Eine große Portion Hilfe: Wie Köche in der Ukraine täglich Hunderte mit Essen versorgen
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Große Hilfsaktion in acht Städten: Ukrainische Köche versorgen Hunderte mitten im Krieg mit warmen Mahlzeiten.
© Quelle: Association of Head Chiefs Ukraine
Igor Bragin sitzt in einem hellen, sonnendurchfluteten Zimmer, als er den Videoanruf entgegennimmt. Der 45-Jährige redet ruhig, wirkt entspannt – und das, obwohl er erst vor wenigen Wochen aus seiner Heimatstadt Kiew in die Westukraine geflohen ist. Der Krieg hat ihn aus dem Ort vertrieben, an dem er zu einem der bekanntesten Köche seines Landes geworden ist. Und nun, so erzählt Bragin, nutzt er sein großes Netzwerk, um diejenigen mit Essen zu versorgen, die im Kriegsgebiet leben, teilweise auf der Flucht sind. In acht Städten, darunter in Kiew, Charkiw, Lwiw und Krywyj Rih, der Heimatstadt des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, bereiten Köchinnen und Köche mithilfe vieler Freiwilliger warme Mahlzeiten für Frauen, Kinder oder Geflüchtete zu.
„Die Aktion startete, als die Köche selbst in Sicherheit waren – zunächst handelte jeder für sich.“ Das habe sich nach kurzer Zeit geändert. „Alle arbeiten zusammen, und wir schauen, wie wir das Essen und die Nahrungsmittel nun sinnvoll verteilen“, sagt Bragin, der die Initiative mittlerweile federführend organisiert. Anfangs wurden 50 Portionen pro Tag gekocht, „mittlerweile werden bis zu 700 Essen täglich in einer Stadt zubereitet“, berichtet er.
Die Aktion kam nicht zufällig zustande. Dahinter steht der von Bragin gegründete „Verband der Köche der Ukraine“ mit rund 1000 Mitgliedern. Er entstand vor 15 Jahren und war als Austausch über ukrainische Kulinarik gedacht. Damals, vor dem Krieg.
Große Hilfsaktion in der Ukraine: Köche versorgen Betroffene im Krieg mit Essen
Eine Initiative ukrainischer Köche versorgt täglich Hunderte Betroffene des russischen Angriffskrieges mit Essen – doch die Ressourcen werden knapp.
© Quelle: Roman Gerth/RND
Als dieser begonnen hat, haben die Restaurants im Land nach und nach ihren Betrieb eingestellt. Die verwaisten, aber gut ausgestatteten Küchen werden nun für das Hilfsprojekt genutzt. Die Menschen holen das gekochte Essen direkt ab, mancherorts gibt es Freiwillige, die bei der Verteilung helfen.
„Wir versuchen, von Tag zu Tag zu überleben“
Die Zutaten für die Gerichte stellen verschiedene Hilfsorganisationen zur Verfügung, von privaten Spenden werden Lebensmittel gekauft. Sie kommen zu großen Teilen aus Polen über die Grenze. Doch nach Wochen des Krieges wird die Nahrungsmittelknappheit zunehmend zum Problem. „Die Lage ändert sich fast täglich. Wir versuchen, von Tag zu Tag zu überleben“, sagt Bragin.
Mittlerweile werden auch die finanziellen Mittel knapp. Deshalb versucht der Küchenmeister über sein Netzwerk in Europa, um Unterstützung zu werben. Ein enger Freund, der mit ihm von Kiew in die Westukraine geflohen ist, hat einen Sohn, der in Lüneburg lebt. Durch diesen Kontakt hat sich der Hilfsappell auch hierzulande verbreitet. Da hilft es auch, dass die Initiative eine eigene Homepage betreibt – mit Informationen und Kontaktdaten.
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Igor Bragin (45) koordiniert die Hilfsaktion der ukrainischen Köche, hinter der eine von ihm gegründete Initiative steht.
© Quelle: Association of Head Chiefs Ukraine
Damit weiter gekocht werden kann, gibt es den dringenden Bedarf „nach mehr Freiwilligen, nach mehr Nahrungsmitteln, nach mehr finanzieller Unterstützung. Die Transportkosten, der logistische Aufwand und die Nebenkosten in den Restaurants sind hoch“, sagt Igor Bragin.
„Die Bevölkerung hat sich an die schrecklichen Zustände gewöhnt, an die Gefahr, die Tag für Tag herrscht. In einer normalen Welt ist das kaum vorstellbar“, sagt der 45-Jährige. Was das Projekt angeht, betont er, stehe die Sicherheit der Köchinnen und Köchen – trotz aller Hilfsbereitschaft – an erster Stelle.
Doch was ist in einem Kriegsgebiet schon sicher? „Wenn wir die Nachrichten sehen, wissen wir, was passieren kann. An jeder Stelle, in jeder Stadt, in jedem Restaurant kann eine Bombe oder Rakete einschlagen. Jede Minute kann sich alles ändern.“ Und dennoch – die Solidarität unter den Köchen lasse nicht nach. Eine Freude für Igor Bragin in ganz und gar unerfreulichen Zeiten.