Staatsanwalt in Tränen – die irre Wendung in Spaniens spektakulärstem Korruptionsprozess
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Der besonders bei deutschen Mallorca-Touristen beliebte Megapark (Symbolbild).
© Quelle: imago images/Eibner
Madrid. Der Staatsanwalt machte ein ernstes Gesicht. Sein Plädoyer, sagte der Anklagevertreter vergangene Woche, als am Provinzgericht der Balearen in Palma de Mallorca einer der spektakulärsten spanischen Korruptionsprozesse der jüngsten Zeit zu Ende ging, solle nicht nur erklären, warum er seine Beschuldigungen zurückgezogen habe. Sondern er wolle auch vor den Angeklagten eingestehen, „dass ihnen Unrecht geschehen ist“.
Die letzten Worte waren kaum noch zu hören. Dem Staatsanwalt brach die Stimme. Die Angeklagten und ihre Anwälte brauchten einen Moment, um zu begreifen, was sie gerade gehört hatten. Dann klatschten sie Beifall. Ein seltener Moment in einem Gerichtssaal.
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© Quelle: dpa
Ein zusammengebrochener Fall
Es war ein Fall mit den Ingredienzien einer Fernsehserie. Ein König der Nacht – Bartolomé Cursach, Betreiber unter anderem des besonders bei Deutschen beliebten Megaparks an der Playa de Palma –, der seine Konkurrenz mithilfe von Polizisten und Lokalpolitikern kleinzuhalten versuchte und der diese Polizisten und Politiker zur Belohnung auf Sex- und Drogenpartys einlud. Dazu ein Tötungsdelikt: Ein Ex-Mitarbeiter sei mit einer Überdosis Drogen zu Tode gebracht worden, um auf diese Weise einen Fall von Kindesmissbrauch unter der Decke zu halten.
Cursach wanderte für mehr als ein Jahr als Untersuchungshäftling ins Gefängnis. Mehr als 40 Beschuldigte teilten sein Schicksal mindestens zeitweise, gegen insgesamt 23 wurde Anklage erhoben. Bis auf zwei Polizisten sind jetzt alle freigesprochen worden. Der Fall, der die Mallorquiner Justiz mehr als neun Jahre beschäftigte, ist in sich zusammengebrochen. Stattdessen wird gegen die Ermittelnden ermittelt.
Aus Ermittelnden werden Angeklagte
Der Chefredakteur der deutschsprachigen „Mallorca Zeitung“ fragt sich in einem Kommentar: „Kann es wirklich sein, dass an all dem, worüber auch in dieser Zeitung über Jahre hinweg berichtet wurde, nichts dran war?“ Die Frage stellen sich viele. Einer der Angeklagten, Tolo Sbert, ein enger Mitarbeiter Cursachs, sagte: „Für die Menschen da draußen werden wir für immer die Mafia sein.“
Dass ein ganzer Trupp von Ermittelnden jahrelang bestenfalls dünne und manchmal auch fabrizierte Beweise gegen die Beschuldigten gesammelt haben soll, ist schwer zu verdauen. Auf Mallorca habe es ein polizeiliches Erpressungsnetzwerk gegeben, „das sich auf Dauer im Verbrechen eingerichtet hatte“, schrieben die Ankläger.
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Jetzt sind sie selbst die Beklagten. Sechs von ihnen, einen ehemaligen Untersuchungsrichter, einen ehemaligen Staatsanwalt und vier Polizisten, erwartet demnächst ein Prozess unter anderem wegen Falschaussage, Nötigung, Behinderung der Justiz und Offenlegung von Geheimnissen. Vielleicht kommt noch Freiheitsberaubung hinzu.
„Die Unbestechlichen“
Von den Verdächtigungen gegen Cursach und dessen Mitangeklagte war im Laufe des Verfahrens nichts übrig geblieben. Die Zeugin Nummer 31 stellte sich als „Madame“ vor, die den Beschuldigten Prostituierte zugeführt haben wollte, ohne dass sie dafür Belege beibringen konnte. Zeuge Nummer 13 berichtete von wöchentlichen Schutzgeldzahlungen über 500 Euro und versprach, Buchführungsgeheimnisse der Cursach-Gruppe lüften zu können, was er nie tat. Eine Polizeiexpertin für Geldwäsche plagten ausgiebige Erinnerungslücken.
Die Ermittelnden waren offenbar vom Ehrgeiz getrieben. In einer Whatsapp-Gruppe nannten sie sich „Die Unbestechlichen“. Als sich aus ersten Verdachtsmomenten keine solide Anklage bauen ließ, hätten sie „die Flucht nach vorne“ angetreten, glaubt einer der ursprünglich Beschuldigten. Ob diese Darstellung der Ereignisse stimmt – oder ob auch die Klage gegen die Kläger in sich zusammenbrechen wird –, muss sich im kommenden Prozess gegen die Cursach-Ermittler zeigen.