„Immerhin: Wir leben noch“: Die Bewohner des Eifeldorfs Schuld kämpfen mit den Folgen der Wasserkatastrophe
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Das Wasser hat in Schuld eine Spur der Verwüstung hinterlassen.
© Quelle: Thorsten Fuchs
Schuld. Am Tag nach der Flut steht der Rentner Gottfried Holzem in seiner Straße und schaut stumm auf das, was das Wasser mit seiner Heimat gemacht hat. Was er sieht, ist: ein Bagger, der die Trümmer des zusammengestürzten Schuppens abträgt. Nachbarn, die in weißen Kisten Vorräte aus den Resten ihres Hauses tragen. Schlamm, Holz, Steine, die überall herumliegen. Und er sieht auf sein eigenes Haus, an dem eine braune Linie markiert, wie hoch das Wasser stand.
Als ein Nachbar vorbeikommt, sehen sie sich einige Momente sprachlos an. Dann sagt der: „Immerhin: Wir leben noch.“
„Ist die Hauptsache“, antwortet Rentner Holzem. Viel mehr Gutes lässt sich an diesem Tag nicht sagen.
Der 700-Einwohner-Ort Schuld in der Eifel ist der wohl am schwersten betroffene Ort dieser Flutkatastrophe. Die Ahr macht hier eine Schleife, sie fließt um den Ort herum, normalerweise. In der vergangenen Nacht jedoch, als der Pegel immer weiter stieg, suchte sich das Wasser den direkten Weg – und hinterließ eine Spur der Zerstörung.
Ein Auto liegt am Tag danach noch immer kopfüber am Ufer, einfach fortgetragen vom plötzlich mächtigen Fluss, Wände wurden fortgerissen, ganze Häuser sind verschwunden, sechs insgesamt, Bäume ausgerissen.
Hochwasser in der Eifel: „Häuser wurden mitgerissen“
Die Ortsgemeinde Schuld in der Eifel wurde vom schweren Unwetter besonders hart getroffen. RND-Chefreporter Thorsten Fuchs war vor Ort.
© Quelle: Thorsten Fuchs/RND
Die Bäckerei ist verwüstet, im Verkaufsraum ist der Tresen umgestürzt, die Kaffeemühle liegt mitten darin. Die gerade eröffnete Pizzeria ist zerstört, der kleine Supermarkt im Ort wirkt wie geplündert, die Kasse vom Wasser heruntergerissen und offen im verwüsteten Raum.
Der Betreiber, Kurt Theisen, steht fassungslos davor – das Haus könnte jederzeit einstürzen, deshalb darf er nicht hinein. Seit 20 Jahren führt er das Geschäft, „die Menschen waren froh, dass sie uns hatten“, sagt er, sein Geschäft war Zeichen einer lebendigen Dorfkultur, er selbst betreibt daneben noch einen Partyservice. „Erst Corona, alle Großveranstaltungen ausgefallen – aber das ist jetzt der i-Punkt.“
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Wer die Nacht im Ort verbrachte, dem blieb meist nicht mehr, als sein bloßes Leben zu retten. Der Kfz-Mechatroniker Peter Ohlert wohnte in einem alten Fachwerkhaus. Als das Wasser kam, raffte er Dokumente und das Nötigste in eine Kiste, setzte sich ins Auto und fuhr den Hang hoch. „Mir blieben nur 20 Minuten“, sagt er, „so schnell ging das.“ Die ganze Nacht verfolgte er aus der sicheren Höhe hilflos, was das Wasser mit seinem Ort machte. Jetzt ist sein Haus unbewohnbar, das Wasser hat die Fenster herausgedrückt, schlammbraune Vorhänge hängen in den kahlen Öffnungen.
Und jetzt? „Erst mal zur Freundin“, sagt er. Alles Weitere: noch ungewiss.
Es sind auch die vielen Helfer, die am Tag danach das Bild im Ort prägen. Ermattete Feuerwehrleute wie Sebastian Heinrich, stellvertretender Wehrführer von Schuld, der die ganze Nacht im Einsatz und jetzt, am Nachmittag, noch immer durch den Ort eilt, mit blassem Gesicht. „Das war blankes Entsetzen“, sagt er über diese Nacht, „das ist nichts, was man jemals erleben will.“
Und es sind die vielen weiteren Helfer, die aus umliegenden Orten herbeigeeilt sind, Menschen wie Christiane Kreutz, die seit dem Morgen die Helfer mit Essen versorgt. „Das sah hier aus wie im Horrorfilm“, sagt sie. Aber immerhin gebe es auch etwas Tröstliches: „Schuld ist ein Ort, wo die Menschen zusammenhalten.“
Und noch ein weiteres Glück im Unglück bringt der Tag für die Menschen in Schuld: Am Nachmittag ist klar, dass sich alle Vermissten im Ort wieder eingefunden haben, es gibt in Schuld keine Todesopfer. In der Gemeinde Adenau, zu der Schuld gehört, werden noch 30 Menschen vermisst, was laut Feuerwehrsprecher Andreas Solheid allerdings auch mit den Campingplätzen zusammenhängen kann, die es in der Gemeinde gibt.
„Die Lage hat sich etwas stabilisiert“, resümiert er am späten Nachmittag. Nur auf eines müssen die Menschen in Schuld jetzt noch hoffen: dass es keine weiteren schweren Regenfälle gibt.