Messerattacke von Würzburg: Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Prozessbeginn
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Blumen und Kerzen stehen vor einem abgesperrten Kaufhaus in Würzburg, in dem ein Mann Menschen mit einem Messer attackiert hatte.
© Quelle: Karl-Josef Hildenbrand/dpa
Würzburg. Etwa zehn Monate sind vergangen, seit ein Mann in Würzburg schier wahllos Menschen mit einem Messer attackierte. Drei Frauen wurden aus dem Leben gerissen, neun weitere verletzt. An diesem Freitag soll der Prozess gegen den wohl psychisch kranken Täter beginnen. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Wer ist der Beschuldigte?
Der Somalier wurde 2015 in Deutschland erstmals registriert. Seither war er mehrmals wegen psychischer Probleme aufgefallen und polizeibekannt. Vor der Tat im vergangenen Juni hatten die Behörden nach eigenen Angaben aber keine Hinweise darauf, dass der Mann andere Menschen gefährden könnte. Zuletzt wohnte der mutmaßlich 33-Jährige in einer Obdachlosenunterkunft in Würzburg. Der Somalier lebte legal in Deutschland und genoss sogenannten subsidiären Schutz - er durfte nicht in das afrikanische Land abgeschoben werden.
Das Alter des Flüchtlings ist unklar. Wie viele Migranten aus Bürgerkriegsländern kam er offenbar ohne Pass. Kurz nach der Tat waren die Ermittler davon ausgegangen, dass er 24 Jahre alt ist, weil er bei seiner Einreise nach Deutschland 1997 als Geburtsjahr angegeben hatte. Bei einer ärztlichen Untersuchung im Juli 2021 sprach der Mann den Ermittlern zufolge dann von 1989 als Geburtsjahr - und das halten sie auch für plausibel.
Warum findet der Prozess in Würzburg statt?
Einen Tag nach der Tat am 25. Juni 2021 übernahm die Generalstaatsanwaltschaft München die Ermittlungen. Die Übergabe an die übergeordneten Behörden sei erfolgt, weil es sich nach damaliger Einschätzung um eine Amoklage gehandelt habe, erklärte Würzburgs Leitender Oberstaatsanwalt Frank Gosselke. Zudem gab es Indizien auf einen islamistischen Anschlag. Später verdichteten sich jedoch die Hinweise, dass der Somalier womöglich psychisch krank ist - daher findet das Verfahren nun am Landgericht Würzburg statt. Der im Freistaat Bayern für Terrorverbrechen zuständige Staatsschutzsenat am Münchner Oberlandesgericht ist in diesem Fall nicht zuständig.
Wieso scheidet als Verhandlungsort das Würzburger Justizzentrum aus?
Der größte Saal des Justizzentrums, C017, ist schlichtweg zu klein, um coronakonform verhandeln zu können. Die drei Berufsrichter der Ersten Großen Strafkammer als Schwurgericht werden daher für die Verhandlung außer Haus sein - unter anderem in den Mainfrankensälen im nahen Veitshöchheim sowie einer Veranstaltungshalle in Würzburg und einer Halle in Estenfeld im Landkreis Würzburg.
Ergänzungsberufsrichter wird es nicht geben, aber Ergänzungsschöffen, die einspringen, falls ein Richter ausfällt. Das soll sicherstellen, dass der Prozess nicht verzögert wird.
Warum gibt es keine Anklage, sondern eine Antragsschrift? Und was steht darin?
55 Aktenordner hatte die Strafkammer durchzusehen, um sich einen Überblick über die Tat zu verschaffen. Die Antragsschrift auf das sogenannte Sicherungsverfahren und damit die Unterbringung in einer Psychiatrie ist 37 Seiten stark. Darin legt die Generalstaatsanwaltschaft dar, dass der 33-Jährige bei der Messerattacke wohl schuldunfähig war. Er hat Gutachtern zufolge paranoide Schizophrenie.
Was ist ein Sicherungsverfahren?
Bei einem Sicherungsverfahren geht es um die zeitlich unbegrenzte Unterbringung eines Beschuldigten in einer geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses. Auch wenn es keine Anklage wie in einem normalen Strafverfahren gibt, wird solch ein Fall vor Gericht verhandelt. Der Beschuldigte bleibt bei diesem Vorgehen Beschuldigter und wird nicht Angeklagter genannt.
Dem Täter - die Messerattacke des Mannes gilt aufgrund der Beweislage als erwiesen - wird unter anderem Mord in drei Fällen sowie versuchter Mord in elf Fällen vorgeworfen.
Was bedeutet das?
Im Strafgesetzbuch heißt es unter Paragraf 211: „1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft. 2) Mörder ist, wer aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen, heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken, einen Menschen tötet.“
Allerdings geht die Generalstaatsanwaltschaft davon aus, dass der Täter zur Tatzeit schuldunfähig war. Damit kommt ein Urteil nach Paragraf 63 Strafgesetzbuch (Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus) infrage. Dann käme der Flüchtling nach Gerichtsangaben in einer Psychiatrie unter - womöglich lebenslang.
Externe Gutachter untersuchen einen in der forensischen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses untergebrachten Verurteilten in regelmäßigen Abständen. Solange die Erkrankung des Mannes fortbesteht und er als gefährlich eingestuft wird, ist eine Freilassung ausgeschlossen.
Wer sind die Nebenkläger und wie sehen deren Rechte aus?
Als Nebenkläger treten vor allem Hinterbliebene der Opfer und Geschädigte auf. 13 Nebenkläger sind nach Gerichtsangaben zugelassen, sie werden von sechs Anwälten vertreten. Sie alle können sich aktiv ins Verfahren einbringen, Fragen und Anträge stellen.
Wie viele Verhandlungstage gibt es?
Für den Prozess hat das Gericht mit den Verfahrensbeteiligten 27 Termine für die Hauptverhandlung abgestimmt - und zwar bis zum 23. September. Wegen der unklaren Pandemiesituation und weiteren möglichen Unwägbarkeiten der Hauptverhandlung könnten weitere Tage hinzukommen. Das Verfahren dürfte sich auch deshalb hinziehen, weil dem Beschuldigten ein Dolmetscher zur Seite stehen wird, damit der Mann dem Prozess auch folgen kann.
Gibt es eigentlich noch Ermittlungen gegen weitere Personen?
Nein. Die Täterschaft des Migranten gilt praktisch als erwiesen. Hinweise auf Mittäter haben die Ermittler nach eigenen Angaben nicht.
RND/dpa