In Los Angeles wurde ein Dorf aus Mini-Häusern für Obdachlose gebaut

Ein Obdachloser, der sich selbst Tiffany nennt, in einem der Tiny Houses in der neuen Siedlung in Los Angeles.

Ein Obdachloser, der sich selbst Tiffany nennt, in einem der Tiny Houses in der neuen Siedlung in Los Angeles.

Los Angeles. Noch vor Kurzem war es eine bloße Fläche von Asphalt, grau in grau, gegenüber einem Park in Los Angeles. Heute stehen hier winzige Häuser in leuchtenden Farben. Amy Skinner, seit drei Jahren obdachlos, hat manchmal in dem Park geschlafen und verfolgt, wie die Häuschen in vorgefertigten Teilen herangeschafft und zusammengesetzt wurden, Arbeiter dann einen Zaun mit Tor um das Gelände bauten. So entstand im Handumdrehen das Chandler-Street-Dorf - die erste Siedlung dieser Art in der kalifornischen Metropole, für Menschen ohne Dach über dem Kopf.

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Anfang Februar erhielt Skinner einen Schlüssel zu einer der insgesamt 39 Einheiten, die gerade mal sechs Quadratmeter messen, und zog mit ihrem Partner John Golka und Hündchen Smalls ein. Es ist eng, aber behaglich in ihrer vorläufigen Bleibe mit vier Fenstern, zwei Betten, Regalen und einer Klimaanlage. Und die Aufschrift auf der Fußmatte vor der Eingangstür spiegelt wider, was das Paar empfindet: „Dies ist unser glücklicher Platz.“

Tiny Houses als vorübergehende Bleibe für Obdachlose

„Die Tür abschließen zu können und einen (geschlossenen) Ort zum Schlafen zu haben, ist eine große Sache“, sagt die 48-jährige Skinner nach ihrer Morgenzigarette auf einem Freizeitgelände der Siedlung, das sie mit den anderen Bewohnern teilt. In der Nähe sieht man knallrote Picknicktische und eine Containereinrichtung mit Toiletten und Duschen.

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Dörfer mit sogenannten Tiny Houses sind nicht neu, sie werden etwa als erschwingliche Wohnalternative in teuren Großstädten angeboten oder auch als Option für Menschen, die ihr Leben entrümpeln wollen, sich bewusst für einen minimalistischen Lebensstil entscheiden. Aber sie werden zunehmend auch als vorübergehende Bleibe für Obdachlose genutzt, so etwa in Sacramento und San Jose, in Seattle, Minneapolis und Des Moines.

Das Chandler-Street-Dorf in North Hollywood in L.A. wurde von der Stadt entwickelt und finanziert. Die Metropolregion Los Angeles leidet unter einer Obdachlosenkrise, die sich im Zuge der Corona-Pandemie noch verschärft hat. Nach einer Erhebung waren 2020 im Bezirk Los Angeles 66.400 Menschen ohne festes Dach über dem Kopf - 12 Prozent mehr als im Vorjahr. Viele schlafen in Zelten, Bürgersteige nahe dem Stadtzentrum sind voll davon.

Mehr als 150.000 Obdachlose in Kalifornien

Insgesamt gibt es in Kalifornien mehr als 150.000 Obdachlose. Vor diesem Hintergrund hat Gouverneur Gavin Newsom kürzlich auch angekündigt, dass 2021 zwei Milliarden Dollar für mehr Wohnraum für Menschen ohne Bleibe ausgegeben werden sollen.

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Das leere Grundstück gegenüber dem Park in North Hollywood war ideal für das Dorf aus Tiny Houses, wie Stadtratsmitglied Paul Kerkorian sagt. Allerdings seien manche Einwohner in der Nähe wenig begeistert gewesen. Sie hätten davon überzeugt werden müssen, dass es sich um eine sichere und saubere Möglichkeit zur Unterbringung handele. Es sei viel besser als Zeltlager, betont auch Ken Craft von der gemeinnützigen Organisation Hope of the Valley, die das Dorf betreibt. „Hier gibt es Dienstleistungen. Hier können Leute damit anfangen, ihren Weg aus der Obdachlosigkeit zu entwerfen.“

Berater helfen dabei, sorgen für die Behandlung psychischer Probleme, bieten Rat in Rechtsfragen und Unterstützung bei der Jobsuche. Skinner hat mittlerweile eine Sozialversicherungsnummer beantragt - ein erster Schritt zu einer potenziellen Festanstellung.

Einheiten haben jeweils 7500 Dollar gekostet

Die Häuschen sind rot, weiß und blau, mit knallgelb angestrichenen Wegen zwischen ihnen - eine bewusste Wahl, um den Eindruck institutioneller Einrichtungen zu vermeiden und das Dorf besser in die Umgebung zu integrieren.

Die Einheiten haben jeweils 7500 Dollar gekostet, Arbeit und Materialien eingeschlossen. Insgesamt wurden etwa fünf Millionen Dollar aufgewendet, der größte Teil davon für die Anbindung an das Strom-, Wasser- und Abwassersystem. Hope of the Valley erhält von der Stadt 55 Dollar pro Person am Tag, das soll helfen, die Kosten für drei Mahlzeiten und soziale Dienste für die Einwohner zu bestreiten.

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Die Organisation baut Craft zufolge in North Hollywood zwei weitere Siedlungen dieser Art - eine davon mit 100 Einheiten, was sie zur bislang größten in Kalifornien machen wird. Weitere Dörfer sind in anderen Stadtteilen geplant.

Kritiker finden Häuschen zu notdürftig

Die meisten Aktivisten gegen Obdachlosigkeit begrüßen das, sagen, dass jede neue Unterkunft helfe. Aber es gibt auch Kritiker wie Pete White von der Organisation Los Angeles Community Action Network. Er findet die Häuschen zu notdürftig, sie sähen aus wie „der Schuppen, in dem man seinen Rasenmäher unterbringt“. Seine Gruppe entwickelt eine ähnliche Siedlung mit etwas größeren „Mikrohäusern“ für Obdachlose, sie sollen Küchen haben und nachhaltig umweltverträglich sein, mit Solarkraft und wiederaufbereitetem Wasser. Das Pilotprojekt wird White zufolge durch Spenden finanziert werden, Kostenschätzungen gibt es aber noch nicht.

Die meisten Chandler-Street-Bewohner haben vor, ein paar Monate zu bleiben und dann zu versuchen, in eine Dauerwohnung umzusiedeln. Ted Beauregard war einer der ersten, der einzog. Der 63-Jährige landete auf der Straße, als die Corona-Pandemie seine Baufirma lahmlegte. Nun hat er vor, bis Mitte April eine neue Bleibe zu finden. Das winzige Häuschen, so sagt er dankbar, „nutze ich als ein Sprungbrett“.

RND/AP

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