Hass gegen Fridays for Future: Warum die Jugend sowieso gewinnen wird
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/5BIXTWW7MJFA7KGGGZRDWJIG2A.jpg)
Ein Klimaaktivist in Rom.
© Quelle: imago images/Pacific Press Agency
Hannover. Die Fridays-for-Future-Bewegung sorgt weltweit für Euphorie: 1,4 Millionen Menschen waren am Freitag bei den Protesten auf der Straße – allein in Deutschland gab es 500 Demonstrationen.
Doch je größer die Bewegung wird, desto lauter wird auch der Protest. Vielen ist die Jugendbewegung ein Dorn im Auge. Gerade Greta Thunberg ist für viele zum Hassobjekt geworden. Und vor allem Autofahrer befürchten durch strengere Klimaschutzpläne eine Einschränkung ihres bisherigen Lebensstils: Teurere Spritpreise, Fahrverbote oder gar den Verlust ihres geliebten SUV.
Genau aus diesem Grund hat sich jetzt auf Facebook eine Gruppe gegründet. Sie nennt sich „Fridays for Hubraum“ und versteht sich als Gegenstück zur Klimabewegung „Fridays for Future“. Das selbsternannte Ziel der Gruppe: Innerhalb kurzer Zeit mehr Mitglieder zu haben, als die deutsche Facebook-Seite von Fridays for Future. Schon am Dienstag konnten die Administratoren stolz verkünden: Das Ziel ist erreicht. Stolze 270.000 Mitglieder konnten die Autofans bis Mittwochvormittag mobilisieren. Die deutsche Fridays-for-Future-Fanpage auf Facebook zählt nur 75.000 Mitglieder.
Wie stehen die Chancen für „Fridays for Hubraum“?
Innerhalb der Community wird man angesichts des rasanten Wachstums schon übermütig: Ein Nutzer sieht die Gruppe schon als „richtige Bewegung“ – auch Pläne für erste Demonstrationen werden geschmiedet: „Lasst uns Demos organisieren und ganze Städte lahm legen. So finden wir Bürger vielleicht endlich Gehör“, schreibt einer. In der Gruppenbeschreibung hieß es schon am Dienstag großspurig: „Wir sind mehr.“
Der Erfolg der Gruppe scheint nach wochenlangen Klimadiskussionen wie ein kleiner Siegeszug – oder Sieges-SUV – der Autofahrer. Eine Gruppe, die nach nur wenigen Stunden mehr Mitglieder hat als Fridays for Future? Eine Gruppe, die das Zeug hat, dem vermeintlichen „Klimawahn“ endlich etwas entgegenzusetzen? Könnte diese Gruppe tatsächlich annähernd die Relevanz einer Fridays-for-Future-Bewegung bekommen?
Klimagipfel: Merkel kritisiert Thunberg-Rede
Die Bundeskanzlerin hat erstmals Kritik an der Anführerin von Fridays for Future geübt.
© Quelle: dpa
Facebook spielt gar keine Rolle
Nein, das ist ziemlich unwahrscheinlich. Und das hat auch damit zu tun, dass sich Teenager mit dem Internet deutlich besser auskennen als ihre Gegner.
Allein die Annahme, dass die Mitgliederzahl einer Facebook-Gruppe Richtwert für die Größe einer Bewegung sein könnte, passt nur ins Denkmuster von Erwachsenen. Bei Fridays for Future spielt die Plattform Facebook fast gar keine Rolle.
Auf der offiziellen Website der Bewegung lässt sich nachlesen, wie sich die Jugendlichen vernetzen. Vor allem geschieht dies über regionale Whatsapp-Gruppen. Diese gibt es von Aachen bis Jena, von Bad Dürkheim bis Neuruppin. In einigen Fällen nutzen die Teilnehmer auch Messenger wie Telegram oder Community-Plattformen wie Discord.
Auch aus diesem Grund kamen das rasante Wachstum von Fridays for Future und die plötzlich aufkommenden Klimademos für viele überraschend: Die Kommunikation der Teenager spielt sich auf halb-privaten Messenger-Plattformen ab, nicht in öffentlichen Facebook-Gruppen. Zwar gibt es auch dort einige Regionalgruppen – diese haben jedoch verschwindend geringe Mitgliederzahlen.
