Femizide in Deutschland: Kritik an fehlendem Konzept zum Schutz gefährdeter Frauen

Weibliche Demonstranten liegen in Buenos Aires in Argentinien auf einem Gehweg, bedeckt mit Plastiktüten, und protestieren gegen Femizide. (Archivbild)

Weibliche Demonstranten liegen in Buenos Aires in Argentinien auf einem Gehweg, bedeckt mit Plastiktüten, und protestieren gegen Femizide. (Archivbild)

Mainz. Die Opferschutzorganisation Weißer Ring hat die Bundesregierung aufgefordert, massiv gegen Femizide - die Tötung von Frauen und Mädchen aufgrund ihres Geschlechts - vorzugehen. „Mehr als jeden dritten Tag wird im Durchschnitt in Deutschland eine Frau in einer Partnerschaft getötet“, sagte der Bundesvorsitzende der Hilfsorganisation, Jörg Ziercke, der Deutschen Presse-Agentur in Mainz. „Zu fast 40 Prozent ist es der Ex-Partner“, berichtete der frühere Chef des Bundeskriminalamts.

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Während andere Gewaltdelikte zurückgingen, bleibe diese Zahl seit Jahren etwa gleich hoch, stellt der Weiße Ring fest. „Wenn sich Frauen, die von Männern mit dem Tode bedroht werden, an die Behörden wenden, zeigen sich diese oft buchstäblich hilflos.“

„Kriminalität und Mord hat mit Nationalität nichts zu tun“

„Kriminalität und Mord hat mit Nationalität nichts zu tun“, betonte Ziercke. 74 Prozent der Täter seien Deutsche. „Es kommt auf die sozialen Verhältnisse an, es kommt auf die Wertvorstellungen und auf die Erziehung an.“ Die Motive der Täter - teilweise auch verdeckt - seien häufig Kontrollverhalten, Besitzdenken, Dominanz und Machtausübung. Viele Aspekte seien allerdings noch unerforscht.

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„Wenn Annäherungsverbote nicht kontrolliert werden, bringen sie nichts“, sagte Ziercke. „Die Behörden hören durchaus zu, handeln aber nicht konsequent genug, da gibt es so viele Hürden und Schwierigkeiten.“ Beim sogenannten Hochrisikomanagement bedrohter Frauen gebe es in den Bundesländern zudem „ein hoch unterschiedliches Bild“, auch in der Ausbildung der Polizeibeamten und der Justiz. Einige Länder hätten gar kein Konzept.

Forderung nach mehr Forschung

„Es gibt nicht genügend wissenschaftlich fundierte systematische Ansätze zum Umgang mit dem Gefährdungspotenzial eines Bedrohers“, stellte Ziercke fest. „Das ist wirklich Mangelware. Da muss man einfach mehr tun.“ Es müsse erforscht werden, wann mit einer Tat zu rechnen sei.

„Das Ausland macht das teilweise ganz anders“, sagte Ziercke. In Deutschland werde in der Regel das Mittel der Gefährderansprache gewählt. „Aber wenn man eine Gefährderansprache macht, muss man auch konsequent sein“, sagte Ziercke. Der Weiße Ring fordert den Einsatz elektronischer Überwachung nach Verstößen gegen das Gewaltschutzgesetz. In Spanien etwa würden strafrechtliche Distanzandrohungen in Echtzeit elektronisch überwacht und es gingen die roten Lampen an, wenn sich jemand seinem Opfer nähere, sagt Ziercke. Dann fahre die Polizei los. „In Deutschland stellen wir immer erst hinterher fest, dass es ein Annäherungsverbot gab.“

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RND/dpa

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