Kampf um 2-Millionen-Euro-Spritze: Kleinkind Frida rennt die Zeit davon

Die kleine Frida aus Liebenwalde mit Mama Anne.

Die kleine Frida aus Liebenwalde mit Mama Anne.

Liebenwalde. Vergnügt quietscht die kleine Frida auf dem Schoß von Mama Anne. Mit neugierigen Augen schaut die knapp Zweijährige in die Welt, beobachtet aufmerksam, was um sie herum geschieht. Erst auf den zweiten Blick ist zu sehen, dass das Mädchen unter einer schweren Muskelerkrankung leidet. Es ist einer von geschätzt 5000 Menschen in Deutschland, die von spinaler Muskelatrophie (SMA) betroffen sind.

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Frida kann nicht allein sitzen, geschweige denn laufen und so gut wie nicht sprechen. Ernährt wird sie über eine Magensonde, nachts muss sie beatmet werden. Und doch ist sie nur körperlich eingeschränkt. „Geistig ist sie völlig fit und manchmal auch eine richtig kleine Zicke“, verrät ihre Mama lachend.

Sechs Wochen nach der Geburt kommt die erschütternde Diagnose

Ihre Schwangerschaft und Geburt seien völlig normal verlaufen, erzählt Anne W. der „Märkischen Allgemeinen Zeitung“ (MAZ). „Es gab keinerlei Anzeichen, dass mit Frida etwas nicht stimmt“, erinnert sie sich an den 20. Februar 2018, Fridas Geburtstag. Für ihre Eltern – Papa Paul ist Landwirt, Mama Anne Köchin – und auch die Großeltern, die gemeinsam unter einem Dach am Rande Liebenwaldes leben, ist es das erste Kind, das erste Enkelkind.

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„Frida war in den ersten Wochen oft schläfrig, hat sich kaum bewegt. Sorgen haben wir uns aber darüber nicht gemacht“, erzählt Anne W. Alarm schlug sechs Wochen nach der Geburt jedoch die Kinderärztin. „Ihr fiel auf, dass Frida den Kopf nicht richtig hochzog, sie sich nicht richtig bewegte.“ Nach einer Überweisung ans sozialpädiatrische Zentrum Neuruppin wurde dort die schreckliche Diagnose SMA gestellt. „Für uns ein absoluter Schock. Ich habe nur noch geweint“, erinnert sich Anne W. an den schicksalsträchtigen Tag. „Es hieß zunächst, mit der Diagnose sei keine Lebenserwartung für Frida möglich. Die meisten SMA-Kinder sterben in den ersten beiden Lebensjahren, meist an Atemproblemen oder Infektionen“, sagt Papa Paul S.

Risikoreiche und kostspielige Behandlung in der Berliner Charité

Für den 30-Jährigen ist es nicht der erste Schicksalsschlag. Er verlor vor 15 Jahren seinen Bruder bei einem tödlichen Verkehrsunfall. Nun kämpft der Liebenwalder für seine kleine Tochter. „Trotz der dramatischen Situation hatten wir Glück, dass es 2018 seit kurzer Zeit erstmals ein Medikament zur Behandlung von SMA gab“, erinnert er sich. Zuvor habe es keinerlei Behandlungsmöglichkeiten für die spinale Muskelatrophie gegeben.

Für Frida ging es dann Schlag auf Schlag. Wenige Tage nach der Diagnose erhielt sie am 2. Mai 2018 mit zweieinhalb Monaten erstmals eine Ampulle Nusinersen gespritzt. „Für uns ein echtes Wundermittel“, erzählt der Vater. „Sie hat das Medikament sehr gut vertragen. Das ist nicht selbstverständlich, viele Betroffene leiden an starken Nebenwirkungen. Wir aber konnten bei Frida fast wöchentlich Fortschritte erkennen.“

Alle vier Monate muss sich seine Tochter seitdem der gefährlichen und auch enorm kostspieligen Spritzenprozedur (die Zwölf-Milligramm-Ampulle des Wirkstoffs kostet 90.000 Euro) in der Berliner Charité unterziehen. „Das ist jedes Mal mit viel Risiko verbunden, da die Spritze im Rücken gesetzt wird“, sagt Paul S. Der Wirkstoff sorgt dafür, dass für die Nervenbahnen überlebenswichtiges Eiweiß produziert wird und der Krankheitsfortschritt so verzögert wird.

Hoffnung auf neues Medikament von Novartis

Nicht ohne Grund setzen die jungen Eltern nun große Hoffnung auf das neu entwickelte Medikament Zolgensma des Schweizer Pharmaunternehmen Novartis. Das soll mit einer einzigen Injektion den Muskelschwund auf Dauer bremsen. Es gilt als eines der teuersten Medikamente der Welt: Eine Spritze kostet rund 2 Millionen Euro. Novartis hatte vor wenigen Tagen mit einer umstrittenen Aktion Aufsehen erregt, bei der das Unternehmen eine Behandlung mit Zolgensma für 100 Kinder verloste. „Das ist ein absolutes Unding. Solch ein Medikament sollte für jeden Erkrankten zur Verfügung stehen“, sind Fridas Eltern von dieser Aktion entsetzt.

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In den USA seit Mai 2019 zugelassen, wird in Europa die Zulassung des Medikaments noch von der Europäischen Arzneimittelagentur geprüft. Mit dramatischen Folgen für Frida: Ihr rennt die Zeit davon. Denn Zolgensma „darf nur in den ersten zwei Lebensjahren angewendet werden“, sagt Anne W. Am 20. Februar wird Frida zwei Jahre alt. Eigentlich für die kleine Familie ein Riesentag zum Feiern, die nun jedoch verzweifelt versucht, Hilfe für ihre Tochter zu finden. Einen Eilantrag vom 9. Januar für das Medikament lehnte die DAK-Krankenkasse Anfang Februar ab. Wie die Familie am Donnerstagabend mitteilte, lehnte die DAK-Krankenkasse den Widerspruch gegen den Erstbescheid der Ablehnung ebenfalls ab. Fridas Eltern haben einen Anwalt eingeschaltet, der gegen die Entscheidung der Krankenkasse nun juristisch vorgehen soll. „Wir kämpfen bis zur letzten Minute, aber diese Situation raubt uns regelrecht den Atem“, sagen Fridas Eltern verzweifelt.

Nadine Bieneck/MAZ/RND

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