Lesen Sie auch: Darum rollen immer mehr SUV durch Deutschland
Teenager schreiben Internetgeschichte
Das Portal „Bento.de“ hatte im Frühjahr aufgedröselt, wie die Vernetzung der Jugendlichen genau abläuft: Weil in eine Whatsapp-Gruppe nur 256 Menschen passen, haben die Jugendlichen die Gruppen gesplittet und ein Delegiertensystem erfunden. Jede Regionalgruppe wählt einen Stellvertreter. Es wurden Hierachieebenen eingeführt und in kleineren Gruppen Entscheidungen getroffen. Denn: Je größer die Gruppen, desto größer das Chaos. Schließlich schützen auch Gruppen in Messengern nicht vor Trollen.
Zitiert wird im Artikel auch ein Schüler aus Turin, der einen Bot programmiert hat, um verschiedene Messenger miteinander zu verknüpfen. Denn nicht in jedem Land ist Whatsapp die Kommunikationsplattform Nummer eins. Ohne solche Hilfsmittel wäre es wahrscheinlich kaum möglich gewesen, alle Schüler zusammenzubringen.
Auf diese Weise ist es den Teenagern auch gelungen, sich global zu vernetzen und die riesigen Proteste am 20. September auf die Beine zu stellen. Das ist nicht nur wahnsinnig clever, sondern auch ein bislang einmaliges Ereignis: Waren es vor zehn Jahren noch klassische soziale Netzwerke, die Bewegungen ausgelöst haben – Beispiel: Der arabische Frühling –, so sind es nun zum ersten Mal Messenger-Plattformen.
Die Jugendlichen von Fridays for Future haben damit nicht nur Internetgeschichte geschrieben, sondern den Erwachsenen auch gezeigt, wie man das Internet richtig benutzt. Das ist übrigens nicht das erste Mal.
Parallelen zum Parkland-Shooting
Im Jahr 2018 gab es schon mal eine Jugendbewegung in den USA. Nach dem schrecklichen Attentat eines 19-jährigen Schülers an einer Highschool in Parkland mit 17 Toten, zog eine riesige Protestwelle durchs Land. Organisiert wurde sie ebenfalls zum Großteil von Schülerinnen und Schülern über die sozialen Netzwerke. Die Überlebenden des Attentats, darunter die 18-jährige Emma González und der 17-jährige David Hogg, fesselten mit ihren Reden Millionen und nahmen die Waffenlobby in den USA hart in die Mangel.
Ähnlich wie jetzt in Deutschland gab es auch damals Gegenbewegungen: Schon kurz nach dem Attentat machten erste Verschwörungstheorien die Runde. Minderjährige, die wenige Stunden zuvor noch viele Mitschüler verloren hatten, wurden in den sozialen Netzwerken verunglimpft und als Lügner dargestellt.
Auch damals zeigen die Parkland-Teenager schon, dass sie vom Netz deutlich mehr verstehen. Sie entlarvten die Lügen und Verschwörungstheorien ihrer Gegner souverän – und David Hogg legte sich öffentlichkeitswirksam über die sozialen Netzwerke mit Prominenten an. Die Moderatorin Laura Ingraham des Trump-nahen Fernsehsenders Fox News hatte sich on Air über den Schüler lustig gemacht. Nur ein Tweet von Hogg – der damals rund 600.000 Follower hatte – an die Sponsoren genügte – und die Moderatorin verlor einen Großteil ihrer Werbedeals.
Wer sitzt wohl am längeren Hebel?
Während sich also auf der ganzen Welt Schülerinnen und Schüler ernsthaft und mit viel Engagement für eine bessere Zukunft vernetzen, gibt es in Deutschland nun diese Facebook-Gruppe für Autofans. Eine Gruppe, die für die Jugendlichen, die gerade Geschichte geschrieben haben, nichts als Spott übrig hat. Eine Gruppe, deren Inhalte vor allem daraus bestehen, eine 16-Jährige zu beleidigen und besonders PS-starke Autos zu posten.
Es braucht nicht viel um herauszufinden, welche dieser beiden Bewegungen am Ende wohl am längeren (Schalt-)Hebel sitzen wird. Die Teenager haben ihre Gegner schon jetzt längst abgehängt.
Lesen Sie auch: Alternativer Nobelpreis für Greta Thunberg