Stilles Gedenken in der Kirche – und ein Zwischenfall
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/C6JVEDRT2ZBLDMUB52RW2T3UXE.jpg)
Bundeskanzler Olaf Scholz, Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher und der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther saßen beim Trauergottesdienst in der ersten Reihe.
© Quelle: Marcus Brandt, dpa
Neumünster. Der Bundeskanzler kam als letzter Gast. Um 13.55 Uhr wurde Olaf Scholz am Sonntag in einer schwarzen Limousine direkt vor der Tür der Vicelinkirche in Neumünster abgesetzt. Alle anderen Politiker und hohen Gäste des ökomenischen Gedenkgottesdienstes für die Opfer des Messerangriffs von Brokstedt mussten ihre Limousinen auf dem Kleinflecken halten lassen und die letzten 100 Meter zu Fuß gehen.
Scholz stieg im schwarzen Anzug und mit versteinerter Miene aus und wurde vor der Kirche von dem katholischen Erzbischof Stefan Heße sowie den evangelischen Bischöfen Gothart Magaard und Kristina Kühnbaum-Schmidt begrüßt und auf seinen Platz in der ersten Reihe der Kirche geleitet.
In Neumünster sprach der Bundeskanzler weder in der Kirche – noch gab er vor dem großen Medienaufgebot eine Stellungnahme ab. Am Vormittag hatte er sich aber kurz beim Landesparteitag der SPD in Husum geäußert. „Wir werden niemals akzeptieren, dass so etwas in unserem Land geschieht“, sagte Scholz. Zwei junge Leute seien unschuldige Opfer einer völlig verrückten Tat geworden.
Zwischenfall bei Trauerfeier in Neumünster
Während der gut 90-minütigen Trauerfeier in Neumünster kam es zu einem Zwischenfall. Nach einer Zeremonie, bei der sieben Kerzen vor dem Altar aufgestellt wurden, trat plötzlich ein Mann von der Empore, ging mit ruhigem Schritt auf den schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Daniel Günther zu und sprach ihn an.
Dann wandte er sich an den neben Günther sitzenden Hamburger Regierungschef und Ersten Bürgermeister Peter Tschentscher und stand dann direkt vor Olaf Scholz. Alle drei Politiker schüttelten den Kopf, zeigten aber ansonsten keine Regung. Der Mann ging dann ganz ruhig durch den Mittelgang der Kirche nach hinten und zog zwei Protestschilder hervor, die er in die Höhe hielt.
Erst als er schon fast das ganze Kirchenschiff durchschritten hatte, nahmen ihn Vicelin-Pastorin Simone Bremer und ein Ordner in die Mitte und geleiteten ihn hinaus. Zehn Minuten später wiederholte sich das Spektakel mit einer Frau; auch sie konnte mit ihren Schildern durch die ganze Kirche marschieren, bevor sie hinausgebracht wurde. Die zahlreichen Sicherheits-Männer und Frauen mit den Knöpfen in den Ohren reagierten nicht.
An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von Spotify Ltd., der den Artikel ergänzt. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen.
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unseren Datenschutzhinweisen.
Polizei durchsuchte die Vicelinkirche Neumünster mit Hunden
Gleich nach dem Sonntagsgottesdienst um 10 Uhr hatte das Bundeskriminalamt (BKA) die altehrwürdige Vicelinkirche (Baujahr 1834) übernommen und mit Hunden nach Sprengstoffen und anderen Gegenständen durchsucht. Gefunden wurde nichts.
Zu der Gedenkfeier hatten das Erzbistum Hamburg und die Nordkirche gemeinsam eingeladen. Federführend war die Bischofskanzlei in Schleswig. Vor einer Woche hatte es bereits einen Gottesdienst in Brokstedt gegeben, bei dem 350 Menschen der Opfer gedachten.
Brokstedt: Mutmaßlicher Messerstecher schwieg beim Haftrichter
Nach der Messerattacke in einem Regionalzug bei Brokstedt in Schleswig-Holstein hat der mutmaßliche Täter beim Haftrichter keine Aussagen zur Sache gemacht.
© Quelle: dpa
Eröffnet wurde die Gedenkfeier mit Musik von Mendelssohn-Bartholdy, auf der Orgel gespielt von Vicelin-Kantor Karsten Lüdtke. Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt begrüßte die Gäste. Nach einem Gebet, einem Klage-Psalm und der Lesung eines Bibelverses predigte Bischof Gothart Magaard.
Dann sang die Gemeinde das Lied „Ich steh vor dir mit leeren Händen“. Erzbischof Stefan Heße leitete eine Lichterzeremonie, gefolgt von stillem Gedenken, Friedenswunsch, einer Orgelimprovisation, Fürbitten und dem Vaterunser. Nach dem Lied „Bewahre uns Gott“, dem Segen und weiterer Musik wurde die Gedenkstunde beendet. Weder der Bundeskanzler noch der Ministerpräsident ergriffen das Wort.