Giftanschläge in Deutschland: eine Chronologie
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Wenn es sich um Gift handelt, rückt die Polizei in voller Schutzmontur an, wie hier bei einem Rizinfund in einer Kölner Wohnung im Jahre 2018.
© Quelle: dpa
Kriminelle Taten, bei denen Gift eine Rolle spielt, gibt es immer wieder. Die bekanntesten politisch motivierten Anschläge mit Gift waren die gegen den russischen Oppositionspolitiker Alexej Nawalny im August 2020 sowie zwei Jahre zuvor gegen den ehemaligen russischen Oberst Sergei Wiktorowitsch Skripal und seine Tochter Julija im englischen Salisbury. In beiden Fällen wurden den Betroffenen heimlich gefährliche Nervengifte verabreicht.
Doch Giftanschläge wie jüngst an der TU Darmstadt haben überwiegend keinen politischen Hintergrund. Oft geht es den Tätern darum, Geld zu erpressen oder Rache zu üben. Manchmal lassen sich die Hintergründe gar nicht aufklären. Diese Giftanschläge, beziehungsweise die Androhung dazu, gab es in den vergangenen Jahren in Deutschland:
Juni 2020: In München manipuliert eine 56-Jährige in einem Supermarkt Getränkeflasche. Drei Kunden hatten die vergifteten Flaschen gekauft und daraus getrunken. Zwei Frauen mussten sofort medizinisch behandelt werden. Die genutzte Giftmenge hatte um ein Vielfaches die tödliche Dosis überschritten. Wie in den meisten Fällen machten die Ermittler keine Angaben zu dem Gift, um Nachahmungstaten zu verhindern. Warum und wozu die Frau Gift eingesetzt hat, konnte nicht herausgefunden werden. Die Täterin kam in die Psychiatrie.
Mai 2018: Ein 56-jähriger Mitarbeiter einer Firma im nordrhein-westfälischen Schloß Holte-Stukenbrock soll das Pausenbrot eines Kollegen mit einer giftigen Chemikalie versetzt haben. Der Tatverdächtige wurde durch Bildaufzeichnungen identifiziert. Den Ermittlern zufolge streute er mehrfach ein selbst gemischtes Pulver auf die Pausenbrote des 26 Jahre alten Mannes. Das Opfer hatte jahrelang im Wachkoma gelegen, seine Vergiftungserscheinungen seien „in den vergangenen 100 Jahren in der wissenschaftlichen Literatur nur dreimal aufgetaucht – weltweit“, hielt der Richter im Prozess noch fest. Im Jahr 2020 starb das Opfer. Dem beschuldigten zweifachen Familienvater soll es laut Anklage auch darum gegangen sein, „zu sehen, wie seine Kollegen vor seinen Augen langsam an körperlichem Wohlbefinden einbüßen und aufgrund der Art der Vergiftung Schmerzen und Qualen erleiden“. Er wurde zu lebenslanger Haft verurteilt.
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Der Mann, der die Pausenbrote vergiftet hat, wurde 2018 verurteilt.
© Quelle: Friso Gentsch/dpa
Gifteinsatz für eine Erpressung
September 2017: Ein 53-Jähriger hat 2017 in mehreren Geschäften in Friedrichshafen Gläschen mit Babynahrung vergiftet und einen Millionenbetrag gefordert. Bei Nichtzahlung hatte er gedroht, bundesweit Lebensmittel zu vergiften. Glücklicherweise wurde niemand verletzt. Der Mann konnte gefasst werden und wurde im Oktober 2018 wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit versuchter räuberischer Erpressung zu zwölfeinhalb Jahren Haft verurteilt.
Seit August 2016: Ein 74-Jähriger aus Dortmund hatte zunächst Lidl mit der Vergiftung von Lebensmitteln gedroht. Als das Unternehmen nicht reagierte, habe er Haribo und Kaufland ins Visier genommen und den Einsatz von Zyankali angekündigt, so die Ermittler. Zugleich habe der Mann seine Forderungen auf eine Million Euro in der Internetwährung Bitcoin erhöht. In die Tat umgesetzt hat der Rentner seine Drohungen nicht. Die Polizei kam dem Mann auf die Spur, im Juli 2017 wurde er zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt.
Mai 1999: Ein 47-Jähriger will 2,5 Millionen Mark vom Maggi-Konzern erpressen. Er droht damit, Produkte dieser Marke zu vergiften. Der später geständige Täter wird im August 1999 in Titisee-Neustadt im Schwarzwald auf frischer Tat ertappt: Die Polizei nimmt ihn fest, als er aus einer Telefonzelle heraus den Lebensmittelkonzern in Singen zu erpressen versucht. In seinen Vernehmungen und vor Gericht gibt er als Tatmotiv hohe Schulden an. Er wird zu fünf Jahren Haft verurteilt.
hma/RND