündung wie auch von den Verhandlungstagen zuvor ausgeschlossen.
Als Motiv für die Tat hatte die Staatsanwaltschaft Eifersucht und Rache angenommen. Sie ging davon aus, dass Abdul D. Mia bestrafen wollte, weil sie sich wenige Wochen vor der Tat von ihm getrennt hatte. Zwölf Tage vor der Tat hatte Mia zudem Anzeige gegen ihren Ex-Freund erstattet, es ging um Beleidigung, Nötigung, Bedrohung und Verletzung persönlicher Rechte. Zwei Tage später folgte eine Anzeige ihres Vaters gegen den jungen Flüchtling.
Bürgermeister rechnet mit weiteren Kundgebungen
Der Bürgermeister des pfälzischen Kandel rechnet auch für die Zeit nach dem Urteil mit Kundgebungen in der Stadt. Kandel komme nicht zur Ruhe, sagte der SPD-Politiker Volker Poß im Radioprogramm "SWR Aktuell". "Die rechte Szene hatte angekündigt, nach wie vor kommen zu wollen und auch schon Termine für das nächste Jahr in Anspruch genommen." Der Verbandsgemeindebürgermeister sagte weiter: "Letztendlich ist es so, dass man am Ende des Tages hier sitzt und Entscheidungen treffen muss und auch den ganzen Hass, die ganze Häme und die ganzen Diffamierungen für sich ganz persönlich erdulden muss."
Staatsanwaltschaft: Eifersucht und Rache sind das Motiv
Als Motiv für die Tat hatte die Staatsanwaltschaft Eifersucht und Rache angenommen. Sie ging davon aus, dass Abdul D. Mia bestrafen wollte, weil sie sich wenige Wochen vor der Tat von ihm getrennt hatte. Zwölf Tage vor der Tat hatte Mia zudem Anzeige gegen ihren Ex-Freund erstattet, es ging um Beleidigung, Nötigung, Bedrohung und Verletzung persönlicher Rechte. Zwei Tage später folgte eine Anzeige ihres Vaters gegen den jungen Flüchtling.
Vorwurf der „Kuscheljustiz“ sei falsch
Am Rande der Verhandlung waren wiederholt Forderungen nach einer Verschärfung des Jugendstrafrechts laut geworden. Rechtsexperten wie die Anwältin Jenny Lederer weisen dies aber zurück. „Solche Forderungen mögen sich alltagspsychologisch bei aufwühlenden Prozessen erklären lassen“, sagte sie. Der oft geäußerte Vorwurf einer angeblichen „Kuscheljustiz“ der Gerichte bei Minderjährigen und Heranwachsenden sei aber falsch.
„Forderungen nach höheren Strafen helfen nicht“
„Mit Blick auf das Kernstück des Jugendstrafrechtes – den Erziehungsgedanken – helfen Forderungen nach höheren Strafen nicht weiter. Man darf nicht aus dem Blick verlieren, dass sich junge Menschen – auch über das 21. Lebensjahr hinaus – in einer Entwicklungsphase befinden“, sagte Lederer, Mitglied des Strafrechtsausschusses des Deutschen Anwaltvereins. Schon die Höchstgrenzen von 10 Jahren beziehungsweise 15 Jahren seien gravierende Sanktionsmöglichkeiten, die mit diesem Gedanken nicht vereinbar seien und von denen nur restriktiv Gebrauch zu machen sei.
Von RND/dpa