Ungewöhnlicher Plan

Indonesien will eine neue Hauptstadt bauen - und das Milliardenprojekt durch Crowdfunding finanzieren

Blick auf die Skyline von Jakarta.

Blick auf die Skyline von Jakarta.

Jakarta. Staus auf den Straßen, Smog und Müll, der Flüsse und Kanäle verstopft, machen das Leben in der indonesischen Hauptstadt Jakarta alles andere als einfach. Zudem ist die Millionenstadt erdbebengefährdet und auch Trinkwasser ist keine Selbstverständlichkeit. Außerdem ist Indonesiens bisherige Hauptstadt dem Untergang geweiht: Manche Gebäude sacken hier jährlich bis zu 25 Zentimeter ab. Mehr als die Hälfte der Stadt liegt schon heute unterhalb des Meeresspiegels, bis 2030 sollen es 80 Prozent sein.

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Setzt der Monsunregen ein, stehen ganze Stadtviertel der südostasiatischen Metropole unter Wasser: Eine der schlimmsten Überschwemmungen erlebte die Stadt 2007, als rund 70.000 Häuser überflutet wurden und 80 Menschen starben. Selbst die gigantische Seemauer, die die Stadt seit Oktober 2014 baut, wird wohl nicht verhindern, dass manche Wohngebiete permanent überschwemmt werden.

Strategisch gute Lage

Indonesiens Regierung verfolgt deswegen seit mehreren Jahren den Plan, eine neue Hauptstadt zu bauen und rund 1,5 Millionen der elf Millionen Einwohner Jakartas umzusiedeln. Die neue Stadt namens Nusantara soll in einer einsamen Provinz von Ostkalimantan auf Borneo gebaut werden. Die Region wird selten von Naturkatastrophen heimgesucht und durch die Nähe zu den Städten Balikpapan und Samarinda existiert eine relativ vollständige Infrastruktur. „Es ist eine strategische Lage im Zentrum Indonesiens, in der Nähe wachsender städtischer Gebiete“, pries der indonesische Präsident Joko Widodo den Standort einst.

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Doch bisher steht die Finanzierung des neuen, 32 Milliarden US-Dollar teuren Projekts auf wackeligen Beinen. Nur etwa 20 Prozent der geschätzten Kosten sollen laut eines Berichts des Senders Al Jazeera aus der indonesischen Staatskasse bezahlt werden – der Rest soll vom Privatsektor oder von anderen Regierungen abgedeckt werden. So soll sich die Regierung des südostasiatischen Inselstaates um Investitionen aus dem Nahen Osten bemüht haben.

Finanzierung auf wackeligen Beinen

Einer der Hauptinvestoren aus dem Privatsektor war bis vor Kurzem der japanische Techinvestor Softbank. Doch dessen Gründer Masayoshi Son schob der Investition Anfang März einen Riegel vor. Nachdem Softbank abgesprungen ist, hieß es vonseiten der indonesischen Regierungsbehörde, die die Planung der neuen Stadt übernommen hat, man werde „kreative Finanzierungsmodelle prüfen“, darunter auch die Idee des Crowdfundings. Die Finanzierungsmethode, auf Deutsch als Schwarmfinanzierung bekannt, erlaubt einer Vielzahl an Menschen, sich an Projekten, neuen Firmen oder Produkten zu beteiligen. Diese Kleinstinvestoren hoffen jedoch, nach dem Erfolg eines Projektes eine finanzielle „Belohnung“ zu erhalten.

Kritiker der Idee mahnten deswegen an, dass dies bei einer Stadt wohl nicht ebenso gut funktioniere. Pradarma Rupang, Leiter des Mining Advocacy Network in Ost-Kalimantan, hinterfragte im Interview mit Al Jazeera beispielsweise die Rolle dieser „Spender“: „Werden sie Aktionäre sein?“ fragte er. „Wie hoch wird die Entschädigung für diese Spender sein?“ Laut Rupang könnte nicht erwartet werden, dass die breite Öffentlichkeit die Rechnung für die neue Stadt bezahle. Die Menschen würden bereits unter Steuern, Bildungskosten und anderen Ausgaben leiden. Zudem habe die Regierung Kraftstoffsubventionen wieder abgeschafft. „Die Menschen zahlen auch für ihre eigene Gesundheitsversorgung, zumal die Regierung die Kontrolle über die Covid-19-Pandemie verloren hat.“ Vor allem in den vergangenen Wochen war die Belastung für viele Indonesier hoch – nachdem durch die russische Invasion in der Ukraine und eher unbefriedigenden Ernten die Lebensmittelpreise angestiegen sind und es an Grundnahrungsmitteln wie Speiseöl, Zucker und Mehl mangelte.

Orang-Utan-Bestand gefährdet

Kritik an der neuen Hauptstadt kommt auch von Umweltschützern. Denn die Region, in der die neue Großstadt entstehen soll, ist eine der letzten Rückzugsorte der gefährdeten Orang-Utans. Früher hatten die Menschenaffen noch einen Großteil Asiens bevölkert, doch durch menschliche Aktivitäten gingen ihre Bestände stark zurück. Inzwischen findet man die Affen in freier Natur nur noch auf den indonesischen Inseln Sumatra und Borneo.

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Ein junger Orang-Utan auf Borneo.

Ein junger Orang-Utan auf Borneo.

Doch selbst dort gingen laut der Umweltorganisation WWF zwischen 1973 und 2010 rund 40 Prozent des Lebensraumes der Orang-Utans durch Abholzung verloren. Auf Sumatra waren es zwischen 1985 und 2010 sogar 60 Prozent. Palmöl- und Zelluloseholzplantagen, landwirtschaftliche Betriebe und die Bergbauindustrie verdrängten den Orang-Utan aus seiner Heimat, sagen die Umweltschützer.

Die neue Hauptstadt in der Region könnte die Zerstörung der Wälder nun noch mal beschleunigen. Die 180.000 Hektar Land, die die Regierung für Nusantara anberaumt hat, liegen in einer Region, in der Orang-Utans, aber auch Sonnenbären und Langnasenaffen leben.

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